Jenfeld. Wandsbeks größtes Neubaugebiet ist im Verzug und schwer zu vermarkten. Trotz reichlich Platz will Senat dort keine Flüchtlinge.

Künstlich angelegter Teich, aufwendiges Umweltkonzept und viel Vorschusslorbeeren für das Referenzobjekt der Internationalen Bauausstellung: Doch die Jenfelder Au, das große Wandsbeker Vorzeigeprojekt, ist ins Straucheln geraten.

Die Stadt hat ein Vermarktungsproblem mit den Grundstücken auf der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne. Der Bau der insgesamt 770 Wohnungen auf dem 35-Hektar-Areal liegt Jahre hinter dem Plan. Die Grundstücke sind zu teuer. Das Investoreninteresse hält sich in engen Grenzen. Nicht zuletzt wegen des aufwendigen Entwässerungskonzepts „Hamburg-Water-Cy­cle“. Es führt Schwarz- und Grauabwasser (Toiletten- und vorgereinigtes Schmutzwasser) in getrennten Systemen, um aus dem Schwarzwasser Biomasse für ein Blockheizkraftwerk zu gewinnen.

Seit 1998 liegt die frühere Lettow-Vorbeck-Kaserne brach. Nach langen Debatten und Vorplanungen wurde 2006 ein Siegerentwurf für die 35 Hektar gekürt. 2009 bemerkte die Stadt, dass die Erschließungskosten für das revolutionäre Abwassersystem mit den Vakuum-Toiletten explodieren würden, und trat auf die Bremse.

Kommentar: Wohnungsbau oder Flüchtlingsdorf?

Die Pläne wurden „nachverdichtet“, um die Kosten pro Wohneinheit zu senken. 2011 wurde der neue Bebauungsplan beschlossen, ohne dass ein Grundstück verkauft war. Trotzdem ist die Stadt mit rund 40 Millionen Euro für die Erschließung in Vorleistung getreten und will mit entsprechenden Grundstückserlösen die Kosten wieder einspielen. Was im eher weniger gefragten Jenfeld nicht einfach ist.

Gerade das Umweltkonzept, das als Alleinstellungsmerkmal Glanz nach Jenfeld bringen sollte, wird als Verkaufshindernis gesehen. Das Abwasserkonzept ist bindend für die Investoren. Und es ist in dieser Größe noch nirgendwo realisiert worden. Wenn nur eine Vakuum-Toilette defekt ist, fällt der gesamte Leitungsstrang für die Entsorgung aus. Zwar sind mehrere dieser Stränge verlegt worden, aber das Risiko wird so nur reduziert, nicht ausgeschaltet.

„Die sogenannten Ausschreibungen der Grundstücke sehen eher so aus, dass die Stadt Unternehmen anspricht und fragt: Wollt ihr nicht kaufen?“, sagt der Stadtplaner der Wandsbeker Linksfraktion, Rainer Behrens. Ähnlich äußerte sich die CDU. Sie hatte schon in der Planungsphase davor gewarnt, in einer eher mäßigen Lage mit hochpreisigem Wohnungsbau an den Markt zu gehen. Aus dem Bezirksamt Wandsbek heißt es dennoch, es gebe „keine Verzögerungen, sondern lediglich die zeitlichen Erfordernisse einer komplexen Erschließungsmaßnahme“. Die öffentlichen Verlautbarungen der Stadt sagen allerdings etwas anderes.

Ende 2015 sollten die letzten Bauvorhaben beginnen, hieß es zu Beginn der Vermarktungsoffensive im Frühjahr 2012 vonseiten der Stadt. Jetzt erklärte der Senat in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Abgeordneten Jennyfer Dutschke und Wieland Schinnenburg, dass die Erschließungsarbeiten noch immer nicht abgeschlossen seien, erst rund 7500 Quadratmeter für den Wohnungsbau verkauft und kein einziges Gewerbegrundstück an den Mann gebracht worden sei.

Mittlerweile haben Umplanungen begonnen, um die Wohnungen „marktgerechter“ zu gestalten. Die Wohnflächen werden kleiner, die großen Stadthäuser teilweise zu Wohnungen bzw. Reihenhäusern umfunktioniert. Auch in der SPD geht man nun davon aus, dass sich Wohnungen für 600.000 Euro in Jenfeld nur schwer verkaufen lassen, und will mit kleineren Größen in verträglichere Preisregionen vorstoßen.

Nicht schön, sagen FDP und Linksfraktion, aber bei der derzeitigen Flüchtlingslage auch gar nicht so schlimm. Denn die Flüchtlinge könnten zumindest für die nächsten zwei bis drei Jahre auf den freien Grundstücken der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne wohnen. Aber der Senat will das nicht. „Die Herausnahme dieses großen Areals aus dem Wohnungsbauprogramm“ sei „nicht vereinbar“ mit dessen Zielen, teilte er mit.

Tatsächlich will die Stadt den hochwertigen Wohnungsbau an der Jenfelder Au als Gegengewicht zur zunehmenden sozialen Schieflage im Stadtteil verstanden wissen. Im Sozialatlas der Stadt Hamburg wird Jenfeld als „von Armut bedrohter Stadtteil“ geführt – mit negativer Tendenz. Im Bezirk gilt Jenfeld als derzeit problematischstes Quartier. Das Umweltkonzept und die Wasserlage sollen anspruchsvolle Klientel in den Stadtteil ziehen. Entsprechend hatte Wandsbeks Bezirksamtsleiter Thomas Ritzenhoff (SPD) den Vorschlag, das Kasernengelände für Flüchtlingsunterkünfte zu nutzen, schon vor Wochen als kontraproduktiv kritisiert.

Seit Kurzem bietet die Behrendt-Gruppe in der Jenfelder Au Geschosswohnungen zwischen 60 und 110 Qua­dratmetern ab 199.000 Euro an, das Gros der Wohnungen liegt unter 300.000 Euro. Es gebe bereits mehrere Reservierungen. „Wir verzeichnen eine sehr gute Resonanz. Dass Jenfeld ein schwieriger Standort sein soll, können wir nicht bestätigen“, sagt Martina Rieckmann von der Behrendt-Gruppe.

CDU, FDP und Linke sehen das anders. „Westlich der Wilsonstraße ist der Wohnungsbau zwar angelaufen, aber östlich von ihr wird auf Jahre hinaus nichts passieren“, sagt der Linken-Stadtplanungsexperte Behrens. „Da wäre Platz für Container – wenn gewünscht, auch in angemessener Entfernung zu den Wohnungen.“

Im Hintergrund steht auch der Streit um das für 880 Flüchtlinge ausgelegte Zeltlager im 300 Meter entfernten Jenfelder Moorpark. Es hatte wegen der Nähe zu den Wohnblöcken und des Mangels an Erholungsflächen heftige Proteste ausgelöst. „Statt Zelte vor den Anwohner-Schlafzimmern aufzubauen, wäre es wesentlich besser, auf das leere und weitgehend erschlossene Kasernengelände zu gehen“, sagte Behrens.

Ähnlich äußerte sich Jennyfer Dutschke von der FDP. „Die Zelte müssen sowieso bis zum Winter durch feste Unterkünfte ersetzt werden. Wir sollten jetzt die Zeit zum Aufbau nutzen.“ Laut Dutschke argumentiert die Stadt „wie ein Häuslebauer“, der keine Flüchtlinge in seiner Nachbarschaft wolle. „Der Senat fürchtet, dass ein Containerdorf auf dem Gelände den Verkauf der Grundstücke erschwert und die Preise drücken würde.“