Hamburg. Schon der Gedanke, auch nur in einem Raum mit ihrem Ex-Freund zu sein, setzt der 25-Jährigen enorm zu.

Die Frau weint und zittert. Schon der Gedanke, auch nur in einem Raum mit ihrem Ex-Freund zu sein, setzt der 25-Jährigen enorm zu. Seine Blicke zu spüren, ihn in der Nähe zu wissen – das macht Tanja T. (alle Namen geändert) Angst. Und die Aussicht, ihm ausgesetzt zu sein, womöglich stundenlang darüber Auskunft geben zu müssen, wie sie durch ihn gelitten hat? Unerträglich für die Frau. Sie huscht durch den Gerichtssaal, Tränen im Gesicht, und entschwindet durch eine Tür in einen Nebenraum. Hier kann sie Schutz suchen, vorerst.

Die Hamburgerin hat offenbar jeden Grund, sich zu fürchten. Ihr früherer Partner Adnan D. ist augenscheinlich ein Mann, der vor Gewalt nicht zurückschreckt. Der Frauen gegenüber eine Art Besitzdenken auslebt, der seine Interessen und Bedürfnisse brutal durchzusetzen versteht. Und der Hamburger sieht ganz so aus wie einer, der auch wirklich zulangen kann, ein Mann mit breitem Kreuz, schwellendem Bizeps und einem Stiernacken, an dem sich mehrere Tätowierungen hochziehen. Dafür, dass er seine Muskeln nicht ausschließlich durch das Stemmen von Gewichten erarbeitet hat, sprechen etliche Testosteron-Präparate, die bei einer Durchsuchung in seiner Wohnung sichergestellt wurden, zusammen mit einem Schlagring.

Vor elf Jahren wurde Adnan D. bereits wegen Vergewaltigung zu zwei Jahren mit Bewährung verurteilt. Er hatte sich Zugang zu der Wohnung seiner damaligen und von ihm getrennt lebenden Ehefrau verschafft und sie missbraucht – während die gemeinsame kleine Tochter nebenan im Kinderzimmer weinte.

34-Jähriger bedauere sein Verhalten „extrem“

Und schließlich soll er also Tanja T. das Leben zur Hölle gemacht haben. Die gut anderthalb Jahre bis Mitte vergangenen Jahres, die die 25-Jährige mit Adnan D. verbracht hat, scheinen eine Zeit voller Demütigungen und Gewalt gewesen sein. Laut Anklage, die den Hamburger vor das Schöffengericht gebracht hat, versetzte er seiner damaligen Freundin Schläge ins Gesicht und trat ihr gegen den Kopf, sodass sie Knochenbrüche im Gesicht erlitt. Später habe er sie auch gewürgt, bis ihr schwarz vor Augen wurde, und sie immer wieder bedroht.

Auch in seiner nächsten Beziehung mit einer anderen Frau kam es Adnan D. offenbar darauf an, die totale Kontrolle zu haben. Von einem Mann, mit dem seine jetzige Ehefrau einige WhatsApp-Nachrichten ausgetauscht hatte, forderte er demnach zunächst als Entschädigung 20.000 Euro. Als dieser ihn anzeigte, versetzte der 34-Jährige dem Opfer einen Faustschlag ins Gesicht.

Ob die Verfahrensbeteiligten eine Verständigung, einen sogenannten Deal, erreichen könnten, regt der Verteidiger von Adnan D. zu Prozessbeginn an. Ein umfassendes Geständnis seines Mandanten – wenn dieser eine maßvolle Strafe erhält? Grundsätzlich wirkt es sich positiv aufs Strafmaß aus, wenn ein Angeklagter seine Taten einräumt. Und ein Geständnis, das einem Opfer eine unter Umständen stundenlange und äußerst belastende Aussage erspart, ist umso wertvoller. Tanja T. signalisiert über ihren Anwalt: Sie will ihrem Peiniger nie wieder begegnen müssen. Vor allem darauf kommt es ihr an.

Zwei Jahre Haft auf Bewährung

Die in der Anklage aufgelisteten Vorwürfe „treffen vollumfänglich zu“, erklärt der Verteidiger nun im Namen seines Mandanten. Der 34-Jährige bedauere sein Verhalten „extrem. Es wird nicht wieder vorkommen“, versichert Adnan D. demnach. Damit meint er wohl auch die Drohungen, mit denen er seiner Ex-Freundin das Leben schwermachte. „Du bist mit mir zusammen, fertig, aus!“, brüllte er sie am Telefon an. Sie dürfe sich mit keinem anderen Mann treffen. „Glaube mir, ich jage dich. Es gibt kein Leben für dich.“ Und als sie fragte, warum er sie töten wolle, versetzte er knapp: „Weil ich dich liebe.“ Kein Mensch dürfe sie anfassen. In einem anderen Gespräch sagte er: „Du bist tot. Es ist mir scheißegal, ob ich dafür 20 Jahre Knast kriege. Ich werde dich jagen und dich finden.“

Von einem „äußerst brutalen Vorgehen“ spricht der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Der körperlich deutlich überlegene Mann sei „besitzergreifend gegenüber seinen Partnerinnen“. Das Schöffengericht verhängt schließlich zwei Jahre Haft auf Bewährung für Adnan D. Zudem muss er seiner Ex-Freundin insgesamt 14.000 Euro Schadenersatz für das erlittene Leid zahlen - und vor allem jeglichen Kontakt meiden, „persönlich, über Dritte, per Telefon, Mail oder sonst wie“, betont die Vorsitzende Richterin.

Ursprünglich, beim Studium der Akten, sei sie von einer Strafe ausgegangen, die deutlich über zwei Jahren liegt, so die Richterin. Aber es sei auch zu berücksichtigen, „was für das Opfer der richtige Weg ist“. Eine Hauptverhandlung mit einem bestreitenden Angeklagten hätte „sicher eine mehrstündige Vernehmung der Zeugin bedeutet und eine Konfrontation mit dem Mann. Tanja T. sei ohnehin erheblich beeinträchtigt wegen ihrer Verletzungen und vor allem wegen „der konstanten Angst und der Drohungen“. Adnan D. habe „ein Frauenbild, das erschütternd ist und von Herabwürdigung geprägt“. Ihm müsse klar sein, dass er nie wieder Straftaten begehen darf und vor allem jede Kontaktaufnahme mit dem Opfer vermeiden muss. „Wenn Sie der Frau weiter das Leben schwermachen, riskieren Sie Ihre eigene Freiheit.“