Hamburg. Seit 50 Jahren ist die Gemeinsame Ermittlungsgruppe Rauschgift im Einsatz. Wie sich die Drogenszene verändert hat.
Sie sind für die großen Fälle des Drogenschmuggels zuständig. Immer wenn Rauschgift über Grenzen nach Deutschland geschafft wird, ist es ein Fall für die Polizisten und Zöllner der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Rauschgift (GER). Die Dienststelle ist ein Erfolgsmodell, in diesem Jahr feiert sie ihr 50-jähriges Bestehen. Es war die erste Dienststelle dieser Art in Deutschland, die viele Nachahmer in anderen Bundesländern fand. Und sie hat weiterhin alle Hände voll zu tun. Der Drogenschmuggel boomt. Auch wenn sich die Arbeit der Ermittler „extrem verändert“ hat, wie der polizeiliche GER-Chef Oliver Erdmann sagt.
Als am 5. Mai 1970 die GER ihre Arbeit offiziell aufnahm, war die Drogenszene klar gegliedert. Türken waren im Heroinhandel, Afrikaner im Kokainhandel am Hebel. Die deutschen Dealer boten „Gras“, also Marihuana an. Der erste große Fall der GER: Am 1. Juni 1970 gelang es den Beamten, einen Rauschgifthändler festzunehmen und 27 Kilo Haschisch sicherzustellen.
Heute geht es vor allem um Kokain
Heute können die Ermittler über eine solche Mengen nur schmunzeln. Die Zeiten haben einen neuen Typ Dealer hervorgebracht. Es sind Mitglieder hoch professioneller Banden, die sich aus „Spezialisten“ zusammensetzen, die dann für bestimmte Bereiche zuständig sind. Ethnische Zugehörigkeit spielt im Gegensatz zu früher heute eine untergeordnete Rolle.
Zudem gibt es im Gegensatz zu früher eine größere Bandbreite an Rauschgift, das geschmuggelt wird. Vor allem synthetische Drogen spielten in den ersten 20 Jahren der GER keine Rolle. Heute geht es vor allem um Kokain, das von Südamerika aus geschmuggelt wird. „Die letzten fünf Jahre sind gekennzeichnet durch die Sicherstellung großer Mengen“, sagt Erdmann über den internationalen Drogenschmuggel. 2019 wurden durch alle Behörden rund zehn Tonnen Kokain sichergestellt, die über Hamburg geschmuggelt wurden. Hauptarbeitsgebiet für die Ermittler ist dabei der Hafen.
Drogen in wasserdicht verpackten Seesäcken
Einer der ganz großen Fälle im vergangenen Jahr war die Sicherstellung von 700 Kilo Kokain, versteckt in Bananenkisten aus Südamerika. Die Täter hatten zwar sogar Bananen besorgt, um die Kisten wieder aufzufüllen, nachdem sie die Drogen in Hamburg herausgeholt hatten. Dafür orderten sie bei einem Hamburger Lieferanten 700 Kilo unreife Bananen, da diese aus dem Süden immer im unreifen Zustand verschifft werden. Dass jemand aber in Hamburg so eine Menge unreifer Bananen ordert, machte den Lieferanten stutzig – er gab den entscheidenden Tipp.
Die Ermittlungsgruppe Rauschgift hat viele besondere Verstecke aufgedeckt. 1997 zog die GER einen Oldtimer aus dem Verkehr, in dessen Holmen knapp 20 Kilo Kokain versteckt waren. Einer der Beteiligten an dem Drogendeal, Ralph van L. (55), war auch schon 1998 im Zusammenhang mit dem Oldtimer verhaftet worden. Eine Zeit lang steckten Drogen auch in sogenannten „Torpedos“ – wasserdicht verpackte Seesäcke voll Kokain, die außenbords unter Wasser an den großen Frachtschiffen aus Südamerika angebracht waren. Oft waren sie in der Seekiste, einer Öffnung am Bug, versteckt.
Die Kriminalität vernetzt sich
Heute wird so nicht mehr geschmuggelt. „Die Welt vernetzt sich. Die Kriminalität tut das auch“, sagt Erdmann. Die Täter können leichter und verdeckter kommunizieren. Das Telefon als hauptsächliches und abhörbares Kommunikationsmittel ist abgelöst durch das Internet. Es ist leichter zu reisen. Kokain wird, durch bessere Technik und Organisation, in deutlich größerer Menge produziert. Oft spielen die politisch unstabilen Verhältnisse in den Herkunftsländern den Drogenbaronen in die Hände.
Das heiße aber nicht, dass man auf verlorenem Posten stehe, so der polizeiliche Leiter Erdmann. „Gerade im Bereich der EU hat sich die grenzüberschreitende Arbeit der Polizei deutlich verbessert“, sagt er. Das ist nicht ganz unwichtig. Marihuana, die mengenmäßig mit Abstand am meisten veredelte Droge in Hamburg, kommt mittlerweile hauptsächlich aus Spanien. Dort wird sie unter Idealbedingungen unter freiem Himmel produziert. Viel Aufwand macht der Schmuggel im Schengenraum ohne Grenzen nicht. „Die schmeißen einfach Sporttaschen, die voll mit dem Zeug sind, ins Auto und fahren los“, weiß ein Fahnder.
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Auch wenn sich der Drogenschmuggel und die Strukturen der Banden geändert haben, sieht sich die GER immer noch gut aufgestellt und ist laut Erdmann das richtige Instrument, um die grenzüberschreitende Rauschgiftkriminalität zu bekämpfen. „Wir können mit der GER auf die Ressourcen von zwei Behörden zurückgreifen“, sagt Erdmann, die Polizei und den Zoll. So sei man nicht nur personell, sondern auch finanziell gut ausgestattet.