Hamburg. Wird Verfahren gegen ehemalige Staatsrätin eingestellt? Tränen vor Gericht. Stones-Affäre geht auch sieben Jahre nach dem Konzert weiter.
Die Ticketaffäre um das Konzert der Rolling Stones 2017 im Hamburger Stadtpark könnte noch ungeahnte Wendungen nehmen. Das wurde im Laufe der Berufungsverhandlung gegen die ehemalige Staatsrätin Elke Badde (64) am Dienstag am Landgericht deutlich. Badde wurde in erster Instanz vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen (à 170 Euro) wegen Vorteilsnahme verurteilt. Sie hatte das Angebot des ehemaligen Nord-Bezirksamtsleiters Harald Rösler angenommen, über ihn zwei Kaufkarten (knapp 360 Euro) für die Rolling Stones vom Veranstalter zu erwerben. Und sie hat Rösler nachträglich genehmigt, dass er Freikarten in Anspruch und vor dem Konzert im Landhaus Walter an einem Empfang teilnehmen durfte.
Hier fangen die Details an, die die Ticketaffäre in ein neues Licht rücken könnten. Die wichtigsten aus Sicht der Angeklagten und mittlerweile in den Ruhestand versetzten Staatsrätin Badde: Die Staatsanwaltschaft würde offenbar das Verfahren gegen sie am liebsten gegen eine Geldbuße einstellen. Baddes Verteidiger Otmar Kury scheint dem zustimmen zu können. Die Vorsitzende Richterin hat sogar schon eine Idee, an wen das Geld gehen könnte: das Kinder-Hospiz Sternenbrücke.
Rolling Stones 2017 in Hamburg: Ticketaffäre könnte neue Wendung nehmen
Allein, da wären noch ein paar Dinge zu klären: Im ersten Prozess gegen Badde gab es offenbar ein paar Ungereimtheiten, was Zeugenaussagen betraf. Eine Zeugin der Konzertagentur will mit Baddes Vorzimmermitarbeiter über die Kartenbestellung gesprochen haben. Einen solchen hatte Badde nie, nur eine Mitarbeiterin.
Warum hat Badde dem Bezirksamtsleiter Rösler nachträglich die Teilnahme am Stones-Empfang erlaubt? Sie schildert es so: Rösler sei – ohne Termin – nach dem Konzert zu ihr gekommen und habe gesagt, er habe vergessen, sich die Genehmigung seiner disziplinarischen Vorgesetzten einzuholen: Badde. Er legte der Staatsrätin nach dem Konzert vom 9. September, also Tage später, eine vorgefertigte Erlaubnis vor, datiert auf den 23. August. Sie zeichnete ab mit dem Datum vom 24. August. „Das war ein Fehler, das gestehe ich ein“, erklärte Badde vor Gericht. Unter Tränen sagte sie: „Ich weiß nicht, warum ich ihm auf den Leim gegangen bin.“ Badde sprach außerdem von „den Machenschaften des Herrn Rösler“.
Ticketaffäre um Stadtpark-Konzert in Hamburg: Gab es „Machenschaften?“
Das bezog sich offenbar auf Röslers Verhalten bei der Vergabe der Stadtparkwiese an den Veranstalter. Rösler – die E-Mails wurden vor Gericht verlesen – hatte offenbar zunächst 300 Freikarten und 300 Kaufkarten gefordert, sich dann augenscheinlich auf 100 Freikarten herunterhandeln lassen. Das Urteil gegen ihn wegen Vorteilsnahme (Geldstrafe) hatte der Bundesgerichtshof (BGH) kassiert. Die höchsten Richter sprachen von „durchgreifenden Rechtsfehlern“ am Landgericht Hamburg – eine Klatsche für die Justiz.
Wann gegen Rösler neu verhandelt wird, ist unklar. Der BGH hat noch keine ausführliche Urteilsbegründung vorgelegt. Bis dahin kann je nach Lesart spekuliert werden, dass Rösler womöglich härter bestraft oder aber freigesprochen wird.
Rolling Stones in Hamburg: Ex-Staatsrätin hatte gar keine Karten
Für Badde ist all das kein Trost. Sie sagte, das Urteil habe sie sehr belastet. Die Bezahlkarten habe sie nicht mal erhalten, zum Konzert ging sie auch nicht. Und ein Fan der Rolling Stones sei sie sowieso nicht. Dennoch musste sie sich von der Richterin fragen lassen: „Warum werden Sie nicht hellhörig, wenn Ihnen Herr Rösler Karten anbietet? Er ist ja nicht der Veranstalter.“
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Weitere Senatoren beim Stones-Empfang im Landhaus Walter?
Die Kartenvergabe an Politiker ist seit dem Konzert der „Greatest Rock ,n‘ Roll Band in the World“ 2017 in Hamburg ein heißes Eisen. Der Senat änderte seine Richtlinien zur Annahme von Geschenken und sonstigen Vorteilen. Innensenator Andy Grote (SPD) musste sich unbequeme Fragen zu Tickets für ein Spiel des FC St. Pauli stellen lassen. Das als Dankesgeschenk gedachte Konzert von Jan Delay für das Corona-Impfzentrum durfte aufgrund verschärfter Richtlinien nicht stattfinden. Der Senat darf sich nichts dieser Größenordnung schenken lassen.
Ungeklärt bleibt die Frage, wer noch am Stones-Empfang 2017 im Landhaus Walter teilgenommen hat. Ex-Staatsrätin Badde sagte vor Gericht, da seien nach ihren Informationen mehrere Senatoren und Staatsräte gewesen. Sie war zu Hause und aß glücklich mit der Familie zu Abend. Einer ihrer Söhne hatte sich beim Sport verletzt und musste vor dem Essen im Krankenhaus behandelt werden. Aber das war keine große Affäre.
Der Prozess wird fortgesetzt.