Hamburg. Nach tödlichen Unfällen mit Lastwagen in der Stadt plädiert der ADFC für mehr Kontrollen und den Einbau von Abbiegeassistenten.
Nach dem Tod der 19 Jahre alten Radfahrerin in Eilbek, die am Dienstag an der Ritterstraße von einem Lastwagen erfasst und unter die Räder des schweren Fahrzeugs gezogen wurde, ist die Diskussion um die Sicherheit auf Hamburgs Straßen erneut entbrannt. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) fordert mehr Kontrollen von der Polizei und sieht in Anlehnung an die Rechtsprechung die gesamte Verantwortung bei den Lastwagenfahrern. Der ADAC setzt hingegen auf die Sensibilisierung aller Verkehrsteilnehmer.
Toter Winkel als Falle
Es ist der tote Winkel bei den großen Lastwagen, der für Fußgänger oder Radfahrer immer wieder zur tödlichen Falle wird. In Hamburg gab es allein in diesem Jahr bereits drei tödliche Unfälle aus diesem Grund. Am 3. März 2016 erfasste ein Lastzug eine 69 Jahre alte Radfahrerin beim Abbiegen von der Hannoverschen Straße in die Seevestraße in Harburg. Die Frau wurde unter das Fahrzeug gezogen. Sie war sofort tot.
Am Sellhopsweg in Schnelsen erfasste am 30. August ein Lastwagen beim Rangieren eine 78 Jahre alte Frau. Der Fahrer (55) hatte sie nicht gesehen.
Jetzt der Unfall in Wandsbek. Dort hatte der Lastwagenfahrer (59) die 19 Jahre alte Radfahrerin übersehen, als er mit seinem Fahrzeug von der Wandsbeker Chaussee in die Ritterstraße abbog.
Jens Deye vom ADFC sagte, man sei „schockiert und fassungslos. Wie viele Menschen müssen noch verunglücken, bevor erkannt wird, dass der Schutz des Menschenlebens absolute Priorität im Straßenverkehr hat?“, so Deye. Für den ADFC ist klar: „Die Straßenverkehrsordnung und auch die Rechtsprechung sehen die Verantwortung ganz klar beim Kraftfahrzeugführer. Dazu heißt es in einem Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm (Aktenzeichen 3 Ws 134/13), dass Kfz-Lenker beim Abbiegen nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren dürfen, denn Radfahrer hätten aufgrund § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO ‚uneingeschränkt Vorrang‘“.
Auch Radfahrer in der Pflicht
Der ADFC fordert, dass neue Lastwagen mit elektronischen Abbiegeassistenten ausgestattet werden. Herkömmliche Sicherheitsmaßnahmen wie zusätzliche Spiegel gegen den toten Winkel und ein seitlicher Unterfahrschutz zeigen nach Ansicht des Fahrradclubs nicht die erhoffte Wirkung.
Ulf Evert vom ADAC Schleswig-Holstein sieht dagegen sehr wohl auch Fußgänger und Radfahrer in der Pflicht. „Wir haben die Problematik des toten Winkels“, sagt Evert. „Es gibt einfach Bereiche, die ein Fahrer nicht überblicken kann.“ Daher würde auch eine flächendeckende Ausstattung der Fahrzeuge mit Abbiegeassistenten keine hundertprozentige Sicherheit bringen. „Der entscheidende Faktor bleibt immer der Fahrer. Er muss sich auf die Systeme einlassen und darf nicht abgelenkt durch andere Dinge sein wie Radio, weiteres Verkehrsgeschehen oder auch Termindruck.“ Es komme oft auch zu solchen Unfällen, weil Lastwagenfahrer „einfach unaufmerksam“ seien.
Unfälle vor allem in Innenstädten
„Radfahrer und Fußgänger unterschätzen oder kennen dazu oft die Gefahr des toten Winkels gar nicht“, sagt der ADAC-Sprecher. Gerade diese Kombination führe oft dazu, dass es zu schweren, oft tödlichen Unfällen beim Abbiegen komme.
Solche Unfälle sind laut Evert keine Seltenheit. „Sie treten gerade immer wieder im innerstädtischen Verkehr auf. Dort haben wir das Zusammentreffen von verschiedenen Arten von Verkehrsteilnehmern, ganz viele Kreuzungen, Abbiegemöglichkeiten oder Ampelanlagen, an denen solche Unfälle passieren können.“ Kämen dann weitere Faktoren wie schlechte Sicht, schlechtes Wetter oder auch schlechte Straßen dazu, oder seien Radfahrer, Fußgänger oder Fahrer unaufmerksam, dann passierten solche Unfälle ganz schnell.
Nach Einschätzung des ADFC, der sich auf eine Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV) beruft, würden Abbiegeassistenten in Lastwagen mehr als 40 Prozent aller schweren Unfälle mit Radfahrern oder Fußgängern beim Rechtsabbiegen verhindern.
Die Systeme sind nicht Pflicht
An eine flächendeckende Einführung dieser Systeme in kurzer Zeit glaubt Evert vom ADAC nicht. „Die Systeme sind nicht Pflicht. In ältere Lastwagen kann man sie nicht einbauen. „Selbst wenn der Gesetzgeber solche Systeme zwingend bei der Zulassung von neuen Fahrzeugen vorschreibt, würde es eine Fahrzeuggeneration dauern, bis sie flächendeckend in Deutschland zugelassene Lastwagen eingebaut sind.“ Das wäre dann ein Zeitraum von mindestens zehn Jahren.“
Ausländische Laster seien dann aber immer noch nicht ausgerüstet. Eine Vorschrift, dass auch sie die deutschen Straßen nur mit Assistenzsystem befahren dürfen, hält er für nicht umsetzbar. „Da würde dann wieder das EU-Recht reinspielen“, sagt Evert. „Letztendlich kann ich nicht sagen, ob so eine Vorschrift möglich wäre. Vermutlich ist sie es nicht.“