Hamburg. Schlägereien vor allem in großen Flüchtlingsheimen. Mehr Beamte erwünscht. Die Polizei fordert, der Senat solle endlich handeln.
Diese Zahl lässt aufhorchen: Rund 2000 Einsätze hat die Polizei 2015 in den Hamburger Zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen (ZEA) verzeichnet, wie aus Senatsantworten auf Kleine Anfragen des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Dennis Gladiator hervorgeht. Dabei wird es 2016 kaum bleiben: Viel spricht dafür, dass es in diesem Jahr noch mehr Polizeieinsätze geben wird, zumal der Senat mit einem ungebrochen hohen Zustrom von Flüchtlingen rechnet. Bis zu 3000 neue Plätze sollen pro Monat zur Unterbringung der Menschen geschaffen werden, überwiegend in den ZEA.
Aktuell hält die Polizei die Lage aber für handelbar. „Einsätze rund um die Unterbringungsorte von Menschen, die aus den unterschiedlichsten Nationen Hamburg als Flüchtling erreicht haben, sind inzwischen Teil unserer täglichen Arbeit. Ungefähr ein Prozent der Gesamteinsätze finden an diesen Unterbringungsorten statt“, sagte Polizeipräsident Ralf Martin Meyer dem Abendblatt. „Das ist eine zusätzliche Belastung, die aber zur Zeit zu bewältigen ist. Wir werden aber sehr genau darauf schauen, wie sich die Flüchtlingssituation weiter entwickelt und darauf reagieren.“
Weiterhin ist Gewalt in den Unterkünften ein Problem, vor allem in den größeren, wie die Senatsstatistik zeigt. Analog zur Belegungsgröße musste die Polizei im Vorjahr besonders häufig in die Unterkünfte am Hörgensweg, an der Schnackenburgallee, der Harburger Poststraße und der Dratelnstraße ausrücken. Allein im Dezember machten Randale, Streitigkeiten und Schlägereien 40 Prozent der 273 gemeldeten Vorfälle aus. Insgesamt 160 mal rückten die Beamten 2015 in die Hamburger ZEA aus, weil sich die Bewohner prügelten, meist untereinander, seltener mit dem Wachpersonal. Derartige Einsätze gelten indes als sehr personalintensiv. So waren bei den Auseinandersetzungen in der ZEA Grellkamp an drei Tagen Mitte Dezember 86 Streifenwagen im Einsatz, die üblicherweise jeweils mit zwei Polizisten besetzt sind.
Massenschlägerei in Flüchtlingsunterkunft im Grellkamp:
Massenschlägerei in Flüchtlingsunterkunft im Grellkamp
Gewerkschaft der Polizei schlägt Alarm
Solche Großeinsätze sind längst kein Einzelfall mehr. Im neuen Jahr krachte es bereits heftig in zwei Erstaufnahme-Einrichtungen. Bei einer Massenschlägerei in der ZEA Kieler Straße gerieten am 5. Januar rund 150 Flüchtlinge aneinander, am Rugenbarg gingen zwei Tage später 300 Bewohner mit Holzlatten und Eisenstangen aufeinander los. In beiden Fällen musste die Polizei mit einem Großaufgebot einschreiten. Am 8. Januar dann rückten 14 Streifenwagen zur ZEA Bargkoppelstieg aus. Dort hatte das Wachpersonal den Zorn der Bewohner heraufbeschworen. Grund für die Aufregung: Es hatte einem Kind das Fahren mit dem Tretroller in einer Halle untersagt.
„So kann es einfach nicht weitergehen“, sagt Horst Niens, stellvertretender Landeschef der Gewerkschaft der Polizei. „Die Aufgaben der Polizei wachsen, man denke nur an die Einbruchsproblematik. Dazu werden an den Flüchtlingsheimen erhebliche Kräfte gebunden, außerdem gibt es generell immer mehr Einsätze im Zusammenhang mit Flüchtlingen. Wir brauchen dringend mehr Personal, sonst kann die Polizei ihren anderen Aufgaben nicht mehr gerecht werden.“ Ähnlich sieht es auch CDU-Innenexperte Dennis Gladiator. „Die zusätzliche Bellastung durch die Einsätze in den Unterkünften, die über alle Monate konstant hoch ist, kann die Polizei nur mit zusätzlichem Personal bewältigen. Der Senat muss endlich handeln, statt die Situation schönzureden.“
Von Januar bis Dezember 2015 sind nach Verteilung in andere Bundesländer auf Basis des „Königsteiner Schlüssels“ 22.299 Flüchtlinge in Hamburg geblieben. Deutlich weniger Flüchtlinge als in den Vormonaten sind im Dezember registriert worden: Von den 3501 erfassten Schutzsuchenden blieben 2168 in der Hansestadt.
Aktuell kommen täglich zwischen 31 und 265 Flüchtlinge in Hamburg an, sagt Christian Martens, Sprecher der Ausländerbehörde. In den ZEA seien gegenwärtig 19.373 Menschen gemeldet. Die durchschnittliche Verweildauer in den ZEA, wo sich auch aufgrund der hygienischen und räumlichen Verhältnisse Spannungen immer wieder gewalttätig entladen, sei wegen der „unterschiedlichen Fallkonstellationen“ nicht zu berechnen, so Martens weiter. Häufig müssten die Bewohner länger dort bleiben, weil in den Folgeunterkünften schlicht kein Platz sei. Martens: „Es befinden sich derzeit 2575 Personen in den ZEAs, die bereits in eine Folgeunterkunft hätten umziehen können, wenn entsprechende Plätze vorhanden wären.“