Hamburg. Er saß lange für sie in der Bürgerschaft. Jetzt tritt Kai Voet van Vormizeele aus und rechnet hart mit der CDU in Bund und Hamburg ab.
Er saß elf Jahre für die CDU in der Hamburger Bürgerschaft und hatte dort wichtige Positionen inne, etwa die des innenpolitischen Sprechers. Nun aber hat der mittlerweile 62 Jahre alte Kai Voet van Vormizeele seiner Partei den Rücken gekehrt. In einem bei Facebook von ihm veröffentlichten Schreiben an die CDU geht er hart mit der Führung der Partei im Bund und in Hamburg ins Gericht.
„Genug ist genug!“, schreibt der langjährige Christdemokrat zu Beginn seines Posts. „Ich habe ein wesentliches Kapitel meines Lebens jetzt beendet.“ Und danach veröffentlicht er auf seiner Facebook-Seite das Austrittsschreiben an die CDU, mit dem er seine Mitgliedschaft in der Partei zum 31. Dezember 2024 kündigt.
Hamburger CDU-Politiker schreibt Wutbrief und verlässt Partei
„Nach über 46 Jahren Mitgliedschaft in der Hamburger CDU habe ich mich jetzt zu diesem Schritt entschlossen. Dieses Ende fällt mir nach einer so langen Zeit selbstverständlich schwer“, so van Vormizeele. „Aber eine kritische Bestandsaufnahme der Übereinstimmungen zwischen den Auffassungen, die derweilen sowohl von der Bundes-CDU als auch von einigen Hamburger Protagonisten der Partei vertreten werden und meinen politischen Überzeugungen zeigen, dass das Maß an Übereinstimmungen so gering ist, dass eine weitere Mitgliedschaft keinen Sinn macht.“
Er bekenne sich „weiterhin mit einem gewissen Stolz zu den Werten einer liberalen Großstadt-CDU, wie wir sie in dem ersten Jahrzehnt dieses Jahrtausends vertreten und in praktische Politik umgesetzt haben“, schreibt VVV, wie er bisweilen intern abgekürzt wurde. „Von diesen politischen Leitzielen ist nicht mehr viel übrig geblieben. Ein Bundesvorsitzender nebst einem Generalsekretär, der eher die neoliberalen Thesen der FDP vertritt. Hamburger Kandidaten für den Bund, die nicht müde werden, das Geschäft der ultrakonservativen Kreise zu betreiben, ohne auch nur einen Ansatz für die Lösungen der aktuellen Probleme unserer Gesellschaft aufzuzeigen, sind nicht geeignet die Herausforderungen der nächsten Jahre zu lösen.“
AfD Hamburg: „CDU biedert sich deren Wählerpotenzial an“
Solange die CDU „nur nach wohlfeiler öffentlicher Zustimmung heischt“, werde sie „vielleicht das konservative Wählerpotenzial kurzfristig befriedigen, aber sie gewinnt keine Fähigkeit und Glaubwürdigkeit hinsichtlich der Lösungskompetenz für die zukünftigen Herausforderungen unserer Gesellschaft“, so van Vormizeele. „Dies gilt besonders für eine antiquierte Verkehrspolitik, die sich nicht an der Realität orientiert, sondern an ideologischen Kämpfen für eine autogerechte Stadt.“
Aber auch „die immer wieder sichtbaren Versuche, sich dem Wählerpotenzial der AfD anzubiedern“, seien für ihn „weit außerhalb des Vertretbaren“, so seine Einschätzung. „Wenn Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete einem rechtspopulistischen Magazin wie „NIUS“ ein Interview geben und dies anschließend mit den Grundwerten der Union begründen, stelle ich fest, dass die offizielle Auffassung über die Interpretation der Grundwerte und meine derweilen unüberbrückbar verschieden sind.“ Gleiches gelte „für die gebetsmühlenartigen Forderungen der Bundes-CDU, das Bürgergeld müsse nach den Wahlen abgeschafft werden“.
Zuspruch für CDU-Aussteiger aus der SPD und von den Grünen
Als ehemaliger Geschäftsführer „eines der größten Beratungszentren für arbeitslose Menschen“ könne er „diese Aussagen nur als Unkenntnis der Realität unseres Landes oder aber bewussten Populismus ansehen“, so van Vormizeele, der von 2004 bis 2015 für die CDU in der Bürgerschaft saß, also sowohl die Zeit der absoluten CDU-Mehrheit unter Bürgermeister Ole von Beust, als auch das schwarz-grüne Bündnis politisch mitgestaltet hat. „Nach langer Abwägung“ dieser und anderer Themen, „habe ich für mich festgestellt, dass die CDU nicht mehr meine Partei ist, und ich ihr auch nicht zutraue, die Zukunft und ihre Probleme zu bewältigen“, so der Schlusssatz des enttäuschten Christdemokraten.
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Unter dem Posting kommentierte SPD-Finanzsenator Andreas Dressel: „Respekt“ und „Viel Wahres dran.“ Die Hamburger Grünen-Bundestagsabgeordnete Linda Heitmann schrieb: „Einerseits verständlich, andererseits schade. Denn aus meiner Sicht bräuchte die Union Menschen wie Dich gerade jetzt dringender als je zuvor! *seufz*“
CDU Hamburg: Auch Ex-Parteichef Marcus Weinberg hatte die Partei verlassen
Bereits im Sommer hatte auch der frühere Parteichef, Bundestagsabgeordnete und Bürgerschafts-Spitzenkandidat Marcus Weinberg die CDU verlassen. Auch er gehörte, wie van Vormizeele, dem liberalen Flügel der Partei an. Er hatte ebenfalls scharfe Kritik an der Entwicklung der Partei auch in Hamburg geäußert.