Hamburg. 24-Jähriger soll drei Jahre älteren Mann vor Augen der anderen Gäste erschossen haben. Polizei zerschlägt Bande von Dealern.
Lange hatte es so ausgesehen, als ob der Killer unerkannt entkommen würde. Nachdem Terry S. (27) Ende Juli in einer Shishabar an der Lübecker Straße durch Schüsse ins Herz und ins Gesicht getötet worden war, schien es zunächst so, als könne die Mordkommission den Täter nicht ermitteln. Jetzt, knapp fünf Monate nach der Tat, die erste Verhaftung: Polizisten durchsuchten am Dienstagmorgen 24 Objekte, vorwiegend Wohnungen in Hamburg und eine Wohnung in Pinneberg.
Auf St. Pauli wurde ein Haftbefehl wegen Mordes und ein weiterer wegen Betäubungsmittelhandels gegen einen 24-Jährigen vollstreckt, der nach Erkenntnissen von Ermittlern und der zuständigen Staatsanwältin der Abteilung für Kapitaldelikte die tödlichen Schüsse abgefeuert haben soll.
Polizei Hamburg: Bei dem Mord ging es um Drogen
Es sind keine überraschenden Ergebnisse, die die monatelangen Ermittlungen hervorbrachten, an denen auch das Drogendezernat beteiligt war. Es ging bei den Schüssen um Drogen. Auf die Spur der Täter kamen die Ermittler durch das „ganze Repertoire“ der kriminaltaktischen Maßnahmen, die das Strafgesetzbuch hergibt. Dazu zählt, neben der Anfang August durchgeführten Öffentlichkeitsfahndung mit Bildern der Überwachungskameras, die zunächst keinen greifbaren Erfolg brachte, auch Telefonüberwachung.
Nach und nach kristallisierte sich eine Gruppierung, bestehend aus mehreren türkischstämmigen Männern, heraus, von denen mehrere, wie auch der mutmaßliche Schütze, die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen.
Als Motiv gelten ein Streit und nicht eingehaltene Zusagen
Dabei handelte es sich um eine für das heutige Drogendealermilieu „typische“ Bande: Es gab keine feste Struktur. Einzelne Geschäfte wurden in wechselnder Beteiligung durchgeführt. Man kannte sich und wusste um die „Qualitäten“ der anderen Beteiligten, mit denen man die Deals abwickelte.
Auch das Opfer Terry S., der bereits einschlägig im Zusammenhang mit Drogendelikten polizeilich aufgefallen war, gehörte nach Erkenntnissen der Ermittler zu dieser Gruppierung. Sein Tod ist, davon geht man bisher aus, das Ergebnis von Streitigkeiten und nicht eingehaltenen Zusagen bei den Drogengeschäften.
Kokain und Marihuana sichergestellt
Am frühen Dienstagmorgen rückte die Polizei mit einem größeren Aufgebot aus. Beamte des Spezialeinsatzkommandos (SEK) überwältigten den mutmaßlichen Schützen in einer Wohnung auf St. Pauli. Er war dort nicht gemeldet. Man hatte ihn trotzdem lokalisieren können. Gleichzeitig nahmen Polizisten drei weitere 25, 26 und 45 Jahre alte Männer fest. Ein fünfter Mann, gegen den ein Haftbefehl erwirkt worden war, konnte entkommen und war am Dienstagabend noch auf der Flucht.
Bei dem Zugriff am Dienstagmorgen stellte die Polizei auch Drogen – Kokain und Marihuana – sicher. Auch scharfe Schusswaffen wurden gefunden. Ob die Tatwaffe dabei ist, müssen jetzt Untersuchungen der Kriminaltechnik zeigen. Kokain soll in einer Größenordnung von etwas weniger als zehn Kilo gefunden worden sein. Marihuana wurde im zweistelligen Kilobereich sichergestellt.
Unklar ist bislang, wie lange die Gruppierung aktiv war
Die Drogen waren auf mehrere Wohnungen verteilt. Auch das weist auf die lockere und wechselnde Verbindung hin, in der die Beschuldigten Drogengeschäfte abgewickelt haben sollen. Unklar ist bislang, wie lange die Gruppierung aktiv war und wie viele Drogen von ihr umgeschlagen wurden. „Das ist Gegenstand weiterer Ermittlungen“, so die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Liddy Oechtering.
Die Tat zeigt einmal mehr, mit welcher Brutalität in der Dealerszene vorgegangen wird. Im April 2020 war in der Waldschlucht in der Fischbeker Heide im Stadtteil Neugraben ein 28 Jahre alter Libanese durch einen Beinschuss verletzt worden. Das Motiv waren Streitigkeiten innerhalb einer Dealergruppierung. Der 28-Jährige hatte offenbar Kokain für eigene Geschäfte „abgezweigt“.
Keine Verbindungen gefunden
Auch in dem Fall dauerte es mehrere Monate, bis die Polizei sichtbare Ergebnisse vorweisen konnte. Im Dezember 2020 wurde die Bande, der der Handel von mindestens 1,8 Tonnen Kokain zugerechnet wurde, zerschlagen. 40 Wohnungen wurden damals durchsucht und 15 Haftbefehle vollstreckt. Dem Kopf der Bande, Nader H., gelang zunächst die Flucht. Er setzte sich in das Ausland ab. Erst Anfang dieses Jahres konnte der Mann von Zielfahndern in Budapest lokalisiert und von der dortigen Polizei verhaftet werden.
„Wir haben natürlich auch geschaut, ob es Verbindungen zwischen der damaligen und der jetzt zerschlagenen Gruppierung gibt“, so ein Beamter. Diese wurden aber nicht gefunden.
Polizei Hamburg: Täter erschoss sein Opfer in Shishabar
Die Tat, der der 27-jährige Terry S. Im Juli zum Opfer gefallen war, hatte für Aufsehen gesorgt: Maskiert und zielstrebig waren die mit Mund-Nasen-Schutz maskierten Täter in die gut besuchte Shishabar Nythys gekommen. Als er vor seinem späteren Opfer stand, zog der Täter eine Pistole und feuerte mehrere Schüsse auf den 27-Jährigen ab. Dann flüchtete der Schütze mit seinem Komplizen. Dutzende Besucher der Shishabar waren Zeugen der Tat geworden.
Das Opfer kam noch unter Reanimationsbedingungen und Notarztbegleitung ins Krankenhaus, wo die Ärzte bereits kurz nach der Einlieferung den Tod des 27-Jährigen feststellten. Nach der Tat war auch spekuliert worden, dass es sich bei dem Schützen um einen „Auftragskiller“ gehandelt haben könnte. Zwar war der mutmaßliche Schütze der Polizei bereits im Zusammenhang mit Straftaten bekannt, es gab aber bislang keine Verurteilungen nach dem Erwachsenenstrafrecht, das in Hamburg erst bei Tätern angewandt wird, die älter als 21 Jahre sind.