Hamburg. Umweltexpertin bietet ungewöhnliche Touren mit den Tieren durch den Höltigbaum an – und stößt auf große Resonanz.
Keine Ahnung, warum Poldi Poldi heißt. Vielleicht wegen Lukas Podolski? Jetzt ist aber auch nicht der Zeitpunkt, viele Fragen zu stellen. Denn Svenja Furken, 41, drückt mir gerade auf ihrem Bauernhof Brauner Hirsch in Ahrensburg ein Halfter in die Hand. Und schon geht sie los – die Trekkingtour mit Poldi, 6, seiner Mama Glöckchen, 9, sowie seinen Brüdern Benni, 6, und Henri, 3.
Die vier sind eine stinknormale Ziegenfamilie – lieb, streichelbar, immer hungrig und sehr unternehmungslustig. Wobei stinknormal eigentlich das falsche Wort ist, denn bei dieser Spezies riechen nur die potenten Böcke, wenn der Herbst kommt und sie liebestoll sind.
Die Städter sind überwältigt von dem Naturerlebnis im Höltigbaum
Weil die hellbraunen und ponyhohen Thüringer-Wald-Ziegen relativ gut zu führen sind, bleiben sie nur für kurze Zeit an der Leine. Kaum haben wir die Straße überquert, gibt ihnen Ziegenexpertin Svenja Furken für drei Stunden Freigang. Sehr zur Freude der Kinder, die diese ungewöhnliche Wanderung durch den Höltigbaum im Nordosten Hamburgs mit ihren Eltern gebucht haben.
Die Ahrensburger Naturschützerin und Umweltexpertin Furken bietet seit drei Jahren Ziegen-Trekkingtouren für Kinder und Erwachsene an und stößt inzwischen auf so große Resonanz, dass freie Wandertermine in den nächsten Wochen rar sind. „Die Städter sind überwältigt von dem Naturerlebnis“, sagt sie.
Während Svenja Furken vorangeht, folgen Glöckchen und ihre Kinder gemächlich. Am Wegesrand naschen die Ziegen, was die Natur hergibt. Brennnesseln, Holunderblätter und sogar das für Pferde, nicht aber für Ziegen gefährliche Jakobskreuzkraut. Zwischendurch stoppt der Bollerwagen, in dem Getränke und Jacken liegen. Ein Mädchen beginnt zu weinen, klammert sich an die Arme seiner Mutter. Am liebsten würde sie wieder umkehren, denn Bremsen und Mücken piesacken das Kind fortwährend.
Dann beginnt Svenja Furken zu erzählen. Dass der heutige Höltigbaum geologisch von der Eiszeit geprägt ist. Dass das Areal bis vor einigen Jahren der Bundeswehr als Übungsgelände diente. „Mit dem Ergebnis, dass uns die Armee ein Naturjuwel überlassen hat“, schwärmt die 41-Jährige, die sich seit langem in der Erlebnis- und Umweltpädagogik engagiert.
Die Ziegen sind sensibel, intelligent, gehorsam – und extrem gefräßig
Bei solchen Touren ist die Mutter von zwei Töchtern ganz in ihrem Element. Sie hat sich mit dem Hof, den neun Thüringer-Wald-Ziegen, den Bretonischen Zwergschafen und den Ostpreußischen Skudden, einer Schafrasse, den Traum vom ländlichen Leben erfüllt. Doch anders als bei den Bauern geht es ihr und ihrem Mann nicht um die landwirtschaftliche Nutzung, sondern um umweltpädagogische Ziele. Die Touren mit den Ziegen hätten sich einfach so ergeben, sagt sie.
Bevor Svenja Furken Besitzerin von neun Thüringer-Wald-Ziegen wurde, arbeitete sie für den Verein Jordsand, als Vogelwartin an der Unterelbe, für die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein und an einem Forschungsprojekt für das Naturschutzgebiet Höltigbaum.
„Auto kommt ran!“, ruft die Ziegenflüsterin plötzlich, und tatsächlich strecken die Tiere ihre Köpfe zu ihr und bleiben am Wegesrand stehen. Furken schwärmt von dieser alten Milchtierrasse, die der Mensch im Mittelalter ersatzweise als Amme für Säuglinge einsetzte. Die Tiere seien sensibel, intelligent, zärtlich und bewegungsfreudig. Jede Wanderziege aus Furkens Stall legt im Jahr übrigens knapp 500 Kilometer durch den Höltigbaum mit seiner Wiesen- und Weidelandschaft zurück.
Bei der Trekkingtour genießen es die Kinder, die Vierbeiner zu streicheln. „Es ist so entspannt hier“, freut sich ein Elfjähriger. „Nur wenn die Mücken kommen, ist es nicht so schön.“ Auch die Erwachsenen genießen das ruhige Traben mit den Ziegen und die Auszeit in der freien Natur. Britta Heinz, die mit ihren drei Kindern dabei ist, sagt: „Die Ruhe ist einfach wunderbar.“ Auch Poldi und seine Familie schweigen, denn Thüringer-Wald-Ziegen meckern grundsätzlich nicht.
„Kommt, Ziegen!“, ruft Svenja Furken schließlich. Die Vierbeiner gehorchen aufs Wort und treten mit der Trekkinggruppe den Heimweg an. „Sie folgen besser als die Kinder“, schmunzelt die Ziegenexpertin. Nur wenn es ums Futter gehe, treffe das Wort „dumme Ziege“ wirklich zu. Bei einer Party auf dem Ziegenhof, erzählt Furken, fielen die Tiere über die Festtafel her und verspeisten den Kuchen, bis für die Gäste nichts mehr übrig blieb.
Weitere Infos: Buchungen für Termine ab Mitte September bei „Wanderziege“: 04102/604 398. Preis für Erwachsene: ab 30 Euro; Kinder bis acht Jahre: kostenfrei.www.hoeltigbaum.de