Die Schulen müssen künftig Profile anbieten, unter denen die Schüler wählen können: sprachlich, naturwissenschaftlich, ästhetisch, gesellschaftswissenschaftlich und sportlich.

Noch vor Einführung der großen schwarz-grünen Schulreform (sechsjährige Primarschule, Abschaffung von Haupt- und Realschulen, zweigliedriges System mit Stadtteilschulen und Gymnasien) wird es ab dem kommenden Schuljahr gravierende Veränderungen auf dem Weg zum Abitur geben. Die gymnasiale Oberstufe mit ihren Grund- und Leistungskursen wird durch die "Profiloberstufe" ersetzt. Das ist die einschneidendste Veränderung, seit 1972 das Kurssystem an den Gymnasien eingeführt wurde. Die wichtigsten Neuerungen:

Alle Oberstufen müssen die drei Kernfächer Deutsch, Mathematik und die erste Fremdsprache in einem "grundlegenden" und in einem "erhöhten" Niveau anbieten. Diese Regelung galt bislang allein für Mathematik. Außerdem müssen alle Schüler die drei Fächer bis zum Abitur belegen und werden in zwei Kernfächern schriftlich geprüft.

Jede Schule muss mindestens zwei eigene, individuelle Profilbereiche anbieten.

Es wird fünf mögliche Profile geben: naturwissenschaftlich, sprachlich, gesellschaftswissenschaftlich, ästhetisch und sportlich. Das Abi umfasst Prüfungen in insgesamt fünf Fächern. So soll eine breitere Allgemeinbildung erreicht werden.

Viele Eltern sehen die Profiloberstufe eher skeptisch. "Da die Schulen nicht genug Lehrer für das Einrichten der zusätzlichen Kurse haben, müssen sie voraussichtlich mit anderen Schulen kooperieren", gibt Peter Albrecht von der Hamburger Elternkammer zu bedenken. "Außerdem entsprechen sicherlich die Profile vieler Gymnasien nicht den Neigungen all ihrer Schüler, sodass diese sich auch an anderen Schulen umsehen müssen." Zum Beispiel: Eine Schule bietet die Profile "Sprachen", "Ästhetik" und "Sport" an. Ein naturwissenschaftlich begabter Schüler muss nun entweder die Schule wechseln oder einen Schwerpunkt wählen, der nicht seinen Talenten entspricht.

Die Folge wäre ein "Schülertourismus", den keiner will. Im Gegenteil: "Es war eigentlich angedacht, dass die Schüler der verschiedenen Profilbereiche zusammenbleiben", sagt Frank Schmidt, Schulleiter des Albert-Schweitzer-Gymnasiums. Trotzdem hält er die Neuerungen für umsetzbar - es müsse aber von Behördenseite noch nachgebessert werden, gerade bei den Plänen für das differenzierte Unterrichten in den Kernfächern.

"Wir haben bisher nicht erfahren, dass sich in der Schnittnote des Abiturs niederschlägt, ob die Schüler ein Fach auf Standard- oder hohem Niveau belegt haben." Ebenso wie sein Kollege Ulrich Mumm vom Gymnasium Allee befürchtet Schmidt nun, dass die Schüler sich auf diese Weise für ein "Billig-Abitur" entscheiden könnten. "Statt auf Leistung zu setzen, könnten die Schüler versuchen, sich mit einem einfachen Kurs eine bessere Note zu sichern", gibt Mumm zu bedenken.

Mit solchen Reaktionen auf die erschwerten äußeren Bedingungen rechnet auch Peter Albrecht. "Zwar müssen sich Schüler heutzutage an bestimmte Regeln und Fächerkombinationen halten, können jedoch für ihr Abitur Fächer wählen, die ihren Neigungen entsprechen", sagt er. Das würde sich in der Abiturnote positiv widerspiegeln. In der Profiloberstufe müssten sich die Schüler nach den Profilen ihrer Schule richten und auch Fächer belegen, die ihnen schwer fielen. Die Folge wäre voraussichtlich eine schlechtere Abiturnote.

"Die G8-Jahrgänge sind so gleich doppelt benachteiligt", so Albrecht. "Durch die Mehrbelastung der verkürzten Schulzeit und durch die erschwerten Bedingungen, die sich mit der Profiloberstufe ergeben." Da könne man schon verstehen, wenn sich die Schüler bei den Kernfächern für die leichteren Kurse entschieden. Und dass die Hamburger Elternräte die Profiloberstufe größtenteils ablehnen.

"Die Profiloberstufe ist eine Neuerung, die noch nicht zu Ende gedacht ist und leider wieder an den Schülern ausprobiert wird", sagt Ulrike Langerbeins, Elternratsvorsitzende des Gymnasiums Eppendorf. "Zusätzlich zu der verkürzten Schulzeit bedeutet das für sie noch eine weitere Belastung."

In Hamburg haben drei Schulen bereits Versuche mit einer Profiloberstufe unternommen: die Max-Brauer-Schule, die Wichernschule und das Walddörfer-Gymnasium. Die bestehenden Profile der Max-Brauer-Schule (Umwelt, Kommunikation sowie Sprachen- und Kulturvielfalt) können allerdings nicht fortgesetzt werden, da sie nicht den neuen Vorgaben entsprechen.