In Eilbek formiert sich Widerstand gegen den Verbrauch der letzten Grünflächen. 60 Wohnungen sollen an der Hasselbrookstraße gebaut werden. Anwohner schlagen einen Stadtgarten vor oder sagen nein.
Eilbek Auf mulchweichen Wegen an leckeren Pflanzen vorbeiwandeln, ab und zu mal eine Schubkarre schieben, in eine Knospe beißen, ein Blatt verschnabulieren und mit Nachbarn klönen – so stellt sich die Eilbekerin Dagmar Ewert ihren künftigen Feierabend vor. Sie will einen Stadtteilgarten anlegen in der Mitte von Eilbek im 7000 Quadratmeter großen grünen Dreieck zwischen Hasselbrookstraße, Papenstraße und Peterskampweg. Einen Nutzgarten, der trotzdem eine Zier ist und offen für alle Interessierten. Begleitet werden soll er von einem fachkundigen Ökogärtner, der ehrenamtlich den Garten so anlegen und organisieren hilft, dass er viel Freude abwirft und wenig Einsatz verlangt.
„Ich habe nie das Gefühl, im Garten zuviel zu arbeiten. Weil wir viele sind“, sagt Ewert. „Urban gardening“ und „incredible edible“ lauten die Stichworte dieser modernen Bewegungen, die die vor allem die essbare Natur in die Zentren der Städte holen will. Ewerts Vorbild liegt allerdings schon nicht mehr in England, dem Ursprungsland der pragmatischen Gartenfans, sondern nur zwei Ecken weiter im nahen Hamm. Es ist der preisgekrönte, 1200 Quadratmeter große Schulgarten an der Griesstraße. Hier wachsen Kräuter, Tomaten, Kartoffeln, Taglilie und Lakriztagetes. Hier wachsen aber auch Freundschaften unter Menschen. Schüler, Nachbarn und Jugendliche aus Programmen der Jugendgerichtshilfe arbeiten zusammen, angeleitet vom Ökologen Georg Friedrich Horn, und entdecken gemeinsam die Waldeidechse an der Feuerstelle, den Nashornkäfer im Schreddermaterial, die Brennnesseln als spitzenmäßiges Gemüse auf ihrem Teller oder schlicht ihren Platz in der Sonne.
Ewert kommt spät mit ihrem Plan. Vielleicht zu spät. Der Wohnungsbau auf der fraglichen Grünfläche scheint schon beschlossene Sache. Angedacht sind 50 bis 60 Wohnungen in eine viergeschossigen Block mit Staffelgeschoss plus Tiefgarage plus Kita „Kindertraum“. Das Verfahren ist gerade angelaufen, das Grundstück steht vor der Anhandgabe. Rainer Schünemann, stadtplanungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bezirk Wandsbek: „Den Einleitungsbeschluss wollen wir natürlich jetzt nicht gleich wieder fallen lassen. Wir müssen sehen, ob man einen Stadtteilgarten da irgendwie noch mit unterkriegt.“ Sollte dies Auswirkungen auf den Kaufpreis haben, müsste auch die Finanzbehörde dem Garten zustimmen.
Doch für die Freunde des Bauens wird die Luft dünner. Im Stadtteil artikuliert sich massiver Protest gegen die Wohnungen. Die neu gegründete Bürgerinitiative „Eilbek wehrt sich“ will die Baupläne mit einem Bürgerbegehren ganz stoppen. Bürgerwünsche bloß integrieren ist ihnen zu wenig. Die Argumente: Die alten Bäume dürften nicht fallen. Die dichte Bebauung im Stadtteil erfordere einen grünen Ausgleich, eine grüne Lunge. Der Jacobipark gegenüber reiche nicht aus. Eilbek bilde aufgrund der dichten Bebauung zusammen mit Harburg und Altona im Sommer die ausgeprägesten Hitze-Inseln, die Wärme könne schon jetzt nicht weg. Grünflächen wirken dem entgegen. Die Kinder im Stadtteil bräuchten Spiel- und Erlebnisflächen, nicht nur Innenhöfe. Für die Kinder, die dem klassischen Spielplatz entwachsenen sind, gebe es praktisch keine Angebote. Die umstrittene Noch-Grünfläche sei ein guter Tobe- und Bolzplatz.
Im Zentrum des Widerstands sitzt aber auch die Angst vor Gentrifizierung und steigenden Mieten. Der Hochbunker Papenstraße direkt an der umstrittenen Grünfläche und dem Jacobipark werde überhaupt nicht in die Überlegungen der Planer einbezogen, ja sogar totgeschwiegen, heißt es im Blog der Initiative. Dabei solle er zu Luxuswohnungen umgebaut werden. Tatsächlich bietet schon jetzt biete die Firma Cubé Projekt GmbH im Bunker 12 Wohnungen plus Penthouse an. Nur zwei der 12 Wohnungen liegen mit 487.500 Euro Kaufpreis (ca. 115 Quadratmeter, zuzüglich Gartenanteil) unter der Schallgrenze von einer halben Million. „Die Stadt verschachert ihre Grünflächen, damit Investoren Profit machen können“, sagen Adina Cho und Renate Endrulat von der Bürgerinitiative. Die Mieten würden so in die Höhe getrieben. „Auf der fraglichen Grünfläche sehen die Planungen nur 30 Prozent Sozialwohnungen vor“, sagt Endrulat. Der Rest solle freifinanziert werden, späterer Verkauf als Eigentumswohnung nicht ausgeschlossen. Eine Konzession nicht zuletzt auch an den Grundstückspreis.
Ewerts Gartenprojekt ist nicht nur für die Bezirksverwaltung neu, sondern auch für die Bürgerinitiative. „Es geht um soziale Dynamisierung“ erklärt der Ökologe Horn. „Die Leute sollen vor ihre Haustür treten und in ihre eigene Umgebung direkt eingreifen, etwas tun können. Dann werden sie den Platz als ihren ansehen, ihn pflegen und sich wohler fühlen zu Hause.“ Die Bürgerinitiative beeindruckt das zunächst wenig. „Für uns hat erst mal der Baustopp Priorität. Über den Garten kann man später noch reden“, sagt Cho. SPD-Stadtplaner Schünemann will auf die Initiative zugehen. Viel Spielraum sieht er nicht und führt Familien ins Feld, die in Eilbek vergeblich Vier-Zimmer-Wohnungen suchen. Im Hintergrund steht auch der Finanzbedarf der Stadt: Jedes Reduzieren von Baumasse und jede Verpflichtung von Bauherren auf Sozialmieten drückt den Erlös für das Grundstück, den die Stadt einstreichen will.