Hamburg. CDU wirft Wirtschaftspolitikerin Mojadeddi Antisemitismus vor und beruft Ältestenrat ein. Ergebnis: ein Ordnungsruf. Das hat sie gesagt.

Eine Grünen-Abgeordnete hat am Dienstag in der Bürgerschaft für einen Eklat und für eine lange Sitzung des Ältestenrates des Hamburger Landesparlaments gesorgt. Auf der Tagesordnung der aktuellen Haushaltsdebatte hatte gerade der Etat der Wirtschaftsbehörde gestanden. Aber die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen, Zohra Mojadeddi, sprach in ihrer Rede zur Überraschung der Abgeordneten zu einem ganz anderen Thema.

Deutschland trage als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt eine grenzübergreifende Verantwortung, begann die in Afghanistan geborene Volkswirtin. „Ob Ukraine, Israel, Afghanistan, Iran oder Syrien“, so Mojadeddi. „Diese Konflikte sind untrennbar mit unserem eigenen Leben verbunden. Doch auch das unermessliche Leid der Menschen in Gaza fordert unsere Aufmerksamkeit und unser Mitgefühl. Gerade in der besinnlichen Zeit der Weihnacht, einem Fest, das ohne die Geschichte dieser Region unvorstellbar gewesen wäre.“

Palästina und Israel: Hamburger Grüne spricht in Bürgerschaft von „Vernichtungskrieg“ in Gaza

Die Würde des Menschen sei unantastbar, und dies gelte auch für die Palästinenserinnen und Palästinenser, so die Grünen-Politikerin weiter. Es gehe dabei auch um das Bild Deutschlands in der internationalen Gemeinschaft, und dieses Bild leide derzeit massiv. „Mir ist bewusst, dass meine Rede heute meine Zukunft, meine Reputation, meine Karriere oder sogar mein Leben gefährden kann“, sagte Mojadeddi. „Doch wie kann ich meinen Kindern Zivilcourage vermitteln, wenn ich nicht den Mut habe, meine Stimme für den Frieden in Gaza und der Westbank zu erheben und mich gegen einen Vernichtungskrieg auszusprechen.“

An dieser Stelle erhob sich massiver Unmut im Auditorium, aber Mojadeddi betonte: „Unser Schweigen kann zum Komplizen des Unrechts werden. Lassen Sie uns ein starkes Zeichen setzen für den Frieden und für Menschlichkeit in Palästina.“ Nun schaltete sich Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) ein und forderte die Grünen-Abgeordnete auf, zum eigentlichen Thema, dem Wirtschaftsetat, zu sprechen.

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Mojadeddi aber setzte fort: „Das ,nie wieder‘ ist eine Mahnung, es gilt für uns alle, für alle Menschen, auch für die Palästinenser. Ich wünsche Ihnen eine besinnliche und friedvolle Zeit mit Ihren Liebsten. Und bitte vergessen Sie nie: Jesus war auch nur ein Flüchtling.“ Danach verließ sie das Rednerpult.

Hamburg: AfD und CDU werfen Grünen-Politikerin Antisemitismus vor

Nach dieser Rede äußerten mehrere Abgeordnete ihren Unmut über die Äußerungen der Grünen. Der AfD-Abgeordnete Krzysztof Walczak betonte, dass der „Vernichtungskrieg“ von der Hamas „ausgelöst“ worden sei, nicht von Israel. Schließlich trat der Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen ans Rednerpult, distanzierte sich von den Aussagen seiner Parteifreundin und entschuldigte sich für seine Fraktion. Gleichwohl forderte CDU-Fraktionschef Dennis Thering danach eine Sitzung des Ältestenrates. Der besteht aus „der Präsidentin, den vier Vizepräsidentinnen und -präsidenten sowie weiteren von den Fraktionen zu benennenden Mitgliedern“ und tritt auch bei Streitfällen zusammen.

„Es ist ein Skandal und eine ungeheuerliche Entgleisung, dass eine Abgeordnete der Grünen in der heutigen Bürgerschaftssitzung eine geplante antisemitische Äußerung von sich gibt“, sagte Thering dem Abendblatt. „Wer das Vorgehen Israels gegen die Hamas mit einem Vernichtungskrieg gegen ein ganzes Volk gleichsetzt, hat aus der deutschen Geschichte nichts gelernt. Die Äußerung ist durch nichts zu entschuldigen und war von der grünen Abgeordneten in einer vorgefertigten Rede geplant. Kein Platz für Antisemitismus darf keine leere Phrase sein. Ich verurteile die Äußerung der grünen Abgeordneten auf das Schärfste.“

Bürgerschaft Hamburg: Parlamentspräsidentin erteilt nachträglichen Ordnungsruf

Der Ältestenrat tagte dann erstaunlich lange, sodass die Haushaltsdebatte wohl insgesamt für fast eine halbe Stunde unterbrochen war. Danach erteilte Parlamentspräsidentin Veit der Grünen-Wirtschaftspolitikerin Mojadeddi einen nachträglichen Ordnungsruf. Sie begründete dies aber nicht mit deren Wortwahl, sondern damit, dass die Abgeordnete nicht zum Thema gesprochen habe. Zugleich betonte Veit, es müsse natürlich auch in Landesparlamenten möglich sein, über den Nahostkonflikt zu sprechen, hier habe aber etwas anderes auf der Tagesordnung gestanden.

Ob ihre Rede für Zohra Mojadeddi auch in der Grünen-Fraktion Konsequenzen hat, war zunächst unklar. Zuletzt hatte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International Israel einen „Völkermord“ in Gaza vorgeworfen und war dafür teils scharf kritisiert worden. Ausgangspunkt des aktuellen Krieges in Gaza war ein barbarischer Überfall der palästinensischen Terrororganisation Hamas auf Israel im Oktober 2023, bei dem mehr als 1100 Menschen getötet und mehr als 200 entführt wurden.