Hamburg. Die Haushaltsdebatte wird zur Generalabrechnung der Opposition und für Gegenangriffe der Regierenden genutzt. Und es gibt überraschende Vorschläge.
Stimmt: Das Wort „Haushaltsdebatte“ klingt nicht gerade sexy. Und doch zählen die Redeschlachten in den drei Tagen, an denen die Hamburger Bürgerschaft wie auch jetzt ab Montag über die Milliardenausgaben der kommenden beiden Jahre entscheidet, oft zu den interessantesten und unterhaltsamsten des Jahres. Denn hier rechnet die Opposition generell mit der Regierungspolitik ab, und die verteidigt ihren Kurs.
Es geht also um die großen Linien der Politik bei Verkehr, Wirtschaft, Sicherheit oder Wohnungsbau. Und diesmal geht es beim Doppelhaushalt für die Jahre 2025/26 auch um so viel Geld wie nie zuvor: Fast 44 Milliarden Euro sollen in den verschiedenen Ressorts ausgegeben werden, fast sieben Milliarden mehr als im Doppelhaushalt 2023/24.
Hamburger Bürgerschaft streitet um 44 Milliarden Euro: überraschende Vorschläge in Haushaltsdebatte
Den Auftakt der dreitägigen Debatte machte auch diesmal traditionsgemäß der Oppositionsführer. CDU-Fraktionschef Dennis Thering ging dabei hart ins Gericht mit dem rot-grünen Senat, warf ihm etwa den „vermurksten Umzug der Staatsanwaltschaft in das Michaelisquartier“ vor, das „teure Hin und Her bei der neuen Köhlbrandbrücke“ oder die Probleme beim „Haus der Erde“.
Er kritisierte den „beispiellosen Abstieg“ des Hamburger Hafens und den „schlechten Deal“ des Teilverkaufs der HHLA an MSC. Die Verkehrspolitik von SPD und Grünen lasse „die Wirtschaft im Stau stehen“, sagte Thering. Zudem habe Rot-Grün seit 2020 mehr als 4100 Parkplätze abgebaut, während im selben Zeitraum 20.000 Pkw in Hamburg hinzugekommen sei.
Köhlbrandbrücke und Autobahnen bald privat finanziert?
Der CDU-Fraktionschef und Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl aber legte auch eigene Vorschläge vor, wie er die Lage in Hamburg verbessern will. So forderte er einen raschen Bürokratieabbau, eine schnellere Digitalisierung der Verwaltung. Hamburg solle Innovationshauptstadt werden, „die Anmeldung von Gewerbe soll nach dem Vorbild Estlands innerhalb einer Arbeitswoche möglich werden“, so Thering. Baugenehmigungen sollten auch mithilfe externer Dienstleister schneller erteilt werden.
Große Infrastrukturprojekte wie Köhlbrandbrücke oder A26 Ost müssten zügiger vorangetrieben werden, so Thering. „Vor allem darf der Bau dieser wichtigen Infrastruktur nicht am fehlenden Geld scheitern. Deshalb setzen wir als CDU Hamburg uns dafür ein, dass diese Infrastrukturprojekte zukünftig mithilfe von privaten Kapitalgebern realisiert werden.“ Diese könnten „im Gegenzug Anteile an den Lkw-Maut-Einnahmen oder regelmäßige Zahlungen der staatlichen Projektträger erhalten und im Gegenzug Aufsichts- und Kontrollrechte ausüben“.
Polizei Hamburg: CDU fordert mehr Geld für die Sicherheit
Es müsse mehr in Polizei und Verfassungsschutz investiert werden, so Thering. In Sachen Verkehrspolitik forderte der CDU-Fraktionschef den Bau von Quartiersgaragen und die Wiedereinführung der Stellplatzpflicht beim Wohnungsbau. Intensiv kümmern will sich die CDU laut Thering um Familien.
Spielplätze sollen in Ordnung gebracht werden, die kostenfreien Kitabetreuungszeiten sollen ausgeweitet werden und ein „flexibles zusätzliches Jahr in der Grundschule“ soll eingeführt werden. Zudem will die CDU die Grunderwerbssteuer absenken, um Familien den Grunderwerb zu erleichtern.
„Hamburg braucht neuen Schwung und neue Impulse“, so Therings Fazit. „Ich wünsche mir ein Hamburg, das wieder sein volles Potenzial entfaltet.“
Sport, Schulen, Kultur: Hamburg gibt deutlich mehr Geld aus
SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf watschte Thering in seiner Gegenrede gleich im ersten Satz ab. „Die Hamburgerinnen und Hamburger würden sich einen Oppositionsführer wünschen, der mit Inhalten und nicht mit Unterstellungen in die Debatte geht“, sagte Kienscherf. Und griff dann gleich Therings Vorschlag auf, den Bau von Infrastruktur zu privatisieren. „Sie haben als CDU die Hamburger Immobilien verramscht, das wollen die Hamburger nicht“, so Kienscherf.
Unter Rot-Grün habe die Stadt 1,3 Milliarden Euro in Sportanlagen investiert, der Kulturetat steige, es gebe 20 Millionen Euro für die Clubszene und zehn Millionen mehr für die Filmförderung. Es seien seit 2011 mehr als 1200 Schulgebäude saniert und 600 Gebäude neu gebaut worden.
Die Stadt investiere wie nie zuvor in den Ausbau des Schnellbahnsystems, sie erhöhe die Förderung für den sozialen Wohnungsbau und sorge dafür, dass Hamburg auch wirtschaftlich eine starke Stadt bleibe. „Der von Rot-Grün vorgelegte Doppelhaushalt ist ein kraftvoller Zukunftsplan für die Menschen in Hamburg – für ihr Engagement, ihre vielfältigen Ideen und den sozialen Zusammenhalt in unserer Stadt“, so Kienscherf.
Grüner: „Wenn ich ein Auto wäre, würde ich CDU wählen“
Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen wies darauf hin, dass auch Hamburg durch die Krisen wie Corona und den Ukrainekrieg schwer betroffen sei. Dennoch sei es gelungen, „einen soliden Haushalt“ vorzulegen mit „massiven Zukunftsinvestitionen, die den Alltag der Menschen in unserer Stadt spürbar verbessern werden“.
Während die Hauptstadt bei der Kulturszene einen Kahlschlag plane, stärke Hamburg mit vielen Millionen Euro die Kunst- und Kulturszene, etwa die Hamburger Clubs und den Filmstandort. Auf die Kritik von CDU-Fraktionschef Thering an der Verkehrspolitik sagte Lorenzen: „Wenn ich ein Auto wäre, würde ich CDU wählen, ich bin aber kein Auto, und wir machen Politik für Menschen und nicht für Autos.“
Linken-Fraktionschefin Cansu Özdemir legte in ihrer Rede den Finger in eine gern übersehene Wunde: Der Wohlstand in Hamburg ist recht ungleich verteilt. Während 40.000 Millionäre in der Stadt wohnten, lebe jeder fünfte Rentner bzw. jede fünfte Rentnerin in Armut oder sei von Armut bedroht, so Özdemir. Bei den Kindern sei jedes vierte von Armut betroffen oder bedroht.
AfD Hamburg: Jungfernstieg ist unter Rot-Grün zu einem „Sperrgebiet“ geworden
Während in Nienstedten die durchschnittlichen Jahreseinkommen bei mehr als 130.000 Euro lägen, verdienten die Menschen auf der Veddel durchschnittlich weniger als 30.000 Euro pro Jahr. „Wenn Armut und absurder Reichtum nebeneinander wachsen, gefährdet das die Demokratie“, sagte Özdemir. Um hier mit nötigen Investitionen gegenzusteuern, müsse die Schuldenbremse abgeschafft werden.
AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann sagt, es habe selten einen „so rückwärtsgewandten Haushalt“ gegeben. Es würden hier Wohltaten auf Kosten der Steuerzahler verteilt. Zugleich wachse die Kriminalität wie in der Zeit 1997 bis 2001. Der Hauptbahnhof sei wieder Kriminalitätsschwerpunkt, und der Jungfernstieg sei ab Einbruch der Dunkelheit mittlerweile ein „Sperrgebiet“, so Nockemann in Richtung Erstem Bürgermeister. „Das ist unter Ihrer Regierung aus der Flaniermeile geworden, Herr Dr. Tschentscher.“
Bürgermeister Peter Tschentscher zeichnete in seiner Rede dann ein ganz anderes Bild der Stadt. „Im Bund und in den meisten Ländern werden nach den Krisen der letzten Jahre wieder hohe Schulden gemacht“, sagte Tschentscher.
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„Staatliche Leistungen und Investitionen werden zurückgefahren, Personal eingespart, in der Kultur gekürzt und das Nahverkehrsangebot eingeschränkt. Das ist in Hamburg anders. Wir haben Schulden abgebaut, sichern das hohe Niveau der städtischen Daseinsvorsorge, stärken Bildung, Wissenschaft und Kultur, verbessern die innere Sicherheit und investieren in Rekordhöhe von sechs Milliarden Euro in die Infrastruktur und Modernisierung unserer Stadt. Das ist in konjunkturell schwierigen Zeiten ein starker Wachstumsimpuls für die Wirtschaft und macht Hamburg fit für die Zukunft.“
Hafen Hamburg: Bürgermeister betont mehrfach seine große Bedeutung für die Stadt
Dabei betonte Tschentscher besonders intensiv und mehrfach die große Bedeutung des Hafens für die Stadt, verwies auf den Ausbau der Schulen und Kitabetreuung und unterstrich die wichtige Rolle der Kultur, für die es künftig ebenfalls mehr Geld gebe. Auch durch die Stärkung der Polizei sei Hamburg eine der sichersten Millionenmetropolen Europas.
„Hamburg liegt in vielen Bereichen im Spitzenfeld in Deutschland und gilt als eine der erfolgreichsten Städte in Europa“, so das Fazit des Bürgermeisters. „Dafür müssen wir weiter hart arbeiten und dafür brauchen wir einen Haushalt, der die richtigen Schwerpunkte setzt, damit Hamburg eine Stadt bleibt, in der auch in Zukunft alle gut und sicher leben können.“
Bis Mittwoch werden die Abgeordneten nun über die Etats der einzelnen Behörden debattieren. Beschlossen wird der Hamburger Haushalt für die kommenden zwei Jahre dann am Mittwochabend.