Hamburg. Menschen der Kriegsgeneration haben ihre Depressionen oft verschwiegen oder verdrängt. Heutzutage wird viel offener darüber gesprochen.

Kürzlich sagte meine 84 Jahre alte, geistig sehr fitte Mutter zu mir: „Man liest ja überall nur von psychischen Problemen, auch schon bei jüngeren Leuten. Also, das gab es in unserer Generation nicht so häufig.“ Ich widersprach ihr nicht, aber ich dachte: „Doch Mama, es gibt und gab gerade auch in deiner Generation viele Menschen mit psychischen Erkrankungen. Denn ihr habt als Kinder Krieg erlebt, gehungert, oft lieblose Eltern gehabt. Aber ihr musstet ein Land neu aufbauen, und da gab es oft keine Zeit, sich um die eigenen Bedürfnisse zu kümmern. Viele in deinem Alter leiden nun unter Depressionen, weil ihr Trauma sie in der Rentenzeit eingeholt hat.“

Kein Mensch sollte sich schämen, einen Therapeuten in Anspruch zu nehmen

Ich sagte das nicht zu meiner geliebten Mutter, weil es ihr gut geht, weil auch sie nicht über ihre schreckliche Kindheit sprechen möchte. Sie hat immer positiv nach vorne geschaut - und das ist auch gut so. Aber ich sagte zu ihr: „Ich finde es gut, dass du so viel über psychische Erkrankungen liest und hörst. Dass Prominente offen über ihre Depressionen sprechen, dass dieses Thema endlich aus seiner Tabuzone befreit wird und dass es okay ist, zu sagen, dass man einen Therapeuten braucht, um das eigene Päckchen etwas leichter zu machen.“

Mehr zum Thema

Psychische Erkrankungen gab es immer. Früher wurden Depressionen als Melancholie bezeichnet, die man mit Schwitzbädern und Stromstößen behandelte. Heute gibt es gute Kliniken und Medikamente dagegen, und kein Mensch sollte sich dafür schämen, diese auch in Anspruch zu nehmen.