Hamburg. Egoistisch, ichzentriert und ständig am Handy – meine Hebamme hatte keine Lust mehr auf diese Mütter. Jetzt ist sie Sterbebegleiterin.
Als mein Mann, unser großer Sohn und ich vergangene Woche in unserem Stadtteil spazieren gingen, trafen wir ganz unerwartet auf meine Hebamme, die mich vor und nach der Geburt meiner beiden Kinder begleitet hat. Mein Mann und ich waren in ihrem Geburtsvorbereitungskurs, sie hat uns gelehrt, wie man ein Baby wickelt, badet und zum „Bäuerle“ machen bringt. So eine Hebamme ist goldwert – denn sie hat uns Sicherheit im Umgang mit unseren Kleinen gegeben.
Kinder sollten Wurzeln und Flügel bekommen
Es gab eine Bibel bei der Kindererziehung für uns: „Jedes Kind kann schlafen lernen“ – den Rest haben wir aus dem Bauch heraus gemacht. Wir haben unsere Kinder immer als eigenständige Persönlichkeiten gesehen. Und unser Ziel war es, ihnen Wurzeln und Flügel zu geben. So gingen sie schon früh allein zur Schule, die nur etwa 900 Meter entfernt war, mit dem Fahrrad fuhren sie zum Sport und mit ihren Freunden machten sie die umliegenden Spielplätze unsicher. Als Helikopter über ihnen fliegen? Dafür hatten mein Mann und ich weder Zeit noch Lust.
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Aber unsere Hebamme musste sich mit dieser Art von Eltern beschäftigen. Sie berichtete uns, dass sie deswegen frühzeitig aufgehört habe in ihrem Beruf, den sie eigentlich so liebte, zu arbeiten. „Die Mütter sind immer ichzentrierter und egoistischer geworden“, sagte sie uns.
Außerdem habe sie massiv genervt, dass „viele vor allem auf ihr Handy, statt auf ihre Kinder“ schauten. Das ist mir auch schon oft aufgefallen und ich frage mich, ob die Kleinen dann überhaupt lernen, die Gefühle der Mutter zu deuten. Denn wer auf einen Smartphonebildschirm schaut, hat oft einen starren, fast traurigen Ausdruck.
Meine Hebamme hat eine neue Bestimmung gefunden
Zum Glück hat meine Hebamme eine neue Bestimmung gefunden: Sie arbeitet jetzt als ehrenamtliche Sterbebegleiterin im Hospiz. „So viele Jahrzehnte habe ich Geburten begleitet, jetzt sind mal die dran, die am Ende ihres Lebens sind.“ Sie werden sicher genauso gut von ihr betreut, wie ich damals vor 24 Jahren.