Hamburg. Die historische Anlage in Wandsbek wird für rund 160.000 Euro saniert. Hauptmotor der Aktion ist der Pastor der Christuskirche.

Der Stadtteil Wandsbek ist nicht gerade reich an historischen Schätzen. Vieles wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, anderes in den Jahren danach abgerissen und überbaut. Zu den wenigen Flecken, die noch an alte Zeiten erinnern, gehört der historische Friedhof neben der Christuskirche – direkt am Wandsbeker Marktplatz. Seine Grundzüge stammen schon aus dem Jahr 1623, offiziell genutzt wurde er bis 1850 – wenngleich es danach immer noch Bestattungen gab.

Wer sich in der Gegend nicht auskennt, ist überrascht, hier – umtost von großen Ausfallstraßen – diesen ehrwürdigen Ort mit dem klassizistischen Schimmelmann-Mausoleum und anderen kulturhistorisch wertvollen Grabstätten zu finden.

Bis vor Kurzem war der Besuch aber alles andere als erfreulich. Das gesamte Gelände wirkte unstrukturiert und verwildert, Passanten benutzten den Gang über den Friedhof als Abkürzung, selbst Trinkgelage wurden hier gefeiert. Kaum zu glauben: Für die Pflege der Anlage standen vonseiten des Bezirks nur 249 Euro zur Verfügung – pro Jahr.

Inzwischen hat sich der Eindruck total verändert. Fast alle Gräber sind vom Unkraut befreit, wild wuchernde Büsche wurden kräftig gekürzt. Baumaschinen rattern, Sand wird angeliefert, Kabel verlegt, es herrscht Hochbetrieb. Aktuell legen Bauarbeiter einen neuen Weg an, der, vom Marktplatz kommend, eine neue Achse zum benachbarten Matthias-Claudius-Gymnasium bilden wird.

Vorangetrieben wird dieses Projekt von einer Arbeitsgruppe, die sich vor einer ganzen Weile vor Ort gebildet hatte. Vertreter von Vereinen und Behörden setzten sich damals zusammen, um über Möglichkeiten zu beraten, das Schicksal des Friedhofs zum Guten zu wenden.

Hauptmotor des Ganzen ist der Pastor der Christuskirche, Richard Hölck, der mit enormer Energie für die Umgestaltung kämpft – und stets nur seine Mitstreiter lobt. „Ich kann mir nicht helfen, aber ich bin nun mal ein Friedhof-Fan“, bekennt Hölck, der seine Examensarbeit einst über die alten Grabsteine auf der Insel Amrum schrieb.

Dass sich jetzt so vieles zum Besseren wendet, hängt auch mit dem Matthias-Claudius-Jahr zusammen. Der Geburtstag des „Wandsbecker Bothen“ jährt sich im August zum 275. Mal, und das Jubiläum wird in Wandsbek von zahlreichen Veranstaltungen begleitet. Claudius, Schöpfer des berühmten Gedichts „Der Mond ist aufgegangen“ und seine Ehefrau Rebecca wurden auf dem kleinen Friedhof bestattet, auch ihr Grab dämmerte über viele Jahre in dürftigem Zustand.

Für das Claudius-Jubiläum werden Gäste aus ganz Deutschland erwartet

So konnte sich das Grab im Jubiläumsjahr nicht präsentieren, das war allen von Anfang an klar. Und warum bei der Gelegenheit nicht gleich den ganzen Friedhof in die Instandsetzungsarbeiten einbeziehen? Mithilfe vieler Spenden konnte die Mammutaufgabe schließlich in Angriff genommen werden. 160.000 Euro wird die Restaurierung insgesamt kosten, 80.000 stellt das Bezirksamt in Aussicht. Unermüdlich werben die Initiatoren weiter um Sponsoren, und die ersten Erfolge sind die beste Werbung für das Projekt.

Mit besonderer Aufmerksamkeit begleiten Maria-Monika Sieveking und ihr Ehemann Sveder die Arbeiten. Frau Sievekings Großeltern, Gerhard und Dorothea Luetkens, waren die letzten Toten, die 1968 beziehungsweise 1990 noch hier bestattet werden durften. Einst waren die Luetkens eine der angesehensten Familien in Wandsbek, heute ist ihre riesige Gruft, direkt vor dem Schimmelmann-Mausoleum mit Efeu und Dornen überwuchert. Die steinerne Einfassung hat Risse, Grabplatten sind kaum noch zu entziffern.

Maria-Monika Sieveking hat alte Fotos mitgebracht und vergleicht sie etwas ratlos mit der aktuellen Gruft-Ruine. Richard Hölck packt die Gelegenheit beim Schopf, fordert die Sievekings mit freundlicher Beharrlichkeit auf, für die Restaurierung zu spenden. In der Tat sind die Eheleute mittlerweile dafür aufgeschlossen, genau wie die Nachfahren der namhaften Familie Helbing, deren Grab ebenfalls aus dem Dornröschenschlaf geweckt wird.

Für das Claudius-Jubiläum werden Gäste aus ganz Deutschland in Wandsbek erwartet. Ihnen wird sich die Gegend am Marktplatz dann in völlig neuem Glanz präsentieren. Das Claudius-Denkmal und der neu gestaltete Eingang des Matthias-Claudius-Gymnasiums werden dann zusammen mit Grab und Friedhof ein würdiges Ensemble bilden. „Endlich können wir den Besuchern eine Umgebung bieten, die dem ,Wandsbecker Bothen‘ zur Ehre gereicht“, sagt Richard Hölck, „was lange währt, wird endlich gut.“