Winterhude. Schauspielerin Jessica Kosmalla wurde von Ursulinen erzogen. Der Glaube ist für sie Fundament und wichtiger Teil ihres Lebens.
Treffender könnte Jessica Kosmalla die katholische Kirche St. Antonius kaum beschreiben: „Sie ist bestechend schlicht“, sagt die Hamburger Schauspielerin und schaut auf die weißen Rundbögen, die schmucklosen braunen Bänke und die einfach gehaltenen Fenster, die den Kirchraum erhellen. Zwei große Lichterkränze dominieren das Kirchenschiff, ansonsten gibt es wenig, was das Auge ablenkt. „Das finde ich schön, denn so liegt der Fokus auf dem Gebet und der Messe. Hier kann ich mich gut sammeln.“ Doch anfangs sei sie etwas irritiert von der Nüchternheit der Kirche gewesen, gibt sie zu. Zumal St. Antonius sich auch von außen kaum von den anderen Gebäuden unterscheidet - einzig die großen Säulen an der Front stechen etwas hervor. Doch als sie nach Hamburg-Winterhude zog – der Liebe wegen –, wollte sie Anschluss an eine katholische Gemeinde haben und auch, dass ihr Sohn im katholischen Glauben erzogen wird. So wie sie.
Die Mutter war alleinerziehend, jeden Abend wurde gebetet
Jessica Kosmalla ist mit den eher üppig geschmückten katholischen Kirchen im Süden Deutschlands aufgewachsen – in Frankfurt, genauer gesagt. Ihre Mutter war alleinerziehend. Die Familie, ursprünglich aus Schlesien stammend, war katholisch. Zum allabendlichen Ritual gehörte das Abendgebet am Bett. „Wir leisteten dabei auch immer Fürbitte für alle Verwandten, die Namen wollten gar nicht enden“, sagt Jessica lachend. Da ihre Mutter in Vollzeit arbeitete, übergab sie das Kind vertrauensvoll in die Hände des von einer Nonne geleiteten Tageskindergartens der St.-Antonius-Gemeinde in Frankfurt am Main. Als Zwölfjährige wechselte Jessica Kosmalla mit Gymnasiumantritt ins Internat, nach Offenbach, geleitet von Ursulinen. „Da gab es die volle katholische Dröhnung. Es fing mit dem Morgengebet an und ging mit dem Schulgottesdienst bis zum Abendgebet so weiter.“
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Sie erzählt, dass sie die katholische Erziehung als liebevoll, Geborgenheit und Freude gebend durch die intensive Gemeinschaft empfunden habe.. Aber sie sei auf der anderen Seite stark von Regeln geprägt gewesen. „Wenig Widerstand, Anpassung und Unterordnung waren erwünscht.“ Ihre gelernte Rücksichtnahme und Bescheidenheit seien ihr sicher im Leben öfters im Weg gewesen, sagt sie selbstkritisch.
Rebellion gegen die strengen Ordensregeln
Aber in der Pubertät habe sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten gegen das strenge Ordensregiment rebelliert, habe die Schwestern auch mal angeflunkert, wenn sie statt zum Gitarrenunterricht zu einem Freund gegangen sei. „Ich konnte damit gut leben, denn ich bin im Sinne eines liebenden, nicht strafenden Gottes aufgewachsen.“ Für sie ist Gott in jedem Menschen, in jeder Pflanze und jedem Tier zu finden. „Die Kirche schärft die Sinne, diese wundersamen und wundervollen Kleinigkeiten wahrzunehmen“, sagt Jessica Kosmalla und wird dabei fast philosophisch. Während der Corona-Zeit hat sie angefangen, regelmäßig zu meditieren. Ihr Glaube gibt ihr bis heute ein Fundament, Halt und Geborgenheit. Sie bete in unterschiedlichsten Situationen und suche dann gern auch eine Kirche auf, um sich Gott zuzuwenden. „Aus Dankbarkeit, aber auch, wenn ich Trost suche.“
Die Zehn Gebote halten die Gesellschaft zusammen
Für sie sind vor allem die christlichen Werte, die Zehn Gebote, maßgeblich. „Ohne sie wäre unser Zusammenleben nicht möglich“, sagt Kosmalla. Diese Werte, Toleranz und Orientierung habe sie auch ihrem Sohn (27) vermittelt. Auch ihn hat sie deswegen auf die katholische Schule von St. Antonius geschickt. „Er sollte die Möglichkeit haben, von Gott zu erfahren, um sich später selbst für oder gegen den Glauben entscheiden können“ – bis heute ist auch er Kirchenmitglied.
Nach dem Abitur studierte Jessica Kosmalla von 1980 bis 1983 am Mozarteum in Salzburg Schauspiel und setzte sich gegen rund 1200 Mitbewerber durch. Nur zwölf von ihnen wurden genommen – unter ihnen auch die Schauspielerin Victoria von Trauttmansdorff, die am Thalia Theater spielt und mit der sie bis heute freundschaftlich verbunden ist.
Jessica Kosmalla wurde früh für das Fernsehen entdeckt. Seit „Derrick“ und „Der Alte“ ist sie einem breiten Publikum bekannt. Zahlreiche Krimiauftritte in „Tatort“ , „Polizeiruf 110“ und „Soko“ folgten. Sie spielte bis jetzt nie eine Kommissarin, gerne eine Staatsanwältin und schon viele Male Opfer, Verführerin, Prostituierte, feine Dame, Bardame mit Herz – und auch Mörderin. „Ich bin ja eine recht zart gebaute Person, der man nicht zutraut, die Mörderin zu sein. Aber die war ich ziemlich oft. Sehr unchristlich“, sagt sie. Sie will sich nicht festlegen lassen auf eine Rolle, spielt, was ihr gefällt, und ist gut im Geschäft. Auch wenn sie zugibt, dass die Rollenangebote – wie bei allen Schauspielerinnen ab 50 Jahren – etwas ausgedünnt werden. „Aber mir geht es gut, ich kenne jedoch viele Kolleginnen, die echte Existenzängste haben.“
Auf der Tournee hat sie die Liebe des Lebens kennengelernt
Für die TV-Karriere gab sie ihr bisher einziges festes Engagement in einem Theaterensemble in Augsburg auf, in dem sie direkt nach ihrer Ausbildung war. Seither ist sie freischaffend. Warum so viele Krimis? „Das hat mit unserer Fernsehlandschaft in Deutschland zu tun, da gibt es einfach viele Rollen in diesem Genre zu besetzen.“ Zwischendurch spielte sie immer wieder Theater, in München, Hamburg. Berlin, vor allem als Gast auf Tourneen, wo sie die große Liebe ihres Lebens kennenlernte. Einen polnischen Schauspieler, katholisch. „Auch wenn das nicht ausschlaggebend war, verband uns doch der Glaube und ein wenig auch der Aberglaube, der in Polen noch sehr verbreitet war“, sagt sie und muss bei der Erinnerung daran lächeln. Seinetwegen zog sie 1995 nach Hamburg, zwei Jahre später kam ihr gemeinsamer Sohn auf die Welt.
Aktuell spielt sie auf dem Theaterschiff „Generation XY ungelöst“
Sie spielt häufig am Ernst Deutsch Theater und aktuell in einer Produktion im Theaterschiff. Das Stück „Generation XY ungelöst“ ist Kabarett und handelt von der allein lebenden, frisch pensionierten Geschichtslehrerin Doris (Kosmalla) und Torsten (Claudiu Mark Draghici), die in einer „Not-WG“ zusammenleben. Der 35 Jahre alte Familienvater ist von seiner Partnerin und den Kindern rausgeworfen worden und hat sich bei Doris eingenistet. Mit viel Verve und urkomischen Situationen, die jeder kennt, liefern die beiden sich einen Schlagabtausch – Generationenkonflikt .
Sie habe immer wieder Rollen erhalten, die zu ihrer Lebenssituation passten und derentwegen sie sich gut in sie hineinversetzen konnte. Leider auch, als ihr Mann und ihre Mutter zur gleichen Zeit eine Krebsdiagnose bekamen. „Da spielte ich gerade eine krebskranke Frau im Theater.“ Der Tod dieser beiden geliebten Menschen – ihre Mutter starb 2001, ihr Mann kämpfte zehn Jahre lang mit der tückischen Krankheit –riss sie in ein tiefes Loch.
Pfarrer Pricker stand ihr in der schwersten Zeit ihres Lebens zur Seite
Zur Seite stand ihr der damalige Pfarrer der St.-Antonius-Gemeinde, Johannes Pricker. Seinetwegen war sie zuvor oft in die Messe gekommen, hatte wunderbare Kindergottesdienste gemeinsam mit ihrem Sohn erlebt. „Pfarrer Pricker ist so ein humorvoller Mann, eine Ausnahmeerscheinung. Er war maßgeblich an der Erhaltung meines Glaubens beteiligt, denn seine Ansprachen waren inhaltsvoll, und er sprach immer frei aus dem Herzen heraus“, schwärmt Kosmalla. Pricker taufte ihren Sohn und spendete ihm die Erstkommunion, gab den beiden Eltern den Segen zur Ehe und beerdigte ihren Mann. „Auch als meine Mutter starb, war Pfarrer Pricker da.“ Jessica Kosmalla ist immer noch in Kontakt mit ihm, auch wenn der Pfarrer 2012 aus die Pfarrei verließ und seither Schulpfarrer im Erzbistum ist.
Der Tod ist ihr ständiger Begleiter
Seit dem Tod ihres Mannes sei die Trauer um eine geliebte Person ihr ständiger Begleiter. Jedes Jahr sterbe eine enge Freundin oder ein Bekannter und „ich habe den Tod ständig vor Augen“. „Manchmal frage ich mich und auch Gott, was mir das sagen soll, ich habe inzwischen verstanden, das Leben im Bewusstsein des Todes zu leben.“ Mit dieser Erfahrung halte sie nichts mehr für selbstverständlich, sondern sei dankbar für jeden Augenblick.
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Seit Prickers Weggang geht Jessica Kosmalla kaum noch zur Messe, sie konnte zu den amtierenden Pfarrern nicht die gleiche Verbindung aufbauen . „Die Gemeinde konzentriert sich jedoch heutzutage auch nicht mehr so sehr auf einen Pfarrer, die betreuen ja meistens mehrere Gemeinden, müssen sich quasi vierteilen. Doch für mich ist die Messe schon personenbezogen, ich möchte abgeholt werden, die Gedanken des Pfarrers sollen mich mitnehmen auf den Weg“, sagt sie. Dennoch sei sie in St. Antonius tief verwurzelt, und wenn sie eine Oase der Ruhe in ihrem trubeligen Alltag brauche, gehe sie hierher, setze sich auf die schlichten Holzbänke und halte inne.
Tickets für das Theaterstück mit Jessica Kosmalla auf dem Theaterschiff unter: https://www.theaterschiff.de/programm/generation-xy-ungeloest/