Hamburg. Im Asklepios West gibt es eine Station, die sich der Pflege Sterbender gewidmet hat – dahinter steht ein besonderes Ehepaar.

.Es scheint, als hält die Zeit den Atem an. Wer die Station im Erdgeschoss des Hauses 1 im Asklepios Westklinikum betritt, befindet sich in einem typischen, langen Krankenhausflur. Doch gleich auf der linken Seite steht vor den hellen Wänden eine hölzerne Marienfigur, die einen Schutzmantel trägt. Nicht weit davon gibt es ein Pult mit frischen Blumen, ein Gästebuch mit Worten des Dankes, des Abschieds und Fotos von Menschen, die nicht mehr auf dieser Welt sind. Ein Foto zeigt eine lächelnde Frau in Schwesterntracht. Sie arbeitete auf dieser Station, sie lebte hier, sie starb hier.

Der Flur grenzt an zehn Patientenzimmer. Wer hier liegt, geht die letzten Meter, manchmal Kilometer, seines Lebensweges. Eine Gewissheit begleitet die Sterbenden: Auf der Palliativstation stehen ihnen Menschen rund um die Uhr zur Seite, die helfen, Schmerzen, Atemnot und Übelkeit zu lindern, Ängste zu minimieren und letzte Wünsche zu erfüllen. Anders als im hektischen Krankenhausalltag auf anderen Stationen haben sie genügend Zeit, für die Sterbenden und ihrem schweren Leid da zu sein.

Palliativ-Medizin in Hamburg: Welthospiztag ist am 14. Oktober

Die diesjährige Hamburger Hospizwoche vom 7. bis 13. Oktober und der Welthospiztag am 14. Oktober wollen mit zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen erneut den Blick für ein Sterben in Würde schärfen. Dabei wird ein Mediziner einen Workshop für medizinisches Fachpersonal zum Thema „Medikamentöse Sedierung“ halten, der zu den Wegbereitern der Palliativmedizin in Hamburg gehört: Hans-Joachim „Hanno“ Lehmann. Gemeinsam mit seiner Frau Barbara Wille-Lehmann hat er diese Station im Asklepios Westklinikum aufgebaut und bis zu seiner Pensionierung geleitet. Jetzt arbeitet er im Palliativ-Netz Hamburg West weiter mit.

Seit genau 25 Jahren, dem 7. Oktober 1998, betreut ein Palliativteam aus Ärzten, Krankenschwestern, Sozialpädagogen, Seelsorgern und vielen ehrenamtlichen Mitarbeitern des Fördervereins Palliativstation Asklepios Westklinikum Hamburg Sterbende in Hamburgs Westen. Mittlerweile sind es rund 400 pro Jahr mit einer durchschnittlichen Liegedauer von neun bis elf Tagen. 60 Prozent von ihnen können wieder ins häusliche Umfeld entlassen werden, um in ihrer gewohnten Umgebung zu sterben. Dabei werden sie vom ambulanten Team des Palliativ-Netzes Hamburg West umsorgt.

Palliativmedizin in Hamburg: Ein Ehepaar, das für die Betreuung Sterbender stark macht

Dass in dem Rissener Krankenhaus auf einer Fachstation so viel für Sterbende getan wird, ist dem Anästhesisten Hans-Joachim Lehmann (74) und seiner Frau, der Krankenschwester Barbara Wille-Lehmann (78) zu verdanken. Die beiden sind noch immer oft in diesen Räumen und bleiben gerade vor der Marienfigur auf dem Stationsflur stehen. „Maria“, sagt Hans-Joachim Lehmann, „trägt einen Schutzmantel, genannt ‚pallium‘“ Davon leite sich der Name Palliativmedizin ab. Sterbende werden mit medizinischem, pflegerischem und therapeutischem Wissen gleichsam umhüllt und umsorgt.

Das war nicht immer so. Auf der mit Hortensien bewachsenen Terrasse der Palliativstation erzählt der Arzt für Anästhesie mit den Zusatzqualifikationen in Schmerztherapie und Palliativmedizin von jener Zeit bis in die 1980er-Jahre, in der palliative Betreuung Schwerstkranker noch weitgehend ein Fremdwort war. „Krebspatienten waren unterbehandelt. Und Ärzte zögerten, Morphium und andere Opiate zur Schmerzlinderung einzusetzen.“ Barbara Wille-Lehmann arbeitete an der Uniklinik Göttingen als Stationsleitung in der Inneren Medizin und sagt: „Es war schlimm zu sehen, wie Menschen in Krankenhäusern sterben müssen.“ Bereits damals fand sie Begleitung sterbender Patienten keineswegs angemessen und führte auf ihrer Station ein, dass immer eine Pflegeperson beim Sterbenden blieb, wenn keine Angehörigen anwesend waren.

Hans-Joachim Lehmann ließ sich in England weiterbilden

Als Mediziner beschäftigte sich Hans-Joachim Lehmann mit der modernen Hospizbewegung, die von der britischen Ärztin Cicely Saunders begründet wurde und fortan internationale Maßstäbe setzte. In seiner Urlaubszeit ließ er sich in England weiterbilden. Als Oberarzt in der Anästhesie-Abteilung des damaligen „Deutsches Rotes Kreuz- und Freimaurer Krankenhaus Hamburg-Rissen“ (heute Asklepios) begegnete er schließlich dem Mediziner Friedmann Nauck, der Oberarzt der zweiten deutschen Palliativstation im Malteser Krankenhaus in Bonn war. „So etwas brauchen wir in Rissen auch“, entschied er für sich. Barbara Wille-Lehmann war ebenfalls von der Idee begeistert und absolvierte dort ein Praktikum. Das Ergebnis: „Genauso möchte ich in Rissen arbeiten.“

Um Mitstreiter zu finden, gründete das Ehepaar mit vereinten Kräften einen Arbeitskreis und knüpften ein Netzwerk. Die damalige Oberin des Krankenhauses, Dagmar Avital, empfahl, einen Förderverein zu gründen, der bis heute von Barbara Wille-Lehmann geleitet wird und rund 350 Mitglieder zählt. Vor 25 Jahren konnte, damals noch im Haus 3, schließlich die Rissener Palliativstation eröffnet werden – die zweite in Hamburg nach dem AK Barmbek. Die erste Palliativstation in Deutschland war bereits 1983 an der Universitätsklinik Köln und das erste Hospiz 1986 in Aachen eröffnet worden.

Eine Station, auf der die letzten Wünsche Sterbender in Erfüllung gehen

Bis heute machen die Terrasse und ein gemütliches Wohnzimmer mit kleiner Küche die Station zu einem Ort der Begegnung. Ehrenamtliche kochen Kaffee und Suppen auf Wunsch und bereiten das Abendbrot vor. Bei gutem Wetter werden die Patienten mit ihren Betten nach draußen gerollt. Die letzten Wünsche der Sterbenden zu erfüllen, ist dem Team aus haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern wichtig.

Die beiden Hamburger berichten von einer Pferdeliebhaberin, die vor dem Tod ihr Pferd noch einmal sehen und streicheln wollte. Selbstverständlich wurde der Wunsch erfüllt. Eine Patientin wollte unbedingt noch einmal über ihren Acker in Schleswig-Holstein fahren. Erfüllt! Eine weitere Patientin befand sich mit ihrem Sohn im Streit, der in Neuseeland lebte. Ein Arzt nahm telefonisch Kontakt zu ihm auf und überzeugte ihn, schnellstmöglich nach Hamburg zu kommen. „Am Ende erlebten Mutter und Sohn eine ganz wichtige Zeit.“ Sie konnte so Abschied nehmen.

Palliativmedizin in Hamburg: Viele Methoden, um Patienten das Sterben zu erleichtern

Hans- Joachim Lehmann erläutert, mit wie vielen Methoden den Patienten ein menschenwürdiges Leben im Sterben ermöglicht werden kann. Neben einer angemessenen Schmerztherapie gehörten dazu auch Gespräche, Entspannungsübungen, Psycho- und Musiktherapie, Seelsorge. „Den Satz: ‚Ich kann nichts mehr für Sie tun‘ wird man bei uns nicht hören.“

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20-Jähriger Hamburger- „Ich fühle wieder, dass ich lebe“

Ein Oberarzt, eine Oberärztin, eine Stationsärztin und Pflegepersonal stehen den Patienten zur Seite. Zwei Vollzeitkräfte in der Pflege bezahlt der Förderverein – ein unverzichtbarer Beitrag für eine optimale Versorgung. Chefarzt ist heute Matthias Görnig.

Die Begegnung mit Sterbenden hat die beiden Hamburger Palliativ-Pioniere, die vier Kinder, fünf Enkel und drei Urenkel haben, mit ihrer Sicht auf das Leben und den Tod verändert. „Die alltägliche Nähe zu sterbenden Menschen macht uns unser eigenes Leben bewusster und hat uns die Angst vor dem Tod genommen. Der Rat: Verdrängen Sie den Tod nicht.“

Die Hamburger Hospizwoche vom 7. bis 13. Oktober im Internet unter www.welthospiztag-hamburg.de