Hamburg. Wie sich drei Frauen in einem DRK-Hospiz mit Ehrenamtlichen um todkranke Menschen kümmern. Auch eine NDR-Moderatorin engagiert sich.
Es ist eine schmucke Wohnsiedlung im Süden Hamburgs, in der sich die Vergänglichkeit des Lebens jeden Tag besonders zeigt. Während die Bewohner in den allermeisten Häusern des Harburger Blättnerrings ihrem ganz normalen Alltag nachgehen, treten die Gäste im Gebäude mit der Nummer 18 ihre letzte Reise an. Es bleibt ihnen nicht mehr viel Zeit, denn über allem schwebt das Schwert des Abschieds. Das Wissen um ein letztes Mal, von dem keiner exakt weiß, wann es eintreten wird, ist allgegenwärtig.
DRK-Hospiz für Hamburgs Süden mit vielen Angeboten
Gerade betritt Ruth Maria Pieper diesen Ort, das „DRK-Hospiz für Hamburgs Süden“. Die ehrenamtliche Musikerin trägt eine Tischharfe in der Hand und wird gleich Gäste mit himmlischen und irdischen Klängen erfreuen. Bei diesem „Wanderkonzert“ geht die Harfenistin von Zimmer zu Zimmer und spielt auf Wunsch klassische Musik und hamburgische Lieder. Vier Bewohner öffnen diesmal ihre Räume, um lieb gewordene Weisen zu hören, den „Jung mit’n Tüdelband“, den „Hamborger Veermaster“ und „In Hamburg sagt man Tschüs“. Ein Lächeln huscht über die Gesichter, einige singen oder summen mit.
Hospize in Deutschland: Wie alles begann
Das DKR-Hospiz am Blättnerring bietet ihnen und den Angehörigen einen Ort der Geborgenheit in der schweren Zeit des Abschiednehmens. Mehr noch: Die insgesamt 32 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – darunter 26 Pflegekräfte - setzen alles daran, dass sie den Tagen der Gäste mehr Leben geben. Damit folgen sie dem Motto der Gründerin der weltweiten Hospizbewegung. Die britische Ärztin Cicely Saunders (1918–2005), die in England das erste Hospiz ins Leben rief, sagte einmal: „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“
Drei Frauen haben sich dieser Aufgabe, dem Dienst an Sterbenden, mit ganzer Kraft verschrieben: Britta True, 60, leitet als Geschäftsführerin das DRK-Hospiz Hamburg-Harburg gGmbH seit der Eröffnung im Jahr 2013. Diese Einrichtung gehört zum DRK-Kreisverband Hamburg-Harburg e. V. An der Spitze der Mitarbeiterinnen in der Pflege steht Vera Müller-Wallbaum, 56, als Pflegedienstleiterin. Außerdem gibt es mit Hella Lemke, 59, eine Seelsorgerin – sie ist die Dritte im Bunde. „Dieses Hospiz wurde zu einem Segen für den ganzen Stadtteil“, sagt die Pastorin in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland.
NDR-Moderatorin Bettina Tietjen ist Schirmherrin in Harburg
Sie kennt das Gebäude seit Jahrzehnten. Bevor sich die evangelische Kirchengemeinde vom Gemeindehaus trennte und das DRK den Komplex übernahm, arbeitete die promovierte Theologin hier als Gemeindepastorin.
Jetzt sitzt sie mit den beiden anderen Frauen in einem Raum im Dachgeschoss. An dieser Stelle stand vormals der Gemeindesaal; der alte wurde abgerissen. Heute befindet sie hier der Raum der Stille. Massagestühle und Liegen machen das Verweilen leichter, auch Angehörige können sich an diesem Ort zurückziehen. Über dem Raum wölbt sich ein architektonisch perfekt konstruiertes Birkenholzdach, das einem Blätterwald nachempfunden ist.
Verwaltungsgericht stoppte Klage von Anwohnern
Nachdem das Harburger DRK 2012 seine Pläne bekannt gegeben hatte, mitten im Wohngebiet ein Hospiz zu eröffnen, waren Anwohner vor das Verwaltungsgericht gezogen, um das Vorhaben zu stoppen. Die Justiz wies jedoch im Dezember 2013 ihre Klage zurück und stellte klar, dass mit dem genehmigten Vorhaben keine unzumutbare Beeinträchtigung für die Nachbarn verbunden sei. Dies gelte insbesondere für die Größe des Gebäudes mit insgesamt 13 Betten und für den zu erwartenden Verkehr.
Hospiz im Wohngebiet: Das denken Anwohner jetzt
Inzwischen, sagt Hospizleiterin True, seien die Bewohner des Blättnerrings „hineingewachsen“ in die Nachbarschaft zum Hospiz. Mehr noch: Dass es für den Süden Hamburgs Hospizplätze in der Nähe gebe, werde als wertvoll betrachtet. Um den Austausch mit den Anwohnern zu fördern, veranstaltet das Hospiz regelmäßig Sommerfeste, Filmabende und Gesprächsrunden.
Britta True hat ihre Entscheidung, die Leitung des Hauses zu übernehmen, nicht bereut. Ihre Arbeit veränderte vielmehr den Blick auf das eigne Leben. „Der Tod gehört zum Leben, und er kommt nicht immer freundlich daher“, sagt sie. Wie wichtig es ist, im Augenblick zu leben, beschreibt sie so: „Iss den Nachtisch zuerst und guck, was du aus deiner Zeit noch machst.“
Zu ihren Aufgaben als Hospizleiterin gehört es, die Arbeit der Ehrenamtlichen zu koordinieren. Rund 25 Ehrenamtler zählen zum Team, das unter anderem den Abendbrotdienst übernimmt. Jeden Tag bereiten Männer und Frauen das Abendessen vor, schmieren und servieren Brote, fragen nach Wunschkost und haben Zeit für Gespräche.
NDR-Moderatorin Tietjen unterstützt Hospiz
Darüber hinaus unterstützen Ehrenamtliche des Hospizvereines Hamburger Süden – und NDR-Moderatorin Bettina Tietjen ist die Schirmherrin. Sie betont immer wieder, wie unverzichtbar es ist, für die Arbeit dieses Hospizes zu spenden. Zwar ist der Aufenthalt in der Einrichtung für die Gäste kostenlos und wird zu 95 Prozent durch die Kranken- und Pflegekassen finanziert. „Die restlichen fünf Prozent müssen aber vom DRK durch Spenden erbracht werden“, sagt Astrid Heissen, Sprecherin des DKR-Kreisverbandes Hamburg-Harburg.
Hospiz Harburg: Palliativmedizinerin steht bereit
Auch für Pflegedienstleiterin Vera Müller-Wallbaum ist der Einsatz für die Sterbenden zur Berufung geworden. In Zusammenarbeit mit einer Palliativmedizinerin und einer Hausarztpraxis setzt sie sich mit ihrem Team dafür ein, dass die Schmerzen der Gäste bekämpft, Übelkeit gelindert, Ängste minimiert werden. „Eine Grenze müssen wir als Pflegende allerdings aushalten: dass wir etwas nicht mehr tun, weil es der Patient so will.“ Zum Beispiel, wenn jegliche Medikamenteneinnahme abgelehnt wird.
Seit Eröffnung des Hospizes vor etwas mehr als zehn Jahren wurden mehr als 1100 Gäste aufgenommen. Die durchschnittliche Verweildauer beträgt 30 Tage. Es können aber auch mehrere Wochen und Monate sein.
Patient lebte mehr als ein Jahr lang im Hospiz
„Herr Hansen, denken wir an Herrn Hansen!“, sagt Britta True unter dem hölzernen Blätterdach. Herr Hansen war unheilbar an einem Hirntumor erkrankt und auf einen Rollstuhl angewiesen. Nachdem er sein Zimmer im Hospiz bezogen hatte, war er noch in der Lage, mit seinem technischen Sachverstand bei Reparaturen im Gebäude zu helfen und das Leben zu genießen. Mit großem Appetit freute er sich jeden Morgen auf das Frühstück. Das ging über viele Monate so. „Herr Hansen lebte noch eineinviertel Jahre bei uns, bevor er starb.“
Die dritte starke Frau in diesem Power-Team ist Pastorin Lemke. Sie arbeitet einen Teil der Woche in der Arbeitsstelle Leben im Alter (Kirchenkreis Hamburg-Ost), die restliche Zeit im Harburger Hospiz. Ihre Seelsorge basiert auf niedrigschwelligen Angeboten. Einfach da sein, zuhören, die Hand halten und mit den Angehörigen eine Tasse Kaffee trinken. Regelmäßig bietet sie Andachten an. Gerade dann, wenn ein Gast gestorben ist. Dann versammeln sie sich am Bett und nehmen mit Gebet und Segen gemeinsam Abschied. „Das meiste lässt sich vorher gar nicht genau planen. Ich habe deshalb gelernt zu vertrauen, dass es gelingt, was ich für andere tue.“
Seelsorgerin: Am Ende des Lebens kommen Zweifel
Am Ende des Lebens, das ist ihre Erfahrung als Seelsorgerin, stehe bei den Sterbenden vieles infrage. Auch bei Christen sei das so. „Die Sicherheit, dass der christliche Glaube trägt, schwindet bei einigen sterbenden Menschen.“ Wie die allermeisten anderen Menschen so hofft auch die Pastorin, dass ihre Liebsten in den Stunden des Abschiednehmens da sind. „Und ich bin total neugierig darauf, was nach dem Tod kommt.“
Spendenkonto Hospiz, Hamburger Sparkasse, IBAN: DE57 2005 0550 1262 2082 08