Hamburg. Die Antwort ist: überraschend wenige. Die Reform bei Krankenhäusern und Ärzten wird Hamburg verändern. Drei Häuser sind gesetzt.

Es ist bislang nur ein Szenario – doch jeder, der mit der schnellen, der akuten Versorgung von Patientinnen und Patienten zu tun hat, kennt es. Die Gretchenfragen lauten: Wie viele Notfallpraxen muss und kann sich Hamburg leisten? Und wo sollen die in Zukunft sein? Denn mit der nächsten Gesetzesnovelle von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) – neben der ohnehin stolpernden Krankenhausreform – rollt auf die Notfallversorgung in Deutschland ein tiefgreifender Wandel zu.

Kurios dabei ist, dass ausgerechnet ein Hamburger Modell, das in der Stadt selbst praktisch ausgelaufen ist, als Blaupause für das ganze Land dient. Überall sollen sogenannte Integrierte Notfallzentren (INZ) entstehen. Hier gibt es an ausgewählten Krankenhäusern einen Tresen für alle, abgesehen von denen, die „liegend“ angerollt werden, also Schlaganfälle, Herzinfarkte und schwer verletzte Unfallopfer.

Notfallpraxen in Hamburg: Welche bleiben in Zukunft geöffnet?

An diesem Tresen wird auch mithilfe moderner Software entschieden: Patient A muss sofort behandelt und möglicherweise in die Klinik aufgenommen werden. Patient B muss zum Facharzt oder Allgemeinmediziner im Haus, etwa um einen schnellen Ultraschall zu machen oder eine Wunde zu nähen. Patient C, der am Wochenende mal abklären lassen wollte, woher seine wochenlangen Rückenschmerzen kommen, erhält für Montag einen Termin in einer Fachpraxis.

So in etwa funktioniert es im neuen Modell. So war es eingeübt am INZ im Marienkrankenhaus mit den dortigen Ärzten und denen der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KV). Die KV aber kündigte die Partnerschaft auf, weil sie investierte und Ärzte bezahlte, obwohl der Patientenzulauf zu schleppend war. Das Marienkrankenhaus organisiert das nun in Eigenregie.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (beide SPD) im Hamburger Marienkrankenhaus (Archivbild).
Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (beide SPD) im Hamburger Marienkrankenhaus (Archivbild). © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Die Finanzen im Blick behalten und die Patienten medizinisch und kosteneffizient steuern – das ist der Sinn der neuen INZ. Im Prinzip stimmen Ärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen (zahlen die Behandlungen) dieser Idee zu. Wie jetzt bekannt wurde, gibt es in Hamburg bereits eine Übereinkunft von KV und Krankenkassen, dass die Stadt mit den neuen Vorgaben fünf INZ vertragen kann oder könnte. Bislang gibt es je nach Zählweise deutlich mehr.

Kinderkrankenhaus Wilhelmstift und Altona sind „gesetzt“

Für die Kinder sind da die Notfalleinrichtungen am Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmstift in Rahlstedt und das Altonaer Kinderkrankenhaus (AKK). Zudem gibt es die Notfallpraxen am Marienkrankenhaus und am St. Adolf-Stift (Reinbek/Bergedorf), aus denen sich zumindest die KV Hamburg zurückzog. Dann wären da noch die Asklepios Klinik Harburg, das Bundeswehrkrankenhaus in Wandsbek, das UKE, die Anlaufpraxis der KV Schleswig-Holstein an der Asklepios Klinik Nord/Heidberg und die KV-eigene traditionelle Notfallpraxis Stresemannstraße (St. Pauli). Man könnte jetzt noch die Notaufnahmen in Barmbek und Rissen (Asklepios) sowie am Albertinen und Amalie Sieveking Krankenhaus hinzuzählen.

Um die „richtigen“ INZ mit der angeschlossenen Praxis dürfte es in Zukunft also einen Verteilungskampf geben. Denn die Notfallreformpläne sehen pro 400.000 Einwohner genau eines vor. Zwei Hamburger sind nach allgemeiner Auffassung gesetzt: die auf Kinder spezialisierten Häuser Wilhelmstift und AKK. Der Gesetzentwurf aus dem Hause Lauterbach macht ein Bundeswehrkrankenhaus zum Pflicht-INZ. Blieben also noch zwei Häuser für die neuen Notfallzentren übrig – im Hamburger Krankenhaus-Mikado wird es also heftig wackeln.

Hamburger Kassenärzte und Krankenkassen: Fünf INZ bleiben übrig

Notfallpraxis Stresemannstrasse
Was wird aus der Notfallpraxis der KV Hamburg an der Stresemannstraße auf St. Pauli? © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Es wird Verlierer geben im Kliniklandschaftsumbau. Bei der Vertreterversammlung der Kassenärzte war zuletzt eindeutig, dass sich die Praxisärzte auf fünf INZ-Standorte einstellen. „Nicht acht, nicht zehn, sondern fünf“, hieß es. Die Vermittlung von Akut-Terminen innerhalb von 24 Stunden – eine Idee des neuen Gesetzes – gibt es in Hamburg bereits. Feuerwehr (112) und Arztnotruf (116 117) müssen ohnehin besser vernetzt werden. Die Niedergelassenen fordern in einer Resolution außerdem, dass jeder, der sich selbst in eine Notfalleinrichtung begibt, vorher bei der 116 117 anruft.

Und sie streben die Tresenhoheit in den INZ an. Damit wollen sie sicherstellen, dass die Patienten in die „normale“ Praxisversorgung überführt werden, sofern das medizinisch vertretbar ist. Ihr Notfallpersonal soll zudem nicht mehr aus dem Topf aller Praxisärzte bezahlt werden. Denn „doppelte“ Strukturen brauche es dann nicht mehr.

Notfall in Hamburg: Was ändert sich für Patienten?

Die Krankenkassen bestätigen die Pläne für Hamburg. Kathrin Herbst vom Krankenkassenverband VDEK sagte dem Abendblatt: „Wir sind uns mit der Kassenärztlichen Vereinigung darüber einig, dass die neu einzurichtenden Integrierten Notfallzentren (INZ) am Bedarf orientiert und für alle Hamburgerinnen und Hamburger gut erreichbar sein sollen.“ Aus der Maßzahl von 400.000 Einwohnern pro INZ ergebe sich für Hamburg „eine Zahl von maximal fünf Standorten“. Herbst machte klar: „Denn es wird schon allein aufgrund fehlender personeller Ressourcen weder möglich noch bedarfsnotwendig sein, an allen Hamburger Kliniken, die derzeit an der Notfallversorgung teilnehmen, INZ einzurichten.“

In Hamburg laufen bereits Gespräche über den Eingriff in die gewachsene Notfallversorgung. Die Fäden laufen bei Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) zusammen. Niemand will von einer bundesweiten Vorgabe aus Berlin überrascht werden. Mit Blick auf die Bürgerschaftswahl am 2. März 2025 darf ein heikles Thema wie die Gesundheitsversorgung für den Senat keinen falschen Dreh kriegen. Auch Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) soll bereits ins Notfall-Bild gesetzt worden sein.