Hamburg. Der Menschenhandel mit Frauen und Mädchen aus Osteuropa breitet sich weiter aus. Das sagt die Organisation zum EU-weiten Protesttag.
Zum EU-weiten Tag gegen Menschenhandel an diesem Freitag warnt die auf der Hamburger Reeperbahn präsente Heilsarmee vor der so genannten Loverboy-Methode. Diese bezeichnet das kriminelle Vorgehen junger Zuhälter im Alter von bis 30 Jahren oder mehr. Sie täuschen Minderjährigen eine Liebesbeziehung vor, um sie eines Tages der Prostitution zuzuführen.
Reeperbahn: Immer mehr ukrainische Frauen vom Menschenhandel betroffen
„Der Menschenhandel trifft vor allem junge Frauen aus dem Ausland“, sagt Angela Fischer, Kontaktperson Anti Human Trafficking der Heilsarmee. Es handele sich oft um Frauen aus Osteuropa, für sie gebe es keine Reisebeschränkungen. Sie stammten meist aus ärmlichen Familien. „Viele kommen aus Rumänien, Bulgarien und Ungarn. Seit dem Krieg gibt es deutlich mehr ukrainische Frauen.“
Die Menschenhändler werben mit einem guten Job, in der Gastronomie oder als Zimmermädchen. Vor allem Frauen vom Land greifen nach diesem Strohhalm. Sie lassen ihre Familien, oft auch ihre Kinder, in der Heimat zurück. Angela Fischer: „Besonders perfide ist die Loverboy-Methode. Hier täuschen die Menschenhändler eine Liebesbeziehung vor. Die Frauen gehen voller Vertrauen mit dem Mann nach Deutschland.“
Prostitution: Den Frauen wird der Pass abgenommen. Heilsarmee hilft beim Ausstieg
Was passiert mit den Frauen? Sie landen in der Prostitution. Die Zuhälter kümmern sich um die Freier und kassieren das Geld. Die Frauen sind dem hilflos ausgeliefert. Vielen wird der Pass abgenommen, als Pfand für die „Reisekosten“. Hinzu kommen Drogen und Alkohol.
Die Heilsarmee in Hamburg hilft Frauen beim Ausstieg aus der Prostitution. „In der Hansestadt sind wir im Rotlichtmilieu unterwegs. Als Mitglied des Bündnisses ‚Gemeinsam gegen Menschenhandel‘ fordern wir den Gesetzgeber auf, das Nordische Modell zu verfolgen. In Osteuropa setzen wir auf Aufklärung.“
Diakonie-Projekt „Fairlove“ hilft Mädchen beim Ausstieg aus der Prostitution
Auch die Diakonie in Hamburg hilft beim Ausstieg. Die Einrichtung gehört zur diakonischen Fachberatungsstelle Prostitution „Sperrgebiet St. Georg“, in der seit 1985 Sozialarbeiterinnen, Ärztinnen und Juristinnen, Beratung, Schutz und Unterstützung anbieten. „Fairlove“ heißt das Fachprojekt, das einen Beitrag zur Prävention der Prostitution Minderjähriger leisten will. Es klärt über die Loverboy-Methode auf und unterstützt zudem die Betroffenen dabei, neue Wege in Schule, Beruf oder Ausbildung zu finden.
Die Beratungen erfolgen kostenlos und anonym – persönlich, am Telefon und online. „Wir gehen auch in die Laufhäuser und Bordelle“, sagt die 40-jährige Anne, Projektleiterin von „Fairlove“ in der Lindenstraße.
Täglich werden in Deutschland drei Fälle von Menschenhandel festgestellt
Jeden Tag werden in Deutschland drei Fälle von Menschenhandel festgestellt. Das geht aus dem ersten umfassenden Bericht zum Menschenhandel hervor, den das Deutsche Institut für Menschenrechte jetzt in Berlin vorgelegt hat. Dem Bericht zufolge haben die Ermittlungsbehörden im Zeitraum von 2020 bis 2022 von den Ermittlungsbehörden 3.155 Betroffene identifiziert, zwei Drittel waren weiblich, ein Drittel männlich und gut ein Viertel noch minderjährig.
Branchen, in denen besonders häufig Menschenhandels-Fälle festgestellt werden, sind dem Bericht zufolge das Bau-, Transport- und Logistikgewerbe, die Gastronomie, die Pflege und die Landwirtschaft. Ob Betroffene überhaupt gefunden oder erkannt werden, hängt auch davon ab, wo sie arbeiten müssen, und ob Behörden oder Beratungsstellen zu ihnen einen Zugang haben. In den Jahren 2020, 2021 und 2022 meldete die Polizei bundesweit jeweils 406, 417 und 476 Fälle von Zwangsprostitution an die Staatsanwaltschaften.