Hamburg. Gegen ihren kleinen Sohn soll die junge Mutter „mit stumpfer Gewalt eingewirkt“ haben, lauten die Vorwürfe.
Der kleine Emil (alle Namen geändert) war gerade ein paar Wochen alt, als ihn sein Vater zu einem Ausflug der besonderen Art mitnahm. Keine Spazierfahrt mit dem Kinderwagen durch den Park oder zum Einkaufen und ein kurzer Stopp, um dem Kleinen die Flasche zu geben oder die Windeln zu wechseln. Nein, als Donald A. mit seiner jungen Familie unterwegs war, hatte er Böses im Sinn. Er parkte den Wagen, ließ seine Freundin, den Säugling und dessen zwei Jahre alte Schwester im Auto warten – und beging mit Komplizen einen Bandendiebstahl. Für diese Tat sitzt der 26-Jährige seit nunmehr anderthalb Jahren in Haft. Und doch meint seine damalige Partnerin treuherzig bis heute: „Er war das aber gar nicht.“
Marlena M. will nicht, dass jemand etwas Schlechtes vom Vater ihrer Kinder denkt. Genauso beteuert die 22-Jährige, dass sie selber sich nichts zu Schulden hat kommen lassen. Aber auf der jungen Mutter lastet ein schlimmer Verdacht: Gegen ihren kleinen Sohn soll sie „mit stumpfer Gewalt eingewirkt“ haben, lauten die Vorwürfe, die die Hamburgerin jetzt als Angeklagte wegen Körperverletzung vor das Amtsgericht gebracht haben. Bei dem damals knapp ein Jahr alten Jungen wurden etliche Hämatome festgestellt. Und auch hier sagt Marlena M.: „Ich war das nicht.“
Etliche Hämatome festgestellt
Sie habe geduscht, die Kinder spielten im Schlafzimmer, erzählt die Angeklagte, eine Blondine mit puppenhaftem Gesicht, über die Ereignisse vom November vergangenen Jahres. „Da hörte ich, dass mein Sohn vor der Badezimmertür saß und geweint hat.“ Dann habe sie entdeckt, dass der Junge Verletzungen im Gesicht hatte. Sie brachte ihr Kind ins Kinderkrankenhaus, wo etliche Hämatome am Kopf und am Rücken festgestellt wurden. Jugendamt und Familiengericht wurden eingeschaltet, der Junge kam in ein Kinderschutzhaus, die Mutter verlor das Sorgerecht für ihre zwei Kinder. Laut Familiengericht bestehe „erheblicher Verdacht auf Kindesmisshandlung“, zitiert die Vorsitzende jetzt im Prozess aus einer Akte.
Unter anderem fiel auf, dass der Junge, als er im Kinderschutzhaus untergebracht wurde, „keinen Trennungsschmerz von seiner Mutter“ gezeigt habe. Doch Marlena M. macht die Umstände für das ungewöhnliche Verhalten ihres Kindes verantwortlich: „Da war er wie in Trance, sehr abgelenkt und in sich gekehrt“, sagt die 22-Jährige. „Da waren einfach zu viele Leute. Sonst hat er immer viel gelacht.“ Später, als sie ihn öfter in dem Kinderschutzhaus besuchte, „war er wieder fröhlicher. Da sind wir auch viel draußen spazieren gegangen“.
Mehrfach vorbestrafter Vater
Mittlerweile hat Marlena M. ihr Leben umgekrempelt. Sie trennte sich von ihrem Freund, zog in eine Mutter-Kind-Einrichtung, wo sie mit Sohn und Tochter zusammen sein kann. Laut einer Begutachtung hat die 22-Jährige eine gute Beziehung zu ihren Kindern. Damals, als das Unglück passierte, sei ihr Sohn schon sehr mobil gewesen, erinnert sie sich. „Er konnte krabbeln und hat sich überall hochgezogen. Er konnte sich allein auch an einem Korbsessel hochziehen.“ Ob er da runtergefallen ist und sich so die Verletzungen zugezogen hat, überlegt die Angeklagte. Die Vorsitzende wirft ein, dass die beiden kleinen Kinder ja offenbar zehn Minuten unbeaufsichtigt waren. Woher wohl die diversen Verletzungen, die im Krankenhaus festgestellt wurden, herrühren? „Normalerweise kommt meine dreijährige Tochter und petzt“, verteidigt sich die 22-Jährige. „Vielleicht ist er ja beim Spielen irgendwo gegengehauen?“
Der erste Verdacht, als sich die Vermutung der Kindesmisshandlung ergab, richtete sich gegen den Vater der beiden Kinder. Doch der mehrfach vorbestrafte Mann kann für die Verletzungen von Emil nicht verantwortlich sein. Er saß zur Tatzeit schon im Gefängnis. Eine rechtsmedizinische Sachverständige erläutert, dass ein Sturz beispielsweise aus dem Kinderbett nicht Ursache für die diversen Verletzungen des kleinen Jungen sein kann. Auch dessen ältere Schwester komme als Täterin nicht in Betracht. Mit ihren drei Jahren sei sie dafür noch zu klein. Doch Marlena M. beteuert: „Ich weiß nur, dass ich es nicht war.“
Mutter hat gute Beziehung zu Kindern
Am Ende wird die Angeklagte wegen Körperverletzung schuldig gesprochen und verwarnt. Eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu zehn Euro wird vorbehalten, also eine sogenannte Geldstrafe auf Bewährung. Als Auflage erteilt die Vorsitzende der jungen Mutter, dass sie alle zwei Monate ihren Sohn im Institut für Rechtsmedizin vorstellen soll, um so zu überprüfen, dass es dem Jungen gut geht. „Kleine Kinder können ziemlich anstrengend sein“, sagt die Vorsitzende. Und mit einem Kindsvater, der im Gefängnis sitzt, habe Marlena M. zusätzlichen Stress gehabt. Sie sei überzeugt, so die Richterin, dass die Angeklagte die Verletzungen bei Emil verursacht hat, es sich aber um ein „Augenblicksversagen handelt, das Sie sofort sehr bereut haben“. Auch wie sie sich jetzt im Mutter-Kind-Haus um ihre Kinder kümmert, zeige: „Insgesamt sind Sie auf einem guten Weg.“