Weil die Stadt nur langsam Genehmigungen erteilt, hat der Werbeflächenvermarkter JCDecaux die Pacht für Wartehäuschen gemindert. Jetzt liegt der Streit vor Gericht.

Wandsbek Die Idee war gut. Warum die Wartehäuschen an den Bushaltestellen selber bauen und bezahlen, wenn sich auch ein Investor dafür finden lässt? So kam die Stadt Hamburg mit der Werbefirma JCDecaux ins Geschäft. Die Stadt verpachtete ihre Fahrgastunterstände an JCDecaux, die Firma sollte sie zeitgemäß um- bzw. neu bauen und dafür die Seitenwände für Werbung vermarkten. 2007 war Vertragsabschluss, 2009 begann die Umsetzung. Aber jetzt prozessieren Stadt und JCDecaux gegeneinander.

Zu den „Inhalten laufender Gerichtsverfahren“ wollen sich beide nicht äußern. Wobei die Wirtschaftsbehörde sich deutlich einsilbiger gibt als JCDecaux. „Es ist ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht anhängig“, sagt der Geschäftsführer der JCDecaux Deutschland GmbH, Patrick Möller. Dies sei ein „normaler Vorgang“, wenn es Dissens über Vertragsinhalte gebe. JCDecaux unterhalte seit 1982 Geschäftsbeziehungen zur Stadt, und man habe stets hervorragend zusammengearbeitet. „Ich bin optimistisch, dass wir am Ende zu einer guten Lösung kommen“, sagt Möller. Beide Seiten wollten den Vertrag erfüllen und die Zusammenarbeit bis zum Vertragsende fortsetzen.

Einnahmen im dreistelligen Millionenbereich hat sich die Stadt für die gesamte Laufzeit des Vertrags von 2009 bis Ende 2023 garantieren lassen. Hinzu kommt eine Umsatzbeteiligung aus der Vermarktung der Werbeflächen. Doch JCDecaux habe die Pacht gemindert, sagt Möller. Laut Wirtschaftsbehörde werden nur noch 60 Prozent der vereinbarten Summe gezahlt. Bis zum 30.Juni 2010 hätte JCDecaux 2150 Wartehäuschen umrüsten und 1600 von ihnen mit Werbeplakaten ausstatten dürfen. Zusätzlich kann JCDecaux 350 frei stehende Werbeanlagen vermarkten. Sind die Werbeflächen an Fahrgastunterständen zu klein, darf JCDecaux sie auslagern und günstiger platzieren.

Doch bis heute sind nicht alle Fahrgastunterstände am Start. Sie fehlen JCDecaux in der Vermarktung. Laut Stadt sind es etwa 100, JCDecaux zufolge 120, wobei einige gar nicht oder nur schwer herstellbar seien. In einer Halle in Billbrook stünden 150 fertige Wartehäuschen – im Wartestand. „Totes Kapital“, sagt Möller, „die müssen auf die Straße.“

Die Gründe für die Verzögerung sind zahlreich. Verschärfte Bauvorschriften und erhöhte Anforderungen an die Wartehäuschen sind der erste. Vattenfall ist der zweite: Jeder neue Fahrgastunterstand braucht zwei Stromanschlüsse. Die darf JCDecaux nicht selbst legen, muss also Termine finden und Rücksicht auf Kapazitäten bei Vattenfall nehmen. Der dritte Grund ist die Hochbahn: Sie will mit dem Austausch der Unterstände den Komfort für Fahrgäste verbessern und also ihre Vorstellungen zur Lage der Unterstände einbringen. Der vierte Grund ist der Kampfmittelräumdienst, der nach der Reorganisation vor fünf Jahren jetzt zur genauen Blindgänger-Suche auch auf den Flächen verpflichtet ist, die neben den eigentlichen Verdachtsflächen liegen. Und das kostet Zeit. Auch mit den Genehmigungen für die Unterstände geht es eher langsam voran. Fünf Monate im Schnitt bräuchte es bis zum positiven Bescheid, hieß es bei JCDecaux. 18 Monate habe das bisher längste Genehmigungsverfahren gedauert. Das ist genau die Zeitspanne, die der Vertrag für die Fertigstellung aller Hamburger Wartehäuschen vorgesehen hatte.

Hinzu kommt das Busbeschleunigungsprogramm: Viele Haltestellen, die schon fertig waren, müssen für den Bus der Zukunft noch einmal neu gemacht werden. Inklusive Wartehäuschen. Viele der Unterstände stehen auch gar nicht so, dass sie einfach ersetzt werden könnten. Mit PLAST (Planungshinweise für Stadtstraßen) gelten genaue Abstandsregeln: 1,50 Meter zum Bordstein plus 0,30 Meter zur Fahrbahn, 0,25 Meter zum Radweg, für den Gehweg ist eine Mindestbreite von 1,50 Meter einzuhalten, für den Radweg 1,60 Meter. Reicht die Gesamtbreite des Gehweges nicht, muss der Fahrgastunterstand, normalerweise 1,45 Meter breit, schmaler werden, womit die Werbung darin keinen Platz mehr hat. Denn ihr Format liegt ebenfalls fest. Die Folge: Es werden neue Standorte für ausgelagerte Werbevitrinen gesucht. Mit neuem Abstimmungsbedarf und neuen Anträgen, was in den Walddörfern jetzt zum Eklat führte: „Decaux will den Dorfkern mit Werbeplakaten pflastern, die als Auslagerungen deklariert werden, aber an attraktiveren Standorten stehen sollen und den Charakter des Dorfkerns auf den Kopf stellen“, sagt Franziska Hoppermann, CDU-Fraktionsvize im Bezirk Wandsbek und in den Walddörfern zu Hause. Firmenvertreter würden „die Abgeordneten unter Druck setzen und ihnen vorgaukeln, es gebe einen Anspruch auf Genehmigung solch absurder Auslagerungen“. Vier davon hat JCDecaux in Volksdorf beantragt, die die Bezirkspolitik jetzt alle ablehnen will. „Früher haben wir sowas tatsächlich einfach durchgewinkt“, hieß es aus SPD-Kreisen. Das scheint sich in Wandsbek gerade zu ändern. Der Verkehrsausschuss wird auf CDU-Initiative jetzt beraten, ob JCDecaux Auslagerungsgenehmigungen bis auf Weiteres generell versagt werden können.

Möller bestritt die Vorwürfe. Auch in der Rechtsauffassung gibt es hier keinen Dissens: Sowohl die Wirtschaftsbehörde als auch JCDecaux erklärten, dass es keinen Anspruch auf Genehmigung ausgelagerter Standorte für Werbeplakate gebe. Laut JCDecaux würden allerdings keine Standorte beantragt, die nicht zuvor bei Ortsterminen mit Bezirksamt und Polizei abgestimmt worden seien. Aus der Wirtschaftsbehörde hieß es dazu, dass im Mai 2013 mit JCDecaux vereinbart wurde, neue Anträge auf Auslagerungen nur noch mit Zustimmung der Wirtschaftsbehörde zu stellen.

Es geht auch unkomplizierter. Das zeigt das Beispiel Amsterdam, wo JCDecaux gerade 1500 Wartehäuschen um- bzw. neu gebaut hat. Laut Möller in sechs Monaten. Dort galten alle Um- und Neubauanträge automatisch als genehmigt, wenn sie nicht nach sechs Wochen beschieden waren. Die Stromanschlüsse durfte JCDecaux selbst legen.