Hamburg. Drohungen des Kiez-Buchautors wie: „Ich kenne einen Pianisten mit acht Fingern, hört sich scheiße an“, setzten Opfer unter Druck.

Es ist nur ein kleines Buch, doch mit prallem Inhalt und Furcht einflößendem Titel. „Knarre in Hals hilft immer“, nannte Wolfgang M. das schmale Werk, in dem er über sein bewegtes Leben als Geldeintreiber plauderte. Breite Schultern, entschlossen verschränkte Arme und ein finsterer Blick, der signalisiert, dass mit ihm nicht zu spaßen ist: So fixiert der Mann auf dem Cover sein Gegenüber. Es ist gut nachvollziehbar, dass der 64-Jährige sich mit solchem Auftreten bei Schuldnern Respekt verschaffte – und seinen Auftraggebern das gewünschte Geld.

Heute dagegen bewegt sich der 64-Jährige sehr vorsichtig, wird von einer Begleitung zu seinem Platz geführt. An dem Kragen seines eng sitzenden T-Shirts ist das gelbe Blindenzeichen mit den drei schwarzen Punkten befestigt, seine Augen sind von einer tiefschwarzen Brille verdeckt. Und doch wollte der Mann, den sie in der Szene „Opa Wolle“ nannten, vor knapp einem Jahr offenbar noch einmal zeigen, dass er es immer noch drauf hat und Menschen ihr Geld verschaffen kann.

„Ich kenne einen Klavierspieler mit 8 Fingern. Hört sich scheiße an!“

Nur, dass er dabei weit über das Ziel hinausgeschossen und einem Mann massiv gedroht haben soll. Wegen versuchter Nötigung muss sich der Hamburger mit dem rasierten Schädel und dem markanten Schnauzbart jetzt vor dem Amtsgericht verantworten. Ein 78 Jahre alter Geschäftsmann ist wegen Anstiftung angeklagt. Laut Staatsanwaltschaft hat der Unternehmer im August vergangenen Jahres den Geldeintreiber damit beauftragt, eine Forderung über 600.000 Euro bei einem Schuldner durchzusetzen.

Dabei habe er die Memoiren des 64-Jährigen gekannt und in Kauf gekommen, dass M. dem Mann massiv drohen werde, so die Anklage weiter. M. soll dem Schuldner eine Ausgabe seines Buches in den Briefkasten gesteckt haben, ergänzt mit handschriftlichen Notizen, darunter unter anderem: „Der Kluge zahlt seine Schulden durch einen Vergleich! Der Dumme mit seinem Leben!“ und „Ich kenne einen Klavierspieler mit 8 Fingern. Hört sich scheiße an!“

Geldeintreiber zeigt sich einsichtig

Der Geldeintreiber, der zuletzt als Fensterputzer arbeitete und mittlerweile Rentner ist, schildert, er sei seinerzeit von einem Mitarbeiter des Geschäftsmannes kontaktiert worden. „Es hieß, er sei um 600.000 Euro beschissen worden.“ Das Geld wolle der Mann möglichst zurück haben. Vereinbart sei gewesen, so M., dass er zwanzig Prozent der Summe, die er eintreiben kann, als Honorar bekommen sollte. „Das ist viel Geld für einen armen Rentner.“

Der Geschäftsmann habe ihm jedoch sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass er dem Schuldner nicht drohen dürfe. „Ich durfte ihm nicht eine Bombe unters Auto legen oder so. Aber ich sagte: Das geht auch anders. Ich habe den Ruf gehabt, dass ich den bösen Blick habe. Das ist wohl heute nicht mehr so.“ Um sich dennoch den nötigen Respekt zu verschaffen, habe er dem Mann schriftlich gedroht. Es tue ihm leid, dass der Schuldner daraufhin gesundheitlich stark beeinträchtigt war und sogar ins Krankenhaus musste. „Ich wusste nicht, dass der so zart besaitet ist. Ich dachte, wenn einer einem fast 80-Jährigen 600.000 Mark klaut, dass der ein bisschen abgewichster ist.“ Sein Auftraggeber sei zu dem Zeitpunkt schon geschäftlich in Südafrika gewesen. „Der wusste nichts von meinen Schritten. Ich hatte mir vorgestellt, dass ich mich mit dem Schuldner treffe, dass er zahlt, und alle sind glücklich. Im Nachhinein ist mir klar, dass das dumm gelaufen ist mit meinen Sprüchen. Das war eine Grenzüberschreitung.“

Geschäftsmann fühlte sich betrogen

Der angeklagte Geschäftsmann erzählt, das spätere Opfer sei an ihn herangetreten mit dem Ansinnen, dass seine Stiftung bei ihm investiere solle. „Er stellte seine Firma in rosigen Farben dar. Und die Bilanzen erschienen mir ordentlich.“ Also habe er 600.000 Euro gezahlt. „Doch die Geschäfte liefen unglücklich.“ Ihm sei zudem verschwiegen worden, dass die Firma des anderen stark belastet war. Darüber hinaus sei sein Geld offenbar nicht absprachegemäß verwendet worden. „Ich fühlte mich von ihm auf perfideste Art betrogen. Ich war einem Betrüger aufgesessen. Er hat sich auf meine Kosten ein schönes Leben gemacht.“

Mittlerweile bemühe er sich, so der 78-Jährige, auf anderem Weg wenigstens einen Teil seines Geldes zurück zu bekommen. „Ich lasse gerade gewisse Dinge pfänden.“ Ein Zeuge erzählt, es habe Gerüchte gegeben, dass der Schuldner sich nach Italien absetzen wolle. Das habe er als extrem ungerecht empfunden. „Wir reden hier nicht über 5,80 Euro, sondern über sehr viel Geld!“ Beide, der Zeuge und der angeklagte Geschäftsmann, betonen, sie seien davon ausgegangen, dass der Geldeintreiber „sich legal verhalten würde“. Wolfgang M. habe auf ihn mit seinem „markanten Auftreten einen resoluten Eindruck gemacht“, erzählt der 78-Jährige weiter. „Wenn einer Profi ist, muss ich ihm nicht sagen, wie er vorgehen soll. Manche können sich auch ohne Gewalt Respekt verschaffen.“

„Klima der Angst verbreitet“

Nicht Respekt, sondern Angst: Der Mann, dem die Drohungen galten, erzählt, die Briefe seien für ihn so schlimm gewesen, „dass ich zusammengebrochen bin. Meine Ängste waren sehr groß. Ich habe bis heute ein eingeschränktes Leben. In jeder Mitteilung steckte die Botschaft: Es geht um dein Leben.“ Der 64-Jährige habe ihm später auch gedroht, er werde das „der Russen-Mafia übergeben“. Dass er dem Geschäftsmann 600.000 Euro schulde, würde er „bestreiten“, betont der Zeuge. Seine Firma sei mittlerweile insolvent, und er selber lebe von Sozialhilfe.

Am Ende verhängt der Amtsrichter gegen Geldeintreiber M. eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu zehn Euro. Der mitangeklagte Geschäftsmann wird wegen Anstiftung zu 40 Tagessätzen à 500 Euro verurteilt. An den Geldeintreiber gerichtet sagt der Richter: „Sie haben ein Klima der Angst verbreitet.“