Ärger um 60 Wohnungen: Ein falsches Spiel hält die Eilbeker Bürgerinitiative Hasselbrookstraße der SPD vor. Die Linke argwöhnt, dass die Bezirks-SPD beim Senat eine Weisung erbeten hat, um die Debatte los zu werden
Eilbek. Die Eilbeker fühlen sich hintergangen. Die Ablehnung ihres Bürgerbegehrens gegen den Bau von 60 Wohnungen auf der derzeit noch grünen „Dreiecksfläche“ zwischen Hasselbrook-, Papenstraße und Peterskampweg empfindet die Bürgerinitiative „Eilbek wehrt sich“ als abgekartetes Spiel. Linke und CDU streiten Seit‘ an Seit‘ mit der Bürgerinitiative und ziehen mittlerweile die Integrität von Bezirksamtsleiter Thomas Ritzenhoff, SPD, in Zweifel.
Der Vorwurf: Die Bezirks-SPD habe quasi im Wege der Amtshilfe vom SPD-Senat eine „Weisung“ erbeten, um das Bürgerbegehren zu erledigen. Tatsächlich erging nur drei Tage nach Eingang des Bürgerbegehrens im Bezirksamt eine Weisung der Senatskommission für Stadtentwicklung und Wohnungsbau. Das Bezirksamt habe den Bebauungsplan für die Dreiecksfläche auf der Basis von 60 Wohnungen plus Kita mit 60 Plätzen weiter voranzutreiben. In der Senatskommission sitzt auch der Bezirksamtsleiter.
Folgerichtig lehnte sein Amt das Bürgerbegehren als unzulässig ab, da der Bezirk die aufgeworfene Frage, ob die fragliche Fläche im dicht besiedelten Eilbek grün bleiben oder bebaut werden soll, gar nicht mehr entscheiden kann. Den Vorwurf der „kalten Evokation“ wies die SPD von sich und verwies auf den „Vertrag für Hamburg“. Er sieht nicht nur die Genehmigung von jährlich 6000 Wohnungen durch die sieben Bezirke vor, sondern enthält auch einen Schlichtungsmechanismus für Konfliktfälle. Richter im Streitfall ist eben jene Senatskommission, die im Falle der Dreiecksfläche entschieden hat. Doch die Sache hat ein Geschmäckle.
„Der Schlichtungsmechanismus sieht vor der Entscheidung eben auch die Befassung diverser Gremien und Instanzen mit dem Ziel einer gütlichen Einigung vor. Neben der Bezirksamtsleitung zum Beispiel den Wohnungsbaukoordinator und die Wohnungsbaukoordinierungsrunde. Und das Programm hat man komplett ausfallen lassen“, sagte der Fraktionschef der Wandsbeker Linken, Julian Georg. „Die SPD bricht ihren eigenen Vertrag.“ Auch die Grünen gingen mittlerweile vorsichtig auf Distanz zum Koalitionspartner SPD. Grünen-Fraktionschefin Susanne Zechendorf sprach von „Verfahrensfehlern“ und erklärte, dass vor einer Entscheidung in der Senatskommission das Votum der Bezirksversammlung hätte eingeholt werden müssen.
Die Frage, ob Ritzenhoff in der fraglichen Senatskommission die Kompetenzen des Bezirks verteidigt hat oder zumindest den Finger hob, um auf die nicht ausgeschöpften Schlichtungsmöglichkeiten hinzuweisen habe, beantwortete seine Sprecherin Lena Voss: „Für eine Schlichtung haben wir gar keinen Bedarf gesehen, weil der Mechanismus allen Sitzungsteilnehmern bekannt ist. Auch gab es schon einen älteren Beschluss der Senatskommission vom 19. Juni 2012, der eine Bebauung der Fläche vorsah. Es bestand also keine Veranlassung, dagegen zu sein.“ Im Verständnis der SPD wurde das alte Votum bloß bekräftigt.
Die Bürgerinitiative warf der SPD Falschspielerei vor. Bis zuletzt habe sie den Eindruck erweckt, der angekündigte Bürgerworkshop zu den Bauplänen an der Hasselbrookstraße könne ergebnisoffen diskutieren. Als die Initiative in der Bürgerfragestunde des Planungsausschusses noch auf ihr Bürgerbegehren setzte, wusste die Politik längst von dessen Aus. Erst der CDU-Fraktionschef Philip Buse sprach öffentlich aus, dass der Senat den Streit um die Dreiecksfläche längst entschieden hatte. Als sich der Sturm der Entrüstung in der Bürgerinitiative legte, tauchte eine weitere Ungereimtheit auf. Denn die beiden Entscheidungen der Senatskommission unterscheiden sich recht erheblich voneinander.
Die letzte vom 13. Dezember 2013 verordnete dem Bezirk 60 Wohnungen plus Kita auf der Dreiecksfläche. Die erste Entscheidung vom 19. Juni 2012 gibt den Planern nur 46 Wohnungen vor. Da die Entscheidungen der Senatskommission für den Bezirk bindend sind, ist also unklar, wie der Bezirk zwischen Sommer 2012 und Winter 2013 die Zahl der Wohnungen erhöhen konnte, ohne damit gegen die Weisung von 2012 zu verstoßen. Auch ist das unverhoffte Wachstum der geplanten Wohnungszahl im Dezember-Beschluss der Senatskommission um fast ein Viertel sicher mehr als nur eine Bekräftigung des alten Votums von 2012. Die alte Weisung mit den 46 Wohnungen aus dem Jahr 2012 ist außerdem in den öffentlichen Ausschusssitzungen zur Überplanung der Dreiecksfläche nie erwähnt worden.
Die Bürgerinitiative „Eilbek wehrt sich“ hat Widerspruch gegen den Bescheid des Bezirksamtes eingelegt, der das Bürgerbegehren für unzulässig erklärt. Sie will im Zweifel auch Klage einreichen. Derweil streiten die Bezirkspolitiker über die Reichweite der Weisung aus dem Senat. Während die SPD meint, dass auch die politischen Gremien des Bezirks von der Weisung erfasst werden, glauben CDU und Linke, dass den Ausschüssen nicht vorgeschrieben werden kann, wie sie am Ende über den Bebauungsplan abzustimmen haben.
Buse: „Es muss ein Organ der Legislative über den Plan abstimmen. Wenn es nicht die Bürgerschaft ist, dann eben die Bezirksversammlung, die in Fragen der Bauleitplanung ja legislative Rechte hat.“ Das Ja des Bezirks zu den 60 Wohnungen gilt aber als sicher. SPD und Grüne in Wandsbek haben bisher keinen Zweifel daran gelassen, dass sie die Baupläne durchsetzen wollen.