Hamburg. Hamburger Abgeordnete seit Monaten in Russland. Sie kassiert 5500 Euro monatlich - praktisch für nichts. Jetzt könnte sie Mandate verlieren.

  • Die Abgeordnete aus Hamburg kassiert jeden Monat 5500 Euro an Diäten.
  • Nun könnte es eng werden für Olga Petersen, gegen die in der AfD seit Längerem ein Parteiausschlussverfahren läuft.
  • Fall wird geprüft: Wer nicht in Hamburg seinen Lebensmittelpunkt hat, kann hier keine Abgeordnetenmandate mehr halten.

Mittlerweile sind mehr als fünf Monate vergangen, seit die Hamburger (Noch-)AfD-Politikerin Olga Petersen mutmaßlich mit ihren Kindern nach Russland ausgereist ist. Seither hat die 42-Jährige offenbar nicht mehr an Sitzungen der Bürgerschaft oder der Bezirksversammlung Harburg teilgenommen – obwohl sie in beiden Mandate besitzt. Trotz ihrer Abwesenheit kassiert die Russlanddeutsche aber offenbar weiter ihre Diäten, monatlich je 4448 Euro für das Bürgerschafts- und 1054 Euro für das Harburger Mandat.

Im Sommer hatte Petersen wohl gegenüber den Hamburger Behörden nachgewiesen, dass ihre Kinder in Russland zur Schule angemeldet wurden. Daraufhin hatte die Schulbehörde ein Absentismusverfahren eingestellt, das wegen des Fehlens der drei schulpflichtigen Kinder in ihren Schulen zunächst eingeleitet worden war. Es ist daher wohl davon auszugehen, dass Petersen selbst mittlerweile auch in Russland lebt. Dann allerdings wäre sie nicht mehr berechtigt, ihre Hamburger Mandate zu behalten. Über mehrere Monate hatte es zwar kein offizielles Verfahren zu dem Thema gegeben.

Olga Petersen: Jetzt prüft Landeswahlleiter Oliver Rudolf den Fall der Hamburger AfD-Politikerin

Nun aber könnte es eng werden für die Frau, gegen die in der AfD seit Längerem ein Parteiausschlussverfahren läuft, weil sie ihrer bisherigen Partei offenbar zu rechts und zu putinfreundlich ist. Denn ein Hamburger Bürger, selbst lange bei der AfD aktiv, hat bei Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) beantragt zu überprüfen, ob Petersen angesichts ihrer Abwesenheit noch berechtigt ist, ihre Mandate in Bürgerschaft und Bezirksversammlung zu behalten. Solche Anträge kann nach dem Wahlprüfungsgesetz jeder und jede Hamburger Wahlberechtigte stellen.

Bürgerschaftspräsidentin Veit hat daraufhin nach eigenen Angaben kürzlich den Landeswahlleiter Oliver Rudolf um eine Vorprüfung des Falls gebeten. Dabei dürfte es zentral um die Frage gehen, ob Olga Petersen noch in Hamburg ihren Lebensmittelpunkt hat. Denn wer nicht in Hamburg lebt, ist auch nicht wählbar und kann hier (auch nach Wegzug) keine Abgeordnetenmandate mehr halten.

Bürgerschaftspräsidentin Veit: Abgeordnete sollten sich „regelmäßig blicken lassen“

Auf die Abendblatt-Frage, ob ein solches Verfahren so kurz vor der Bürgerschaftswahl noch lohne, antwortete Veit: „Ein ordnungsgemäß zusammengesetztes Parlament ist zu keinem Zeitpunkt optional. Zudem wäre die Bürgerschaft auch für ein Verfahren bezüglich des Bezirksversammlungsmandates in Harburg gesetzlich zuständig, sodass Klarheit insgesamt angebracht ist. Ich finde es auch nicht zu viel verlangt, dass sich Abgeordnete regelmäßig blicken lassen oder wenigstens die Präsidentin über eine längere Abwesenheit aus gewichtigen Gründen informieren.“

Der Landeswahlleiter Oliver Rudolf bestätigte dem Abendblatt, dass er mit der Vorprüfung beauftragt worden sei. Diese laufe jetzt. Danach werde er der Bürgerschaft berichten. Nach Abendblatt-Informationen kann die Meldebehörde zum Beispiel überprüfen, ob Petersen tatsächlich an ihrer Meldeadresse lebt. Auch könnten Erkenntnisse über die Beschulung ihrer Kinder in die Prüfung einfließen.

AfD Hamburg: Das Parteiausschlussverfahren gegen Petersen läuft weiter

„Wenn das Ergebnis der Vorprüfung vorliegt, wird sich voraussichtlich der Verfassungsausschuss als zuständiger Wahlprüfungsausschuss mit dem Antrag beschäftigen und der Bürgerschaft eine Empfehlung geben“, sagte Bürgerschaftspräsidentin Veit dem Abendblatt. „Die muss dann abschließend einen Beschluss fassen (also ggf. feststellen, dass sie die Mitgliedschaft verloren hat).

Der Verlust der Mitgliedschaft kann nur festgestellt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Wählbarkeit nicht mehr vorliegen. Das stellt der Landeswahlleiter fest. Vorsorglich wird sich der Verfassungsausschuss einmal abstrakt mit dem Verfahren befassen, aber nicht inhaltlich beraten.“ Dabei ist die Bürgerschaft formal auch für das Mandat der Bezirksversammlung zuständig.

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Tatsächlich befasst sich bereits am Donnerstag dieser Woche der Verfassungsaussschuss der Bürgerschaft mit dem Fall Petersen, zunächst noch abstrakt. Dort steht auf der Tagesordnung das Thema „Antrag auf Feststellung des Verlustes eines Mandates: Verfahren nach dem Wahlprüfungsgesetz“. Die Hamburger AfD, in der das Ausschlussverfahren gegen Petersen noch läuft, hat zuletzt nach eigenen Angaben auch keine genaue Kenntnis vom Aufenthaltsort der Russlanddeutschen.

YouTube: Petersen gibt russischem Account langes Interview auf Deutsch zu Deutschland

Derweil ist vor einigen Tagen bei Youtube ein Video aufgetaucht, in dem Petersen auf Deutsch von einem offenbar russischen Account interviewt wird und ihre Sicht auf Deutschland und die AfD darlegt. Darin heißt es zu Beginn in einem eingeblendeten Text, Petersen sei im Sommer 2024 mit ihren Kindern nach Russland gezogen.

Auf die gegen Ende des Gesprächs gestellte Frage der Interviewerin, ob sie nach Deutschland zurückkehren wolle, antwortet Petersen nicht konkret. Für eine Stellungnahme war Petersen selbst nicht erreichbar und reagierte, anders als noch im Sommer, auch nicht auf WhatsApp-Nachrichten des Abendblatts.