Hamburg. Spezielle Nachhilfe-Angebote haben großen Zulauf. Doch nicht jede Familie kann sich diese Angebote leisten. So hilft der Abendblattverein.
Der neunjährige Ali ist ein aufgeweckter Junge. Der Drittklässler liebt Fußball und hat Spaß an Musik. An seiner Schule, der Grundschule Thadenstraße, lernt er gerade das Cellospielen. Doch mit dem Schreiben und Lesen hat er anhaltende Schwierigkeiten. Lange Wörter zu lesen falle ihm schwer, sagt der Grundschüler. Als seiner Lehrerin die Probleme auffielen, empfahl sie den Eltern eine Lerntherapie für Ali. Doch erst nachdem die Finanzierung der Therapie unter anderem durch den Verein „Hamburger Abendblatt hilft“ gesichert wurde, konnte Lerntherapeutin Verena Vogl mit der Arbeit beginnen. Seit anderthalb Monaten kommt Ali einmal in der Woche für 45 Minuten zu ihr, „er ist immer hochmotiviert“, sagt Verena Vogl.
Abendblatt hilft e.V.: Verein unterstützt Lerntherapie
Die Lerntherapie behandelt Kinder mit tiefgründigen Problemen in den Basisfächern. „Sie haben etwa eine Lese-Rechtschreib-Schwäche, also eine Legasthenie, oder eine Rechenschwäche, die sogenannte Dyskalkulie“, sagt die Therapeutin. Die Auslöser dafür hängen bei den normal intelligenten Kindern von verschiedenen Faktoren ab wie etwa familiärer Veranlagung, Alter und Reifegrad bei der Einschulung, häufigem Lehrerwechsel, sensomotorischen Schwierigkeiten oder auch seelischen Belastungen.
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Um die Schwächen zu überwinden, reiche das reine Wiederholen und Üben von Schulstoff, wie es in der Nachhilfe üblich ist, nicht aus. „Die Lerntherapie ist eine längerfristige Hilfestellung, die einen ganzheitlichen Blick auf das Kind hat und seine Ressourcen und Stärken sowie sein Umfeld mit Eltern, Lehrern oder Erziehern einbezieht“, sagt Verena Vogl.
Für jedes Kind ein individueller Therapieplan
Nach Feststellung der Probleme entwickelt die Therapeutin für jedes Kind einen individuellen Therapieplan mit festgelegten Zielen. Kinder mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche können beispielsweise Laute nicht zuordnen, ähnlich klingende Buchstaben nicht unterscheiden oder verschiedene Wortarten nicht erkennen. Bei der Rechenschwäche fehlt etwa das Mengenverständnis von Zahlen oder das Kind hat Probleme, sich im Zahlenraum bis 100 zu orientieren.
„Die Kinder sollen Spaß beim Lernen haben“
Die Therapie erfolgt auf spielerische Weise. „Die Kinder sollen Spaß beim Lernen haben“, sagt Vogl, die seit zwölf Jahren als integrative Lerntherapeutin arbeitet. Ob Wortbingo oder Bildkartenangeln, wobei Sätze gebildet werden, ob Zahlenkarten oder Bohnen zum Rechnen, die Materialien, mit denen die Therapeutin arbeitet, sind bunt und kreativ und haben einen „hohen Aufforderungscharakter“. Das wecke auch bei zunächst frustrierten Kindern, die darunter leiden, dass sie nicht so gut mitkommen wie die anderen, die Lust am Lernen.
„Jedes Kind kann Fortschritte machen“, sagt Verena Vogl. Neben den Basisfähigkeiten werden in der Lerntherapie auch Konzentration, Lernstrategien und Lernorganisation behandelt. Je nach Bedarf dauert eine Therapie zwischen einem und maximal drei Jahren. Irgendwann sei der Zeitpunkt erreicht, an dem das Kind seinen Weg selbst schafft, „es hat die fachlichen Kompetenzen und das Selbstvertrauen entwickelt, selbstständig Hürden zu bewältigen“, sagt Verena Vogl.
Nicht alle Eltern können eine Lerntherapie finanzieren
Wie wichtig es ist, die in der Grundschule vermittelten Basisfähigkeiten zu beherrschen, wird spätestens beim Wechsel auf die weiterführende Schule deutlich. Doch gerade während der Corona-Pandemie haben sich die „Lernschwierigkeiten einiger Kinder definitiv verstärkt“, so Vogl. Kinder mit Problemen seien beim einseitig geprägten Homeschooling auf der Strecke geblieben, die Warteliste auf ein Therapieplatz sei noch länger geworden.
Doch nicht alle Eltern können eine Lerntherapie finanzieren. Unter bestimmten Voraussetzungen gibt es eine Förderung vom Jugendamt oder der Schulbehörde. Doch auch dann bleibt noch ein Eigenanteil, den ärmere Familien nicht aufbringen können. „Daher bin ich und sind die Familien so dankbar, dass der Abendblattverein sechs Kinder in meiner Praxis unterstützt“, sagt Verena Vogl.
Derzeit werden 100 Kinder und Jugendliche vom Abendblattverein in Sachen Nachhilfe oder Lerntherapie finanziell unterstützt (siehe auch die Kolumne). Zu ihnen gehören die beiden Kinder von Andrea Schulze (Name von der Redaktion geändert). Sowohl die 15-jährige Tochter als auch der 13-jährige Sohn machen mit großem Erfolg eine Lerntherapie. „Wir sind dem Abendblattverein zu tiefem Dank verpflichtet, denn nur durch Ihre Förderung stehen die beiden Kinder dort, wo sie jetzt sind“, sagt die alleinerziehende Mutter.
Zwölf von 250 Schülern vom Abendblattverein gefördert
Auch bei der Finanzierung von Nachhilfe, die bei vielen Kindern schon ausreicht, um sich in einzelnen Fächern zu verbessern, sieht es für ärmere Familien schlecht aus. „Eine finanzielle Unterstützung muss in Hamburg im Rahmen des Bildungs- und Teilhabe-Pakets von der Schule bewilligt werden. Sie ist zudem an schlechte Noten gebunden, nur wer auf einer Fünf steht, kann sie beantragen“, sagt Regina Hansen, Leiterin der Studienkreis GmbH in Bergedorf. Von den 250 Schülern des dortigen Nachhilfeinstituts werden derzeit zwölf vom Abendblattverein gefördert. Sie hätten sonst keine Chance auf eine außerschulische Unterstützung. „Schüler haben nicht die gleichen Bildungschancen, wenn Eltern die Nachhilfe nicht zahlen können, das ist eine Ungleichbehandlung“, sagt Hansen.
Was eine gezielte Nachhilfe bewirken kann, zeigt das Beispiel von Sarah A. Die 20-Jährige hat in diesem Jahr das Abitur am Wirtschaftsgymnasium St. Pauli mit der Note 1,6 abgelegt. „In der 7. Klasse stand ich in den Fächern Englisch und Mathe nur auf ,ausreichend‘. Dank der Nachhilfe beim Studienkreis, die ich anfangs dreimal die Woche besuchte, haben sich meine Noten extrem verbessert“, sagt sie. Geholfen habe ihr die gezielte Unterstützung etwa bei den Hausaufgaben und das Lernen in Kleingruppen, in denen immer ein Lehrer ansprechbar ist.
Abendblattverein bitte für Projekt um weitere Spenden
Damit auch weitere Kinder und Jugendliche insbesondere nach der Corona-Zeit in der Schule den Anschluss nicht verlieren, hat der Abendblattverein seine Förderung von Nachhilfe und Lerntherapie-Angeboten verdoppelt und bittet um Spenden. Bitte helfen Sie mit und ermöglichen Sie mit Ihren Spenden bedürftigen Schülerinnen und Schülern einen besseren Weg in die Zukunft. Vielen Dank!