Hamburg. Zwei Tage nach dem Tötungsdelikt kommen vier Verdächtige frei. Polizei Hamburg ist überzeugt: Es gab noch mehr Beteiligte
- Nachdem ein 24-Jähriger vor einer Shishabar erschossen wurde, laufen Ermittlungen auf Hochtouren
- Polizei Hamburg und Staatsanwaltschaft haben vier festgenommene Verdächtige wieder freigelassen
- Nun suchen die Ermittler nach einem zweiten Fluchtwagen – und der Tatwaffe
Nach der Schießerei mit einem Toten vor der Shishabar Chérie in Hamburg-Sasel sind die vier Männer, die kurz nach der Tat festgenommen worden waren, wieder auf freiem Fuß. Völlig unklar ist weiterhin das Motiv für das Verbrechen. Opfer Misagh A. (24) war bislang der Polizei Hamburg nicht bekannt. Auch die zunächst Festgenommenen sind bislang nicht im Zusammenhang mit schweren Straftaten auffällig geworden. Die Ermittler der Mordkommission und die Staatsanwaltschaft Hamburg hoffen jetzt, dass sich weitere Zeugen melden, auch aus der Shishabar.
Am Sonntagabend, gegen 22.20 Uhr, hatte es nach Informationen des Abendblatts in dem Lokal an der Saseler Chaussee zunächst einen Streit zwischen mehreren Männern gegeben. Die Auseinandersetzung verlagerte sich auf die Straße. Dann fielen Schüsse. Misagh A. sackte getroffen zu Boden, die anderen an dem Streit beteiligten Personen flüchteten.
Schüsse in Hamburger Shishabar: 24-Jähriger tot – vier Festgenommene wieder frei
Polizisten, die unmittelbar nach den Schüssen alarmiert und innerhalb kurzer Zeit am Tatort waren, stoppten knapp einen halben Kilometer von der Shishabar entfernt ein VW Coupé. Die Beamten forderten die Insassen, vier 22 bis 30 Jahre alte Männer, mit gezogenen Waffen auf, aus dem Wagen zu steigen.
Für den Niedergeschossenen gab es derweil keine Rettung. Noch vor Ort stellte ein Notarzt den Tod des 24-Jährigen fest, der in Rahlstedt wohnte. Seine Leiche kam in die Rechtsmedizin. Einsatzkräfte des Kriseninterventionsteams des DRK betreuten Angehörige und Bekannte des Opfers sowie Zeugen.
Polizei Hamburg sucht fieberhaft nach einem zweiten Fahrzeug – und der Tatwaffe
Die Festgenommenen wurden ins Polizeipräsidium gebracht. Zwar war im Fahrzeug keine Schusswaffe gefunden worden, trotzdem hofften die Ermittler der Mordkommission, ihnen die Tat zuordnen zu können. Dabei spielten Schmauchspuren, Anhaftungen der Explosionsgase, die bei einer Schussabgabe aus einer Waffe austreten, eine Rolle. Noch am Tatort wurden den Verdächtigen Papiertüten über die Hände gezogen, damit solche Anhaftungen nicht verloren gehen. Kriminaltechniker konnten aber später keine Schmauchspuren feststellen. Alle Festgenommenen wurden daher wieder entlassen.
Allerdings gibt es mittlerweile Hinweise auf ein zweites Fahrzeug, das kurz nach den Schüssen vom Tatort davongerast war. „Staatsanwaltschaft und Polizei verfolgen hier bereits erste konkrete Ermittlungsansätze“, sagte Polizeisprecher Florian Abbenseth. Mit dem Wagen könnte auch die Tatwaffe weggeschafft worden sein. Denn sie wurde – trotz des Einsatzes eines Sprengstoffspürhundes, der eine Patronenhülse erschnüffelte – auch nicht in der Umgebung des Tatortes gefunden.
Shishabar wird zum Schauplatz eines Verbrechens: Ein Streit im Drogenmilieu?
Kurz nach den Schüssen war die Vermutung aufgekommen, dass die Tat etwas mit den Auseinandersetzungen im Drogenmilieu zu tun haben könnte, die seit August 2022 einen Toten und mehrere Verletzte forderten:
- Ende Juli 2022 war an der Lübecker Straße in der Shishabar Nythys Terry S. getötet worden. Zwei maskierte Männer waren direkt an ihn herangetreten und hatten ihm ins Gesicht geschossen. Das 24 Jahre alte Opfer war der Polizei als Drogendealer bekannt.
- Eineinhalb Monate später, am 21. September, lauerten zwei Männer Hulisi B. auf der Veddel auf. Der 37-Jährige war Torwart bei der Mannschaft „Milonairs Club“ des Rappers Milonair und hatte mit seinem Teamkollegen dort trainiert. Die Täter schossen dem Mann mit einer Pistole vom Typ Baretta aus kurzer Distanz in den Kopf und flüchteten. Das Opfer überlebte schwer verletzt. Der Mann, der der Polizei schon als Jugendlicher im Bereich Bergedorf im Zusammenhang mit Drogendelikten aufgefallen war, ist jetzt ein Pflegefall.
- Am 10. Januar dieses Jahres kam es zu einem nächtlichen Schusswechsel vor einer roten Ampel an der Straße Pulverhof in Tonndorf zwischen den Insassen zweier Autos. Die Angreifer hatten offenbar Kaiser R. (27) und Taylan T. (30), die in einem Audi Q8 unterwegs waren, gezielt abgepasst und das Feuer eröffnet. Die beiden Angegriffenen schossen zurück. Anschließend versuchten sie noch, trotz Verletzungen, die Waffen „verschwinden“ zu lassen. Beide Männer sind im Zusammenhang mit Drogendelikten bekannt.
Die Polizei hatte im Zusammenhang mit den Taten die Soko „Trinity“ eingerichtet. Sie besteht aus Drogenfahndern und Ermittlern für deliktsübergreifende Organisierte Kriminalität. Dabei spielt die soziale Einrichtung HausDrei in Altona eine Rolle. Zu diesem Ort haben die Beteiligten eine direkte oder indirekte Verbindung. Insgesamt geht es um eine Gruppierung, die mehr als 150 Personen zählen soll. Sie sollen im Rauschgifthandel, vorwiegend mit Marihuana, mitmischen, aber auch in der Szene rund um sogenannte Gangsta-Rapper, deren rüdes Liedgut von Waffen, Drogen, Geld und Macht handelt.
Tod vor der Shishabar: „Im aktuellen Fall kann nicht von Hinrichtung gesprochen werden“
Dass die jüngste Tat in Sasel mit den drei Schießereien zusammenhängt, ist für Ermittler derzeit mehr als fraglich. Sowohl die beiden Vorfälle im vergangenen Jahr als auch der im Januar in Tonndorf waren gezielt. Im Fall Terry S. wurde von einer Hinrichtung gesprochen. Auch die beiden anderen Fälle waren ähnlich gelagert.
„Im aktuellen Fall kann aber nicht von einer Hinrichtung oder einem Hinrichtungsversuch gesprochen werden“, so ein Ermittler. „Sie ist vom Ablauf völlig anders.“ Bei den drei Schießereien, die die Soko bearbeitet, hatte es keine Streitereien gegeben. Auf die Opfer war „ohne viel Sprechen“, ohne jede Vorwarnung, geschossen worden.
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Im Fall von Misagh A. soll es dagegen zuvor einen lautstarken Streit gegeben haben, den einige Gäste mitbekommen hatten. Die Tat eskalierte von einer verbalen Auseinandersetzung, zu einer brutalen, tödlichen Attacke. Worum es ging, weiß die Polizei bislang nicht. „Die Ermittlungen zu den Hintergründen dauern weiter an“, sagt deshalb auch Polizeisprecher Abbenseth.