Marienthal. Das günstigste Zimmer in Hamburgs erstem Azubi-Wohnheim kostet 350 Euro pro Monat. Heute wird die Einrichtung eröffnet.
Der Blick von der Dachterrasse mit den schicken Loungemöbeln reicht weit über die Stadt. Unten an der Bar werden kühle Getränke gereicht, eine Couchlandschaft und zwei Kickertische stehen bereit. Vor einer Großbildleinwand können die Gäste auf Bierkisten, die zu Hockern umgestaltet wurden, Platz nehmen und gemeinsam Filme oder Fußballspiele sehen. Der Zugang zum WLAN ist selbstverständlich kostenlos. Nein, hier ist nicht die Rede von einem Hotel oder Hostel, sondern von Hamburgs erstem Auszubildenden-Wohnheim an der Hammer Straße.
Neu daran ist auch, dass sich hier schon minderjährige Azubis einmieten können, denn es gibt rund um die Uhr einen Ansprechpartner im Haus. „Unsere Bewohner sollen sich wohlfühlen, denn es ist ihr zu Hause für die nächsten zwei oder drei Jahre. Ein wichtiger Aspekt ist dabei nicht nur ein modernes zeitgemäßes Ambiente, sondern vor allem auch die sozialpädagogische Betreuung der jungen Menschen“, sagt Patrick Fronczek.
1450 Bewerbungen für 156 Plätze
Der 33-Jährige ist Geschäftsführer der Stiftung Azubiwerk. Seit 2010 verfolgte Fronczek seinen Plan und hatte manche Hürde zu überwinden: „Es musste eine Menge Überzeugungsarbeit geleistet werden. Aber jetzt haben wir unser Ziel erreicht.“ Eigentümer der Immobilie ist die „Zeit“-Stiftung, die rund 16 Millionen Euro investiert hat. Die ersten Bewohner sind Anfang Juli eingezogen. 156 Plätze stehen zur Verfügung. Alle sind bereits belegt, es gab 1450 Bewerbungen. Jeder hat sein eigenes Zimmer, die Bewohner leben zu zweit, zu dritt oder zu viert in abgeschlossenen Appartements mit Küche und Bad. Ein Zimmer in einem Viererappartement kostet rund 350 Euro warm pro Monat. Das Vorzeigeprojekt wird am heutigen Montag von Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) offiziell eröffnet. Durch das Wohnheim werde „eine Bedarfslücke geschlossen“, lobt die Politikerin das Haus.
Die Familie ist häufig weit entfernt
Eines haben die Azubis gemeinsam: Sie leben zum ersten Mal in ihrem Leben allein. Die Familie ist häufig Hunderte Kilometer entfernt oder wie bei Jennifer Stampfli sogar mehr als 1000 Kilometer. Die 19-Jährige kommt aus Luzern in der Schweiz. „Ich habe das Azubiwerk im Internet entdeckt und mich sofort beworben. Für mich war wichtig, dass ich schnell andere Leute kennenlerne, und dafür ist ein Wohnheim bestens geeignet.“ Es sei zwar ihr Wunsch gewesen, ins Ausland zu gehen, aber ich wollte nicht irgendwo alleine in einer anonymen Wohnung sitzen. Jennifer Stampfli, die eine Ausbildung zur Mediengestalterin beginnt, mietete das Zimmer, ohne es gesehen zu haben. „Ich bin zufrieden, man hat alles, was man braucht, und ich konnte schon viele Kontakte knüpfen.“
Das bestätigt auch Tessa Cathrin Smilowski aus Gifhorn. Die 17-Jährige präsentiert stolz ihr Zimmer: Etwa 14 Quadratmeter ist es groß, eingerichtet mit hellen Holzmöbeln. Schreibtisch, Schrank und Bett sind Standard. Auch der Rollcontainer gehört dazu. Von zu Hause hat sich die angehende Speditionskauffrau einen Schaukelstuhl und den Fernseher samt Spielkonsole mitgebracht. „Ich fühle mich wohl, natürlich ist es spannend, jetzt hier in der Großstadt zu leben und so viele neue Eindrücke zu sammeln.“ Die Küche wird auch genutzt: „Wir haben gestern Hotdogs gemacht.“ Heimweh hat Tessa Cathrin Smilowski bislang noch nicht. „Hier ist man ja nie wirklich alleine. Obwohl wir erst vor Kurzem eingezogen sind, hat sich schon eine gute Gemeinschaft gebildet. Wir machen viel zusammen.“ Beispielsweise Grillen auf der gemeinsamen Dachterrasse. Da darf dann auch ein Bier getrunken werden. Doch es gibt eine Hausordnung: „Hochprozentiger Alkohol ist verboten, und für Minderjährige gilt, dass sie um 24 Uhr zu Hause sein müssen“, sagt der pädagogische Leiter Wolfgang Nacken. Besuch muss beim Empfang, der rund um die Uhr besetzt ist, angemeldet werden.
Bis 2022 sollen 1000 Plätze entstehen
„Es ist in Ordnung, dass wir Regeln einhalten müssen. Ich bin hier schließlich nicht im Urlaub, sondern zum Lernen in Hamburg. Zu Hause bei den Eltern kann man ja auch nicht machen, was man will“, sagt Aaron Schürmann. Der 18-Jährige beginnt an diesem Montag eine Ausbildung zum Hotelfachmann im 25hours Hotel HafenCity. „Ich habe mir Hamburg ausgesucht, weil ich einfach mal raus- und etwas Neues erleben wollte“, sagt der Düsseldorfer. Das Azubiwerk habe ihn natürlich auch wegen der vergleichsweise günstigen Miete, verbunden mit einem großen Angebot, gereizt.
Für Jennifer Piotrowicz aus Kiel, die eine Ausbildung zur Fachkraft im Gastgewerbe bei der Deutschen Bahn macht, steht fest: „Es ist ein neuer Lebensabschnitt. Wir steigen jetzt ins Arbeitsleben ein und haben ein neues Zuhause gefunden.“ Der Bedarf ist auf jeden Fall da – in Hamburg gibt es mehr als 39.000 Auszubildende. Das Azubiwerk hat das erkannt und will bis 2022 rund 1000 Plätze an sechs Standorten in ganz Hamburg schaffen.