Hamburg. Zwischen Freude und Angst: So erleben Menschen aus Syrien den Sturz des Assad-Regimes. Was Hamburgs bekanntester Syrer dazu sagt.

Hanna Saliba ist der wohl bekannteste Syrer in Hamburg. Der Gastronom empfängt in einem Nebenraum seines nach ihm benannten Restaurant an den Alsterarkaden. Der kleine Speisesaal ist prächtig ausgestattet, mit grünen Wänden und orientalischem Geschirr auf den Tischen, glänzenden Stoffen und mannshohen Kerzenständern. „Ich wollte einen Raum schaffen, der mich nach Syrien zurückversetzt, um mein Heimweh zu stillen“, erzählt der Mann, der vor mehr als 50 Jahren aus seinem Heimatort Latakia an der syrischen Mittelmeerküste nach Hamburg kam und hier sein Glück fand.

Sein Handy stand in den vergangenen Tagen kaum still. Hanna Saliba, Jahrgang 1950, ist noch eng vernetzt mit seinen Geschwistern und den vielen anderen Verwandten zu Hause in Syrien. Auch viele deutsche Freunde wollen von ihm wissen, wie er die Lage einschätzt, nachdem Syriens Machthaber Baschar al-Assad in der Nacht vom 7. auf den 8. Dezember gestürzt wurde. 80 bis 100 WhatsApp-Nachrichten habe er wohl bekommen, schätzt er.

Syrer in Hamburg: „Froh, dass Pest besiegt ist, und hoffe, dass Cholera ausbleibt“

Die große Freude über die Entwicklung überwiegt die Sorge, wie es nun weitergeht, erzählt er und formuliert es so: „Ich bin froh, dass die Pest besiegt ist, und hoffe, dass die Cholera ausbleibt.“ Die Pest, das ist die Schreckensherrschaft des gestürzten Machthabers Assad. Die Cholera, das wäre ein von islamistischen Fundamentalisten geführter Staat.

Als die Islamisten-Miliz vor rund zwei Wochen begann vorzurücken, befürchtete Saliba „ein Gemetzel wie vor zwölf Jahren“. Dass dies ausblieb, sei dem Militär zu verdanken, das kaum Widerstand leistete – auch weil die Soldaten wie das übrige Volk darunter leiden, dass es zu wenig Lebensmittel, kein Wasser und oftmals keinen Strom gibt und das Assad-Regime nicht mehr verteidigen wollten. Auch wenn seine Verwandten teilweise von Plünderungen und Vandalismus in Syrien berichten: „Die Freude über diesen weitgehend friedlichen Übergang ist riesengroß“, sagt Saliba.

Die Bilder der Menschen, die aus politischen Gründen und teils reiner Willkür jahrzehntelang inhaftiert waren und jetzt aus dem Gefängnis freikamen, haben auch ihn „sehr berührt“. Bei vielen seiner Bekannten und Verwandten in Syrien gibt es aber auch Sorge – „die Angst hat sich nur verlagert und gilt der Gefahr, dass Syrien zu einem islamistisch geführten Staat wird“.

Hanna Saliba hofft, dass Rebellen-Milizen weiterhin moderat bleiben

Hoffnung macht dem Gastronomen, der 1984 in Hamburg sein erstes Restaurant mit syrischen Gerichten öffnete und zeitweise 13 Lokale führte, dass die Rebellen-Milizen derzeit so moderat vorgehen und sprechen. „Es müssen größere Mächte wie die Türkei oder Katar dahinterstecken, die ihnen dies mit auf den Weg gegeben haben“, glaubt er. Hanna Saliba sieht, er hofft auf eine echte Chance für die Demokratie in seinem Heimatland in einer Region, die kein gewachsener Nährboden für Demokratie ist.

Und er setzt auf die große Zahl politischer Oppositioneller, von denen viele im Exil leben, die gebildet seien – Geschäftsleute, Ingenieure, Lehrer etwa – und zum Neuanfang in Syrien beitragen und radikalen Kräften Einhalt gebieten könnten. Auch Flüchtlinge, die zurückkehren würden, wenn sich die Lage stabilisiert hat, könnten westliche Werte mitbringen. „Ich baue darauf, dass sie sich am Aufbau einer neuen Gesellschaft beteiligen werden.“ Hilfe aus dem Ausland und eine schnelle Stabilisierung der Wirtschaft wären dafür wichtig.

Syrien habe vor der Herrschaft der Assads demokratische Traditionen gehabt, an die man nun anknüpfen könne, es habe Jahrhunderte der Toleranz im Miteinander von Religionen und Ethnien gegeben; diese Werte seien in den Syrern verwurzelt. „Die Nähe zu Europa ist eine ganz andere als beispielsweise in Afghanistan“, sagt Saliba. Er selbst kam einst nicht als Flüchtling nach Deutschland, sondern es zog ihn als Seemann hinaus in die Welt, bevor Hamburg sein Heimathafen wurde.

Syrischer Arzt überrascht: „Ich konnte es gar nicht glauben“

So lange lebt Mohammad Alahmad noch nicht an der Elbe. Der Arzt floh vor zwei Jahren aus Syrien nach Hamburg und wartet seitdem hier auf seine Anerkennung. Seit Tagen hat er Nachrichten geguckt, immer wieder Kontakt zu seiner Familie und zu Freunden in Syrien aufgenommen. Dass es dann plötzlich doch so schnell geht und Syriens Machthaber Assad gestürzt wurde, hat den 28-Jährigen trotzdem überrascht. „Ich konnte es gar nicht glauben“, sagt er.

Syrischer Arzt
Der syrische Arzt Mohammad Alahmad lebt seit zwei Jahren in Hamburg. Er hat die letzten Tage „wie im Traum“ erlebt. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Für ihn seien die Ereignisse der letzten Tage wie „ein Traum“ gewesen. Fast zu schön, um wahr zu sein. „Ich hatte Angst, dass ich aufwache und alles beim Alten ist“, sagt Mohammad Alahmad. Erst, als er Sonntag bei der Demonstration am Hauptbahnhof zusammen mit anderen Syrern gefeiert habe, konnte er es richtig glauben.

Wobei Demonstration das falsche Wort sei. „Wir haben nicht demonstriert, sondern gefeiert, getanzt und gesungen. Vor Freude über das Ende des Assad-Regimes“, sagt Mohammad Alahmad.

Demonstration der Freude: Zahlreiche Menschen feierten am Sonntag auf dem Hachmannplatz am Hauptbahnhof den Sturz von Syriens Machthaber Assad.
Demonstration der Freude: Zahlreiche Menschen feierten am Sonntag auf dem Hachmannplatz am Hauptbahnhof den Sturz von Syriens Machthaber Assad. © dpa | Bodo Marks

So erleben Syrer in Hamburg den Umsturz in Syrien

Trotz aller Freude und Ausgelassenheit, ein bisschen Angst bleiben. „Auch wenn ein großer Schritt getan wurde, so bleibt doch die Ungewissheit: Wie geht es jetzt weiter? Was wird die neue Regierung tun?“, so der Arzt. Er kommt aus der syrischen Stadt al-Hasaka im Nordosten des Landes, die seit Jahren besetzt und unter Kontrolle der demokratischen Kräfte Syriens (SDF) ist. „Niemand weiß, wie es dort jetzt weitergeht. Wird man sich dort dem neuen Regime beugen oder Widerstand leisten und kämpfen“, sagt der 28-Jährige, der Angst um seine Familie hat, die noch immer dort lebt.

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Er hofft, dass die Teilung Syriens ein Ende hat und das Land wieder vereint wird. Doch das wird Zeit brauchen, da ist er sich sicher. „Und es gibt leider keine Garantie, dass jetzt alles gut wird.“