Altstadt. „Wir entdecken den Kern unserer Botschaft“: Beim „Mittagstisch für alle“ gibt es jeden Donnerstag ein warmes Essen kostenfrei.
Die Tische sind eingedeckt. Für 40 Personen ist Platz an fünf langen Tafeln im Seitenschiff der Hauptkirche St. Petri. Einige Gäste sitzen bereits in den Kirchenbänken und warten. Der Caterer ist heute spät dran. Manche Tasche reserviert schon den Lieblingsplatz. Als die Wärmebehältnisse mit dem Essen eintreffen, sind die Plätze im Nu gefüllt. Das Essen verströmt einen wohlig warmen Duft im Südschiff. Reis und Rindergeschnetzeltes gibt es heute. Serviert wird am Platz.
Seit zwei Jahren gibt es in der Hauptkirche St. Petri den „Mittagstisch für alle“, ein kostenloses Mittagessen, das jeder und jede in Anspruch nehmen kann. „Die Lebenssituation unserer Gäste ist ganz unterschiedlich“, sagt Hauptpastor Jens-Martin Kruse. Es kommen Wohnungs- und Obdachlose, Geflüchtete, Arbeitsmigranten aus Osteuropa und arbeitslose Menschen. Aber auch viele ältere Frauen, deren Rente nicht reicht und junge Menschen zwischen 20 und 30, die bedürftig sind. „Damit hatten wir nicht gerechnet.“
Jede Woche kommen rund 80 Personen aus ganz Hamburg
Die Idee entstand 2022 bei einem schlichten Adventsempfang mit Suppe in der Hauptkirche. Am gedeckten Tisch sitzen und das Essen gebracht bekommen, das sollte es für alle Menschen geben. Seither bewirten eine Mitarbeiterin, eine Ehrenamtliche und der Hauptpastor an jedem Donnerstag um die 80 Personen. 100 Portionen werden bestellt, übrig bleibt selten etwas. Die wechselnden Speisen liefert der Caterer der Passage gGmbH.
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„Es ist schön, Menschen glücklich zu machen“, sagt Mitarbeiterin Renate Schöning, die das Geschnetzelte großzügig über den Reis füllt. „Das hier ist eine sinnvolle Aufgabe“, ergänzt die Ehrenamtliche Renate Garrandt. „Besser als zu Hause auf der Couch zu sitzen.“
Das gemeinsame Essen verläuft leise, fast geräuschlos. Nur das Klirren des Bestecks auf den Tellern und manch leise Unterhaltungen am Tisch sind zu hören. Die besondere Atmosphäre, das Ambiente unterm Kirchengewölbe, genießt auch Joachim aus Horn, der regelmäßig hierherkommt. „Es tut gut, nicht allein zu essen und sich zu unterhalten.“ Seine Gesprächspartnerin neben ihm ergänzt: „Und es ist einfach eine Hilfe, wenn man wenig Geld hat.“ Sie kommt aus St. Georg und schätzt, dass man sich hier in der Petrikirche auf Augenhöhe begegnet. Darauf legt das Team in St. Petri viel Wert. „Es ist nicht die Lebenswirklichkeit unserer Gäste, dass sie anständig behandelt werden“, sagt Hauptpastor Kruse. „Dass Menschen gute Erfahrungen mit Kirche machen, ist mir wichtig, dass Menschen, die sonst nicht mit Kirche in Berührung sind, sich hier willkommen fühlen.“
Die Gäste an den Tischen wechseln. Neue kommen hinzu, andere nehmen Nachschlag, manche gehen still, nicken dem Team zu. Ein stämmiger Mann verabschiedet sich mit Handschlag vom Gastgeber: „Danke fürs Essen.“
Für manche ist der Mittagstisch zum Teil ihres Lebens geworden
Es gibt Stammgäste, die sowohl im Sommer als auch im Winter kommen, aber auch Menschen, die spontan zum Essen bleiben. In den vergangenen zwei Jahren sind viele Kontakte entstanden. Einige Gäste verabreden sich zum „Mittagstisch für alle“ oder auch zu anderen Zeiten. „Für manche ist St. Petri in den vergangenen zwei Jahren zum Teil ihres Lebens geworden“, erzählt Hauptpastor Kruse. „Sie bleiben nach dem Essen zum Mittagsgebet oder kommen auch an anderen Tagen vorbei.“ So wie eine junge Frau, die jeden Donnerstag aus Farmsen kommt. Je länger es das Angebot gibt, desto vertrauter werde das Miteinander, sagt Hauptpastor Kruse. Und das nicht nur am Donnerstag. „Ich freue mich vor allem unter der Woche, wenn ich durch die Innenstadt laufe und unseren Gästen begegne.“
Zu den Stammgästen gehört auch Marion, die hier liebevoll „Zitronenjette“ genannt wird, weil auf ihrem Einkaufstrolley Zitronen abgebildet sind. Sie ist viel in St. Petri und passt mit auf die Kirche auf. Aus ihren Habseligkeiten kramt sie großformatige Fotos, die sie gemacht hat. Die Hobbyfotografin fängt am liebsten Hafenmotive, Alsterschwäne und Enten ein. Einen Teil ihrer Bilder hat sie im Spätsommer in der Kirche ausgestellt.
Die Kirche entdeckt den Kern ihrer Botschaft
Die Begegnungen und die Nähe zu den Menschen tun auch der Hauptkirche gut. „Wir sehen neu und vertieft, was unsere Aufgabe ist“, sagt Hauptpastor Kruse. „Es ist die Aufgabe unserer Innenstadtkirche, für die Menschen in der City da zu sein – ganz handfest. St. Petri entdeckt, dass die Armen in die Mitte der Kirche gehören. Wir entdecken den Kern unserer Botschaft.“
Direkt an der Mönckebergstraße gelegen, kommen auch Touristen in die Kirche. Wenige essen mit, aber viele bringen ihre Dankbarkeit zum Ausdruck und lassen Spenden für den Mittagstisch da. „Ich finde es bewundernswert, dass Sie das tun“, sagt ein Tourist aus Niedersachsen. „Das sind Sätze, die ich öfter höre“, erzählt Hauptpastor Kruse. „Dass es ein solches Hilfsangebot in einer Citykirche gibt, erschließt sich den Touristen sofort.“
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Finanziert wird der „Mittagstisch für alle“ zum Großteil von der Diakonie. Als Projekt des „Wärmewinters“ wurde es in den letzten zwei Jahren mit 30.000 Euro unterstützt. Der Rest kommt aus Spenden. Rund 500 Euro kostet ein Mittagessen pro Woche. Die Förderung des Projektes, das ursprünglich nur für einen Winter geplant war, läuft in diesem Jahr aus. Um auch in 2025 weitermachen zu können, werden derzeit Spenden gesammelt. Die gute Botschaft für Jens-Martin Kruse ist: „Es ist gar nicht kompliziert. Wir müssen lernen, Dinge einfach zu machen.“
Spendenkonto: Hauptkirche St. Petri, Haspa, IBAN DE85 2005 0550 1082 2414 70, BIC HASPDEHHXXX, Stichwort: „Mittagessen für alle“