Hamburg. Nächtliche Auseinandersetzung um Drogenkontrollen auf St. Pauli. „Task Force“ will Schwerpunkteinsätze über Winter hinaus fortsetzen.

Gegen 23 Uhr am Montagabend ist die Lage nahe der Hafenstraßenhäuser so angespannt, dass die Beamten Verstärkung benötigen. Polizisten und rund 60 Demonstranten stehen sich an der Balduintreppe gegenüber, auf Höhe des alternativen Wohnprojekts „Plan B“. Anwohner und Linksautonome haben protestiert, da die Beamten angeblich anlasslos Flüchtlinge kontrollierten. Die Polizei will die Spontandemonstration auflösen. Wenig später treffen zwei Hundertschaften der Bereitschaftspolizei ein. Es kommt zu Rangeleien. Erst nach Mitternacht beruhigt sich die Situation.

Die Szene dokumentiert, dass sich das Klima zwischen der Polizei und den Linken nur zwei Monate vor dem Beginn des OSZE-Gipfels in Hamburg bedenklich verschärft hat – Grund sind vor allem die Einsätze der „Task Force“ der Polizei gegen Drogenhandel auf St. Pauli, in St. Georg und im Schanzenviertel. Seit Mai nimmt die Polizei dort regelmäßig Kleindealer hoch, mehr als 2500 Beamte waren mehr als 43.000 Dienststunden lang bei Großkontrollen im Einsatz. 70 mutmaßliche Dealer wurden bislang einem Haftrichter vorgeführt, fünf zu Haftstrafen verurteilt. „Es steht außer Frage, dass Zustände von offenem Drogenhandel auf den Straßen nicht hinnehmbar sind“, sagt Gerhard Kirsch, Gewerkschaft der Polizei (GdP).

Linke bezeichnen Kontrollen als "rassistisch"

Die Polizei weist auch auf massive Beschwerden von Anwohnern hin. Bei den Drogenhändlern handelt es sich fast ausschließlich um Schwarzafrikaner. Teile der linken Szene bezeichnen die Kontrollen von Dunkelhäutigen als „rassistisch“. Grund für die Aufregung am Montagabend: Laut dem Linken-Bürgerschaftsabgeordneten Martin Dolzer, der sich auf Augenzeugen beruft, hatte die Polizei den Garten am „Plan B“ von 14 Uhr an abgeriegelt. Dort hätten aus Angst vor einer Personenkon­trolle „30 verängstigte Flüchtlinge“ Schutz gesucht.

Der Konflikt spitzt sich seit Monaten immer weiter zu. Erst startete die Polizei eine Großrazzia gegen die offene, von Schwarzafrikanern dominierte Drogenszene auf St. Pauli – woraufhin die linke Szene mit „Racial Profiling“-Vorwürfen konterte. Dann zogen Linksautonome aus Protest vor das Wohnhaus von Innensenator Andy Grote (SPD). Am vergangenen Freitag erreichte der Konflikt einen vorläufigen Höhepunkt: Mutmaßliche Linksextremisten zündeten zwei Autos des Leiters der „Task Force“, Enno T., vor seinem Haus in Lemsahl-Mellingstedt an.

„Diese Aktion ging gar nicht und hat unsere Reihe dicht geschlossen“, sagt ein leitender Polizeibeamter. Der Anschlag sei weiterhin ein beherrschendes Thema unter Polizeibeamten, heißt es. „Aber keiner von uns ist nur einen Hauch verunsichert“, sagt der Insider. Die Führung der Bereitschaftspolizei und der „Task Force“ ist sich einig darin, beim bisherigen Vorgehen zu bleiben. „Uns provozieren zu lassen, wäre der größte denkbare Fehler“.

Hafenrand gilt als Hauptumschlagplatz

In der linken Szene wird das Vorgehen der „Task Force“ als zu hart gesehen. So sollen die Einsätze neben dem Kampf gegen den Drogenhandel auch die Verfolgung von illegalen Flüchtlingen dienen, mutmaßen Autonome. Die Gegend am Hafenrand gilt seit Langem als einer der Hauptumschlagplätze für Drogen; die Dealerszene dort wird von Afrikanern dominiert, die wiederum von linken Gruppen unterstützt werden. Mitte Juli stürmten schwer bewaffnete Beamte ein Haus an der Hafenstraße und nahmen 34 Personen fest. Weil diese alle dunkelhäutig waren, werfen die Linken der Polizei seither „rassistische Kontrollen“ vor.

Eine Position, die nicht unumstritten ist, selbst innerhalb der linken Szene. Es seien vor allem linksradikale Dogmatiker, die sich für die offene Drogenszene stark machten und Andersgesinnte gezielt einschüchterten. Und die vor allem deshalb so im Vordergrund stünden, weil sie sich lautstark Gehör verschafften, sagt ein Anwohner der Balduintreppe. „Ich kenne genug Linke, die das Dealen durch Migranten aus Afrika sehr kritisch sehen, sich aber nicht mehr trauen, ihre Meinung zu sagen.“ Indem die Dogmatiker das Treiben an der Balduintreppe mit Verweis auf die prekäre Situation der Drogendealer vorbehaltlos unterstützten, erwiesen sie der organisierten Kriminalität einen zweifelhaften Dienst. „Zumal es ein Fakt ist, dass die Kleindealer von Hintermännern ausgebeutet werden.“

"Task Force" will Einsätze forsetzen

Ein großer Teil der Anwohner der Balduintreppe sieht den Einsatz der Polizei grundsätzlich als notwendig an. Auch die ehemalige Kiezgröße Karl-Heinz Schwensen meldete sich bei Facebook zu Wort. Er sei „wirklich der Letzte, der für die Polizei eine Lanze bricht, aber bei dem Sachverhalt von ,rassistischer Kontrolle‘ zu sprechen“, das sei „das Dämlichste“, was man machen könnte. Wenn die Dealer „ausnahmslos“ Afrikaner seien, „dann ist es nicht die Schuld der Polizei, dass sie keine anderen Personen kontrollieren kann“.

Die Polizei stellt sich auf eine längere Aufgabe für die „Task Force“ ein, nach Abendblatt-Informationen könnten die Schwerpunkteinsätze in den drei Stadtteilen über den Winter hinaus fortgesetzt werden, in ähnlich dichter Frequenz wie zuletzt. „Uns ist bewusst, dass wir einen langen Atem brauchen“, sagte „Task Force“-Chef Enno T. vor dem Anschlag auf seine Autos dem Abendblatt. Die Sicherheitsbehörden sind alarmiert, prüfen, ob weitere Beamte gefährdet sind. Laut Gewerkschafter Kirsch ist „die Solidarität mit den Beamten im Einsatz ungeheuer hoch“.