Hamburg. Ein Hamburger Verein setzt sich für eine Kindheit ohne privates Smartphone und Social Media ein. Ärztinnen erklären, was dafürspricht.
Natürlich würde diese Frage irgendwann kommen: Wann kriege ich ein Handy? Doch bevor Verena Holler ihrem ältesten Sohn eine Antwort gab, erkundigte sie sich bei der Familie seines besten Freundes, die schon ältere Kinder hatte. Und siehe da: Die hatten erst mit 14 ein eigenes Smartphone bekommen.
„Ich fand das sehr plausibel und konnte dann die Antwort geben: Du, wir machen es so wie die Familie deines Freundes und eben nicht wie andere Familien. Und damit war dann auch das Thema erst mal vom Tisch“, erzählt Verena Holler im Podcast „Die KinderDocs“.
Handy erst ab 14? Hamburger Verein will Kindern „Kindheit zurückgeben“
Doch nicht alle Kinder hätten das Glück, sich bei dem Thema auf Freunde stützen zu können. Viele müssten vielmehr fürchten, ohne Smartphone zum Außenseiter zu werden – entsprechend groß sei der Druck auf die Eltern. Für die Hamburger Juristin Holler und drei gleichgesinnte Mütter war das vor fünf Jahren der Anstoß, den Verein Smarter Start ab 14 zu gründen.
Ziel ist, Eltern dabei zu unterstützen, private Smartphones aus dem Unterricht zu verbannen und die Kinder vor übermäßigem Medienkonsum zu schützen. An mehr als 500 Schulen gebe es bereits solche Communitys: Eltern, die sich zu Gruppen zusammengeschlossen hätten. Der Verein dient ihnen dabei als organisatorische Plattform und versorge sie mit Informationen zum Thema.
Verena Holler möchte „den Kindern ein Stück Kindheit zurückgeben“. Denn die sei zu kurz, „um sie an ein Smartphone zu verschwenden“. Verbrächten Kinder viel Zeit am Handy, fehlten ihnen Erfahrungen, die unwiederbringlich und für ihre weitere Entwicklung elementar seien. Hinzu kämen die Gefahren, denen Minderjährige im Internet und durch Social Media ausgesetzt seien.
Dass ohne eigenes Smartphone Medienkompetenz verloren gehe, lässt Holler nicht gelten. Vielmehr sei es wichtig, dass Eltern als Vorbild wirken und Kinder auf die Nutzung vorbereiten – Motto: erst smart, dann Phone. „Wir setzen Kinder ja auch nicht allein vor den Fernseher und sagen: Klick dich mal durch, was für dich geeignet ist.“
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Wie wichtig eine Begleitung durch Erwachsene ist, streicht die Hamburger Kinderärztin Claudia Haupt heraus. Denn Vernunft und Impulskontrolle seien bei Kindern und Jugendlichen aufgrund der Hirnentwicklung noch gar nicht herausgebildet. Sie seien folglich gar nicht in der Lage, ihren Konsum selbst zu regulieren.
Haupts Kollegin Charlotte Schulz verweist darauf, dass etwa beim Spielen im Internet ein Belohnungssystem greife, das dem von substanzgebundenen Süchten ähnelt. Ihr Appell an die Eltern: „Seien Sie bitte selber so vernünftig, und richten Sie die Dinge so ein, dass da Gefahren abgewendet werden.“
Dass Schulen Kinder sogar aufforderten, ihre privaten Geräte mitzubringen (englisch: „Bring your own device“), sieht Verena Holler buchstäblich als Armutszeugnis: „Das liegt letztlich an der chronischen Unterfinanzierung der Schulen.“ In einer aktuellen Petition an die Kultusministerkonferenz fordert der Hamburger Verein nun smartphonefreie Schulen, wie es sie in anderen Ländern bereits gebe.
Verena Holler gehe es nicht darum, digitale Medien und Geräte aus dem Unterricht zu verbannen. Doch sollten die von der Schule gemanagt werden. Auch könnten zu Hause die Geräte der Eltern genutzt werden – allerdings in engen Grenzen. Bei ihrer bald zehnjährigen Tochter hatte es Verena Holler leicht, das Smartphoneverbot durchzusetzen: 80 Prozent ihrer Klasse hätten sich dazu entschieden, bis 14 zu warten.
Wie Kinder auch ohne Smartphone untereinander und mit den Eltern in Kontakt bleiben können, wie der Verein Smarter Start ab 14 arbeitet und warum auch Kinder ein Smartphoneverbot befürworten, erfahren Sie ebenfalls in diesem Podcast.