Vor dem Amtsgericht müssen sich fünf Männer aus der einstigen Spitze des Unternehmens Hansa-Taxi wegen schwerer Untreue verantworten.

St. Georg. Im Saal des Amtsgerichts St. Georg herrscht helle Aufregung, mehr noch: blanke Wut und Unverständnis. Gerade hat das Gericht entschieden, dass auf Antrag der Verteidigung rund 30 Mitglieder der Hansa Funktaxi-Genossenschaft den Saal verlassen müssen – sie kämen nämlich als Zeugen in Betracht. "Das ist doch keine Demokratie“, ruft einer. Es hilft nichts: Wer ein Genosse ist oder war, räumt den Saal.

Davor machen sie ihrem Zorn lautstark Luft. Sie sind gekommen, um zu hören, wie das mit den schwarzen Kassen bei Hansa-Taxi gelaufen ist. Drei Ex-Vorstände des Unternehmens und zwei Subalterne stehen deshalb seit gestern wegen schwerer Untreue vor Gericht.

Auf sie richtet sich der Zorn der Taxifahrer: fünf Herren reiferen Alters. Sie sollen laut Staatsanwaltschaft ein System "schwarzer Kassen“ etabliert und so rund 230.000 Euro veruntreut haben. Der Vorwurf richtet sich vor allem gegen die einstige Spitze von Hansa-Taxi: Rolf H., 68, Manfred G., 62, und den inzwischen zum Konkurrenz-Unternehmen TaxiRuf 666 666 gewechselten Ex-Vorsitzenden Jürgen K., 55. Ihm allein werden 211 Einzelakte zur Last gelegt. Günther J., 70, und Herbert M., 65, sollen das illegale System unterstützt haben, indem sie Blankorechnungen aus der Buchhaltung beschafften. Diese sogenannten "weißen Zettel“ unterschrieben auf Verlangen der Angeklagten rund 20 Taxi-Unternehmer – Scheinrechnungen über Dienstleistungen, die tatsächlich nie erbracht wurden. Mal stellten sie eine fiktive Büroarbeit in Rechnung, mal das Verteilen von Werbeflyern. Für diesen Dienst seien die Genossen mit der Mehrwertsteuer des Rechnungsbetrags entlohnt worden. Der Rest soll in die schwarzen Kassen geflossen sein. Das Geld diente laut Anklage vor allem der Bestechung von Hotelmitarbeitern – damit die auch wirklich nur bei Hansa-Taxi Wagen für ihre Gäste bestellten.

Zwar habe das Schmieren der Hotelmitarbeiter, intern "Motivationshilfe“ genannt, Hansa-Taxi womöglich einige Aufträge beschert. Doch was, fragen viele Genossen, ist mit den 53.000 Euro, deren Verbleib nach dem Kassensturz der Staatsanwaltschaft völlig unklar ist? Nicht wenige glauben, dass die Angeklagten das Geld in die eigene Tasche gesteckt und ihr illegales Tun eben nicht nur zum Wohle des Unternehmens eingesetzt haben. "Sie haben uns das Geld aus der Tasche geklaut, das ist ein Vertrauensbruch“, sagt ein Genosse, der seinen Namen nicht nennen möchte. Jahrelang habe die Genossenschaft durch das System der schwarzen Kassen Minus gemacht – das Defizit mussten die Hansa-Taxi angeschlossenen 430 Genossen mit ihrem eigenen Geld ausgleichen. "Die Angeklagten haben die Genossenschaft über Jahre hinweg moralisch und wirtschaftlich ruiniert“, sagt Taxifahrer Jörn Napp.

Angeklagt sind 220 Fälle zwischen 2004 und 2008, Altfälle aus den 80er-Jahren sind verjährt. Der Fiskus hat drei Verantwortliche bereits Mitte 2009 zur Rechenschaft gezogen. Jürgen K. wurde zu 21.450 Euro Geldstrafe verurteilt, Rolf H. zu 13.200 Euro, Manfred G. musste 4350 Euro zahlen. Damit hätten sie ihre strafrechtliche Schuld bereits abgegolten, argumentiert die Verteidigung und stellt einen Antrag auf Strafklageverbrauch. Den weist das Gericht zurück. "Das Steuerstrafverfahren muss streng unterschieden werden vom Errichten der schwarzen Kassen“, sagt der Vorsitzende.

Den Fall ins Rollen brachte 2008 der ebenfalls angeklagte Taxi-Unternehmer Herbert M. durch eine Selbstanzeige. "Ich wollte Klarheit schaffen, damit die Genossenschaft wieder sauber arbeiten kann", sagt er vor dem Gerichtssaal. Er ist der einzige, der gestern zur Sache aussagen will. Doch weil hinter verschlossenen Türen eine Einigung der Prozessbeteiligten scheitert, wird die Verhandlung zunächst ausgesetzt. Ende Juni soll der Prozess neu aufgerollt werden, zahlreiche Zeugen sollen dann gehört werden – das Gericht ist zuversichtlich, Weihnachten ein Urteil verkünden zu können.