Ein Lastwagenfahrer starb, ein Zugführer wird dafür bestraft. Im Prozess werden aber auch Fragen nach einer Verantwortung der Bahn laut.

Niebüll. Der Sturm wehte im September einen Lastwagen vom Autozug nach Sylt, und der Fahrer starb - weil der Zugführer das Fahrzeug nicht ordnungsgemäß mit Spanngurten gesichert hatte. Der Mann wurde am Mittwoch vom Amtsgericht Niebüll wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Er habe „eine Hauptpflicht seiner Arbeit verletzt, eine Hauptpflicht von hoher Verantwortung“: die Aufgabe Leib und Leben zu schützen, sagte der Richter.

Dreh- und Angelpunkt der Verhandlung war die Beladeanweisung der Deutschen Bahn für den Autozug „Sylt-Shuttle“ und die Frage, ob der Angeklagte, der seit April 2008 Zugführer der Autozugs war, sie richtig befolgt hat. In der Anweisung heißt es in der bei dem Unglück gültigen Version von Mai 2005, ab Windstärke 6 müssten leere Anhänger und solche mit weniger als zwei Tonnen Ladung zusätzlich mit Spanngurten gesichert werden. Die Ladung des Unglücks-Lastwagens wog knapp 1,5 Tonnen.

Rückblende: Am 3. September 2009 hatte der angeklagte Zugführer Dienst und war für das Beladen des Zuges nach Sylt verantwortlich. Er habe den 32-Jährigen gefragt, ob der Anhänger beladen sei, verlas der Angeklagte eine Erklärung. „Der Fahrer antwortete „Voll beladen“. Daher ging ich davon aus, dass nicht zusätzlich gesichert werden müsste.“ Er sei überzeugt, dass der Mann seine Frage richtig verstanden und gewusst habe, warum er frage.

Um 14.46 Uhr verließ der Autozug den Bahnhof Niebüll, um 15.08 Uhr erfasste ein Windstoß auf dem Hindenburgdamm den mit leichten Dämm-Material beladenen Anhänger des Lastwagens. Er kippte links von dem einstöckigen Waggon und zog das Zugfahrzeug hinter sich her. Der Fahrer stürzte in die Nordsee.

„Ich sah den blutenden Schwerverletzten im Wasser“, schilderte der 22 Jahre alte Angeklagte sichtlich mitgenommen. „Ich versuchte ihn aus dem Wasser zu ziehen und Erste Hilfe zu leisten.“ Erfolglos. Um 16.32 Uhr starb der Mann auf dem Weg nach Sylt an seinen schweren Kopfverletzungen.

Das Verhalten des Angeklagten nach dem Unglück wurde auch von der Nebenklage als tadellos angesehen. „Die Eltern haben Hochachtung vor dem Rettungsversuch“, sagte der Anwalt der Mutter. Allerdings habe er seine Kernpflicht bei der Sicherung des Fahrzeugs verletzt.

Der Anwalt sah aber auch eine gewisse Schuld bei der Bahn. „Ich halte das Regelwerk der Deutschen Bahn für unzureichend.“ Es fehle eine klare Anweisung, wie das Gewicht der Lastwagen und Anhänger festgestellt werden müsse. Zudem habe es die Bahn versäumt, den Angeklagten zeitnah zu befragen, wie es zu dem Unglück kommen konnte. Ein Bahnsprecher wollte sich mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht äußern.

Auch der Richter merkte an, dass es „gewisse Mängel“ an der Vorschrift gegeben habe und sie eindeutiger formuliert sein müsste. Aber: Der Angeklagte habe gewusst, was gemeint sei und er sei verpflichtet gewesen, nach dem Gewicht des Anhängers zu fragen. „Das ist keine unzumutbare Sorgfaltspflicht“, sagte der Richter. Er hätte aus der Antwort des Fahrers nicht den Schluss ziehen dürfen, die Ladung wiege mehr als zwei Tonnen.

Der junge Angeklagte wirkte während der Verhandlung unglücklich und auch ein bisschen überfordert mit der Situation. Die meiste Zeit schaute er auf seine Hände, manchmal auch zu der Mutter des Toten, die ihm als Nebenklägerin gegenüber saß. „Um ehrlich zu sein, es geht mir sehr schlecht“, sagte er. „Die Bilder verfolgen mich.“ Die Verteidigerin forderte einen Freispruch. Sie kündigte nach der Urteilsverkündung an, in Berufung zu gehen.