Gepflasterte Gehwege werden mit Mineralgemisch ausgebessert, um Bäume und Haushalt zu schonen. Nach der „Sanierung“ sind die Anwohner der Jenfelder Kelloggstraße in Aufruhr. Sie wollen ihr Pflaster zurück.

Jenfeld Der Gehweg war gediegen. Dezent graue Pflastersteine statt schnöder Platten erfreuten die Anwohner der Jenfelder Kelloggstraße auf dem Weg zu ihren schmucken Häuschen immer wieder. Doch das war einmal. Jetzt haben die Sanierer des Bezirksamts Wandsbek auf dem Gehweg einen Flickenteppich angerichtet. An vielen Stellen, besonders nahe großer Bäume, haben sie die Pflastersteine herausgerissen und durch einen hellbraunen Grandbelag ersetzt. Jetzt schlägt ihnen blanke Wut entgegen.

„Wenn Behörden unsere Straßen und Gehwege durch Nichtstun verkommen lassen, ist das schlimm. Noch schlimmer ist es, wenn Behörden tätig werden und dabei vorsätzlich funktionierende Wege zerstören“, sagt Anwohner Ulrich Zeidler. „Wie man auf die Idee kommen kann, eine feste Gehwegpflasterung an zahlreichen Stellen durch schlichten, losen Dreck zu ersetzen bleibt ein Rätsel.“ Die Anwohner fordern die Wiederherstellung des alten Zustands. 60 Unterschriften haben sie schon gesammelt, und die Stadtteilkonferenz stärkt ihnen den Rücken.

Die Einladung zur Diskussion ließ das Amt unbeantwortet

Das Amt habe nicht nur eine optische Katastrophe angerichtet, sondern auch dafür gesorgt, dass die Anwohner bei Regen eine zäh klebende Masse Matsch unter den Schuhen haben, der sich nur schwer entfernen ließe und in die Wohnungen getragen werde. Die neue Schüttung sei auch bereits aufgebrochen. Ein Protestschreiben samt Einladung zur Diskussion vor Ort ging ans Bezirksamt. Doch die Verwaltung ignorierte die Einladung, den Protest quittierte sie mit der Behauptung, die Verkehrssicherheit sei nicht mehr gegeben.

Die Wurzeln der Bäume hätten das Pflaster im Laufe der Jahre so stark angehoben, dass die Gefahr des Stolperns und damit einhergehender Verletzungen unübersehbar war, schrieb das Dezernat für Wirtschaft, Bauen und Umwelt. Alternativ hätten zur Gefahrenabwehr die Bäume gefällt oder der Gehweg so stark angehoben werden müssen, dass alle Grundstückseinfahrten für Hunderttausende Euro zu erneuern gewesen wären.

Gesetzlich festgeschriebene Baumschutzpflichten und Geldmangel hielten das Amt nach eigenen Angaben jedoch von derart gründlichen Maßnahmen ab. Es nahm die unschöne Optik in Kauf und heilte die tückischen Gefahrenherde mit dem „natürlichen Mineralgemisch Glensanda“. Dies sei üblich, durchaus probat, und „angesichts der unbefriedigenden finanziellen und personellen Ausstattung“ die einzige Möglichkeit, schrieb das Amt.

Die Stadtteilkonferenz sprach von „grotesken Übertreibungen“ und einer „völlig unbefriedigenden Antwort“ der Verwaltung. Einstimmig forderte sie die „unverzügliche Wiederherstellung der Pflasterung in der Kelloggstraße“. Die Anwohner hätten den einstmals komfortablen Gehweg schließlich mit hohen Anliegerbeiträgen bezahlt, als er von der Stadt „erstmalig endgültig hergestellt“ wurde.

Zeidler wies das amtliche Argument mit den Stolperfallen als „blanken Unsinn“ zurück. Das Pflaster habe sich in 20 Jahren nachweislich kaum gehoben. Die neu gemachten Stellen befänden sich außerdem vielfach nicht im Wurzelbereich der Bäume. Auch müsse das Pflaster nach der Aufnahme nicht abgefahren, sondern könne nach Korrektur des Höhenniveaus durchaus wieder verlegt werden. „Defekte Straßen werden ja auch nicht durch Schotterpisten ersetzt“, sagte Zeidler.

Während das Bezirksamt Wandsbek gegen den Willen der Anwohner kaum frequentierte Gehwege im beschaulichen Teil des Außenbezirks Jenfeld erneuert, bitten die Geschäftsleute im citynahen Eilbek vergeblich um Reparaturen der Wege vor ihren Läden an der Wandsbeker Chaussee. „Wir kämpfen seit Jahren für die Beseitigung der Berg-und-Tal-Bahn vor unseren Geschäften“, sagt Juwelier Peter Krack. Auch in der Presse waren entsprechende Beschwerden schon zu lesen. Das Amt erklärte dazu, es habe „von aktuellen Gefahrenstellen und Beschwerden der Geschäftsleute keine Kenntnis.“

Die Gehwegsanierung mit Glensanda ist mittlerweile Standard in Hamburg. Allein im Bezirk Nord sind nach Angaben des Bezirksamts 344 Gehwege schadhaft. Das ergab eine Kleine Anfrage des verkehrspolitischen Sprechers der CDU im Bezirk Nord, Christoph Ploß. Die Einrichtung eines bezirklichen Sanierungsfonds mit 50.000 Euro Sondermitteln zur Vermeidung von Flickarbeiten mit Glensanda scheiterte an der alten Mehrheit von SPD und FDP. „Kein Bedarf“, hieß es. Ploß: „Wir halten die Sanierung von Plattenwegen mit Glensanda für einen völlig falschen Weg. Das lose Material wird schnell ausgeschwemmt, es entstehen tiefe Pfützen und im Übergang zu den Platten oder Pflastersteinen Stolperfallen.“ Eine solche Absenkung von Standards sei angesichts des geringen Einsparpotenzials unverständlich.

In Stellingen glaubten Anwohner an ein Provisorium

In der Stellinger Wieckstraße nahm das Bezirksamt Eimsbüttel im Kampf gegen Wurzeldurchbrüche bereichsweise Gehwegplatten hoch und ersetzte sie durch das klebrige Mineralgemisch mit dem klangvollen Namen. Beschwerden gab es bisher keine. Ein Anwohner: „Wir sind davon ausgegangen, dass das ein Provisorium ist.“

Das Bezirksamt Eimsbüttel korrigiert diese Annahme nachhaltig: „Der Materialwechsel wird bestehen bleiben. Diese Bauweise empfiehlt sich sowohl aus Gründen des Baumschutzes als auch aus Gründen der Verkehrssicherheit: Eingriffe in den sensiblen Wurzelraum können vermieden werden. ‚Stolperkanten‘ werden durch sanfte Höhenverzüge ausgeglichen. In diesem Sinne stellt diese Bauweise eine fachlich gute Lösung dar, auch wenn das Bild durchaus lebhafter wird.“

Auch an der Kelloggstraße soll es keine Nachbesserungen geben. „Glensanda bleibt“, erklärte das Bezirksamt Wandsbek. Die Eilbeker Geschäftsleute wollen deshalb jetzt etwas vorsichtiger für die Erneuerung ihrer Gehwege streiten. Juwelier Krack: „Mit einem Flickenteppich aus alten Platten und Grand würde unsere Straße noch schlechter aussehen als jetzt.“