Hamburg. So viele Todesopfer gab es seit zwölf Jahren nicht. Vor allem zwei Gruppen immer stärker gefährdet. Immer mehr Fälle von Fahrerflucht.

Die auch im Hamburger Koalitionsvertrag von SPD und Grünen angestrebte „Vision Zero“, nach der es irgendwann einmal null Verkehrstote geben soll, wird auch in der Hansestadt immer mehr zu einem offenkundig unerreichbaren Traum. Statt zu sinken, ist die Zahl der Unfälle und Verkehrstoten nämlich in Hamburg zuletzt weiter gestiegen. Und mehr noch: Schon jetzt hat es im laufenden Jahr 30 Todesopfer gegeben, das ist der höchste Stand seit 2012, als im gesamten Jahr 33 Getötete zu beklagen waren. Und die dunkle Jahreszeit beginnt ja erst, sodass weitere tödliche Unfälle bis zum Jahresende befürchtet werden müssen.

Von den bisher 30 Toten waren neun als Radfahrer unterwegs, neun waren Fußgänger. Auffällig ist auch, dass 14 der Todesopfer 65 Jahre oder älter waren. Sieben von ihnen starben als Radfahrer. Unter den Toten sind in diesem Jahr auch zwei Kinder. Ein Neunjähriger wurde in Neuallermöhe an einer Bushaltestelle von einem Linienbus überrollt. Ein zwei Jahre altes Kind starb im Wagen seiner Mutter, als dieser in Billstedt von einem Fahrzeug erfasst wurde, dessen Fahrer sich mit einem anderen Autofahrer ein illegales Straßenrennen mit weit überhöhter Geschwindigkeit lieferte. Der Fahrer kam in Haft, weil er versucht haben soll, sich ins Ausland abzusetzen.

Verkehr Hamburg: Weniger Autos unterwegs, trotzdem mehr Unfälle

Umfassende Zahlen zu Unfällen hat der Senat jetzt zunächst nur für das erste Halbjahr 2024 vorgelegt und zwar in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU-Bürgerschaftsfraktion, die dem Abendblatt vorliegt. Demnach registrierte die Polizei im zweiten Quartal 2024 insgesamt 16.805 Unfälle in Hamburg, gut zehn Prozent mehr als im ersten Quartal, als es 15.261 Unfälle gab. Auch gegenüber dem zweiten Quartal 2023 gibt es einen moderaten Anstieg der Unfallzahlen.

Interessant dabei: Das Verkehrsvolumen ist im ersten Halbjahr 2024 gegenüber 2023 teilweise deutlich zurückgegangen. In fast allen Monaten von Januar bis Juni 2024 waren in Hamburg weniger Pkw und in drei Monaten auch weniger Radfahrer unterwegs als im Vorjahreszeitraum, wie eine andere Senatsantwort zeigt. Dass die Unfallzahlen dennoch gestiegen sind, ist daher kein gutes Signal.

Verkehr Hamburg: Senioren und Radfahrer sind besonders gefährdet

Auch wenn man sich lediglich das erste Halbjahr ansieht, ist die Entwicklung bei den Verkehrstoten bitter. Im zweiten Quartal 2024 kamen zehn Menschen auf Hamburgs Straßen und Wegen zu Tode, im ersten Quartal waren es sechs. Auch im Halbjahresvergleich ergibt sich damit ein Anstieg, denn im ersten Halbjahr 2023 starben 14 Menschen im Hamburger Verkehr, im ersten Halbjahr 2024 waren es 16.

Besonders gefährdet auf Hamburger Straßen und Wegen sind nach den neuen Zahlen die Senioren. Neun der 16 Verkehrstoten im ersten Habjahr 2024 waren 65 Jahre oder älter. Hinzu kommt: Die Zahl der getöteten Senioren ist sprunghaft angestiegen. Im ersten Halbjahr 2023 gab es fünf unter den Todesopfern im Hamburger Verkehr.

Fahrerflucht nimmt immer stärker zu, zwei Hauptursachen für Unfälle

Auch bei den Radfahrern ist die Zahl der Todesopfer gestiegen: Registrierte die Polizei im ersten Quartal 2024 einen getöteten Radfahrer, so waren es im zweiten Quartal bereits vier. Auch im Halbjahresvergleich stieg die Zahl der getöteten Radfahrerinnen und Radfahrer: von vier von Januar bis Juni 2023 auf fünf im selben Zeitraum dieses Jahres.

Leicht zurückgegangen ist dagegen die Gesamtzahl der Verletzten gegenüber dem Vorjahresraum. Das gilt sowohl für Leicht-, als auch für Schwerverletzte. Deutlich angestiegen sind dagegen die Fälle von Fahrerflucht, was offenkundig einem unguten Trend entspricht. Im ersten Halbjahr 2024 verließen in 8973 Fällen Unfallbeteiligte widerrechtlich den Unfallort, im Vorjahreszeitraum waren es noch 8831. Eine Zunahme bei diesem Delikt zeigt auch der Vergleich der jüngeren Jahreszahlen. Im Jahr 2020 gab es insgesamt 16.002 Fälle von Unfallflucht, seither verzeichnet die Polizei einen stetigen Anstieg auf zuletzt 17.697 im vergangenen Jahr.

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Für CDU-Fraktionschef Dennis Thering zeigen die Zahlen auch angesichts des parallel gesunkenen Verkehrsaufkommens eine „äußerst bedenkliche Entwicklung“ auf. „Auch auf Hamburgs Straßen wird es immer gefährlicher“, so Thering. „Es muss jetzt endlich Schluss sein mit gefährlichen Verkehrsexperimenten von SPD und Grünen. Die brandgefährlichen Umbaumaßnahmen auf der Elbchaussee sind der traurige Höhepunkt der verfehlten rot-grünen Verkehrspolitik.“

Verkehr Hamburg: CDU fordert mehr Kontrollen, sicherere Radwege und bessere Fußwege

„Auch mit Blick auf die 35 Prozent mehr schwer verletzten Fußgänger fordern wir als CDU eine ‚Allianz sichere Straße‘“, so Thering weiter. „Das bedeutet keine Fahrradwege mehr auf Hauptverkehrsstraßen, stattdessen sichere Radwege abseits der Fahrbahn. Gut ausgeleuchtete und stolperfreie Fußwege. Klare Regeln und harte Sanktionen bei Verstößen mit E-Scootern.“

Zudem müsse es mehr Polizeikontrollen insbesondere vor Kitas, Schulen und Altenheimen geben, „um Raser, Drängler und Rotlichtsünder konsequent aus dem Verkehr zu ziehen“, so der CDU-Fraktionschef. „Es braucht eine Aufstockung der Fahrradstaffel der Polizei, um auch Fahrradrowdys konsequent zu sanktionieren. So werden Hamburgs Straßen endlich sicherer.“