Bramfeld . Kommt der Denkmalschutz zu spät? Amt, Investor und CDU-Opposition wollen das HEW-Schulungszentrum für Wohnungsbau opfern.
Das prestigeträchtige HEW-Schulungszentrum soll fallen. Der ökologische Vorzeigebau des Hamburger Star-Architekten Volkwin Marg aus den 1980er-Jahren soll Wohnungen weichen. Die ehrenamtlichen Denkmalschützer vom Hamburger Denkmalverein halten das mit viel Glas um großzügige grüne Höfe errichtete Schulgebäude mit Kantine und Veranstaltungsräumen zwar für „absolut denkmalwürdig“, konnten das Haus aber im Vorfeld nicht schützen. Das zuständige Denkmalschutzamt hat die Gebäude der 1970er- und 80er-Jahre noch gar nicht systematisch erfasst.
Die Projektentwickler „Evoreal“ und „Quantum“ wollen auf insgesamt 55.000 Quadratmeter Grund rund 1200 Wohnungen plus Büros und Gewerbe entlang der Bramfelder Chaussee bauen. Der Architektenwettbewerb für die Flächen ist schon 2017 gelaufen, die anschließenden Bebauungsplanverfahren zur Erlangung von Baurecht laufen seit einem guten Jahr und sind weit fortgeschritten. 2020 soll der Bau des mehr als 300 Millionen teuren Projekts beginnen.
„Keiner hat den Erhalt des Hauses gefordert“
„In der öffentlichen Plandiskussion im Sommer letzten Jahres hat niemand den Erhalt des Gebäudes gefordert“, hieß es aus dem Bezirksamt Wandsbek, das die Erstellung des Bebauungsplanes überwacht. „Auch die Denkmalschützer haben sich nicht geäußert.“ Vattenfall als Nachfolger der HEW brauche das Schulungszentrum nicht mehr, und der neue Grundstückseigner Quantum wolle das Haus nicht erhalten. „Es ist in die angestrebte Wohnbebauung nicht sinnvoll zu integrieren.“ Deshalb gehe das Amt weiterhin von einem Abriss aus.
Denkmalschützer wurden gar nicht informiert
Tatsächlich forderte der Denkmalverein erst im April 2019 den Erhalt des Hauses. „Wir haben von dem Fall erst viel zu spät erfahren“, sagte Kristina Sassenscheidt vom Denkmalverein. „Das zuständige Denkmalschutzamt kommt leider aus personellen Gründen mit der Erfassung der jüngsten Denkmäler nicht hinterher.“ Dass die Denkmäler der 1970er- und 80er-Jahre bislang nicht ausreichend erfasst sind, sei bundesweit ein Problem. Das Hamburger Denkmalschutzamt bestätigte, nicht eingebunden worden zu sein. Das sei „gängige Praxis“, wenn auf der fraglichen Fläche kein registriertes Denkmal stehe.
Gute Noten von Langes Architekturführer
Das HEW-Schulungszentrum hat einen Ruf. Ralf Langes Architekturführer schreibt: „Verwaltung, Werkstätten und Kantine gruppieren sich um eine zweigeschossige, glasgedeckte Passage mit umlaufender Galerie. Der Bau erinnert nicht nur von ungefähr an Mies van der Rohes Entwürfe für das Illinois Institute of Technology in Chicago. Die mit gelben Ziegeln ausgefachten Stahlträger der Fassaden werden in Bramfeld ebenso zitiert wie die berühmte Negativecke. Bemerkenswert ist auch der Sonnenschutz an den Außengalerien, der aus Sonnenkollektoren besteht.“ Die Pausenhalle wirkt als Wärmepuffer, das Regenwasser wird gespeichert, es gibt Dachbepflanzungen und einen Pausenhof mit Feuchtbiotop.
Viele Nutzungsideen
Der Denkmalverein plädiert „dringend für eine Erhaltung des Ensembles, das ein sehr qualitätvolles Beispiel für die Architektur der 1980er-Jahre darstellt und zukunftsweisende Ansätze nachhaltigen Bauens dokumentiert“.
Volkwin Marg (Foto links), der Vater des Hauses, macht keinen Hehl aus seiner Betroffenheit. „Es tut weh sich vorzustellen, dass das Haus sterben soll.“ Er kritisierte die drohende „unsinnige Ressourcenverschwendung“ und regte an, das Öko-Haus als Schule, für Stadtteilkultur und als Kita zu nutzen statt das so junge und gut gepflegte Gebäude der Abrissbirne zu überantworten. „In ganz Hamburg werden hohe Summen für die Sanierung maroder Schulen ausgegeben. Warum dann eine intakte, moderne Standards voll erfüllende Schule abreißen?“
Bauherr und Planer wiegeln ab
Der Denkmalverein wies darauf hin, dass im Plangebiet ohnehin eine Kita vorgesehen sei und die benachbarte Schule Fabriciusstraße durch den Marg-Bau hervorragend ergänzt werden könnte. Die stadtplanungspolitische Sprecherin der Links-Fraktion, Heike Sudmann, plädierte dafür zu prüfen, ob eine Weiternutzung des Gebäudes und die entsprechende Modifikation der Planung noch möglich sei. Bislang vergebens.
Quantum wollte sich zu den Vorschlägen nicht äußern und verwies auf die Stellungnahme des Bezirksamtes. Auch der Sieger des Architektenwettbewerbs, das Büro KPW Papay Warncke und Partner Architekten, zog sich auf die Erklärung des Amtes zurück. Selbst die oppositionelle CDU will das Haus nicht halten.
CDU will alte Fragen nicht nochmal diskutieren
Die Aufgabenstellung für den Architektenwettbewerb sei im Vorfeld zwischen Investor und Behörden ausgehandelt und in einem städtebaulichen Vertrag festgehalten worden, sagte Philipp Hentschel (CDU), der für seine Partei in der Wettbewerbsjury saß. Der Erhalt des Gebäudes habe gar nicht zur Aufgabenstellung gehört. Entsprechende Möglichkeiten hätten die beteiligten Büros deshalb nicht geprüft. „Jetzt diese Fragen noch einmal aufzumachen, über die sich alle damals geeinigt haben, halte ich nicht für sinnvoll.“
Aber: Das Denkmalschutzamt will jetzt prüfen
Trotzdem könnte es noch anders kommen. Die Kulturbehörde kündigte an: „Das Gebäude hat eine beeindruckende Architektur, deren Denkmalwert das Denkmalschutzamt prüfen wird.“ Wann das Ergebnis vorliegen könnte, sagte sie nicht.