Hamburg. Hamburgs Altbürgermeister im Gespräch. Er lobt die Organisatoren der Sommerspiele und sieht Paris langfristig als Profiteur. Was er Hamburg rät.

Jede Woche stellt sich der frühere Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi den Fragen des stellvertretenden Abendblatt-Chefredakteurs Matthias Iken.

Matthias Iken: Die Olympischen Spiele in Paris werden von der Welt gefeiert. Was hat Ihnen besonders gut gefallen?

Klaus von Dohnanyi: Es waren Frankreich, Paris und ihre große Kultur, die diesen Spielen einen einmaligen Rahmen gaben; das spürte man in jeder Stunde. Eben das hat mir so gut gefallen: diese unerwartete Identität von Olympia, Paris, Frankreich und einer Welt, die sich im fairen Wettbewerb zu Hause fühlte, umgeben von Geschichte, Schönheit und Weltoffenheit. Allerdings: In der Regel wird die Konzentration kultureller und sportlicher Ereignisse auf Paris in Frankreich selbst eher kritisch beäugt. Paris ist vielen Franzosen zu sehr alleiniger Mittelpunkt des Landes. Aber diesmal hat sich Paris in dieser Rolle bewährt. Und das in einer Situation, in der Frankreich als Nation droht, zwischen extremen Linken und ex­tremen Rechten zu zerreißen. Ehrlich gesagt: Solche Spiele hätte ich in der heutigen politischen Lage weder den Franzosen noch ihrem Präsidenten Macron zugetraut. Ich glaube auch nicht, dass wir Deutsche unter solchen politischen Bedingungen der Welt so viel fröhliche Leichtigkeit hätten bieten können. Ich habe wieder einmal Frankreich bewundert - und auch beneidet!

„Macron hat gezeigt, was ein einiges Frankreich sein kann“

Iken: Werden denn diese Spiele die französische Nation zusammenführen?

Dohnanyi: Ich habe nicht den Eindruck, dass die Nation Frankreich das heute überhaupt möchte: Der Streit will ausgetragen sein. Und doch hat Präsident Macron mit dieser außergewöhnlichen Organisation der Olympischen Spiele gezeigt, was ein einiges Frankreich sein kann. Das sollte man so schnell nicht vergessen, auch wenn die Nation politisch zwischen Rechts und Links so tief gespalten ist, dass die klassische politische Mitte, wie die letzten sehr schwachen Wahlergebnisse von Macron zeigen, keine eigene Gestaltungskraft mehr aufbringt. Wie es in Frankreich also trotz dieser wundervollen Olympischen Spiele politisch weitergehen wird, muss der bevorstehende Machtkampf zwischen den extremen Lagern erweisen. Für Deutschland und Europa ist das keine erfreuliche Perspektive, und leider könnte dabei das Bild, das Olympia von Frankreich in der Welt entstehen ließ, schnell wieder verblassen.

Klaus von Dohnanyi: Sympathiewerte sind wichtig für eine Stadt

Iken: Haben die Spiele Macron und Frankreichs Stellung in der Welt gestärkt?

Dohnanyi: Jedenfalls hat Macron der ganzen Welt bewiesen, wozu er und Frankreich noch immer fähig sind. Und die Sportler, die teilnehmen konnten, werden in ihren Heimatländern gute Botschafter für Frankreich sein. Wo eine farbige deutsche Kugelstoßerin nach ihrem Sieg mit wunderbarer Stimme ein Lied anstimmen kann, da ist die Welt noch in Ordnung. Und das färbt hoffentlich dauerhaft auf Frankreich und Paris ab. Wir unterschätzen oft (auch zu unserem Nachteil!), wie wichtig die Sympathiewerte einer Stadt oder einer Nation sein können, zum Beispiel für die Ansiedlung von Unternehmen, deren Zentralen oder neuer Start-ups. Paris hat auch in dieser Beziehung seine besten Seiten gezeigt und auch in dieser Beziehung gewonnen.

Iken: Hamburg hatte beabsichtigt, sich für 2024 zu bewerben – doch eine Mehrheit war dagegen. Bedauern Sie diesen Entscheid? Oder hätte Hamburg es niemals so gut hinbekommen wie Paris?

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Dohnanyi: Hamburg ist eine wunderschöne Stadt, und auch wir könnten unsere Besonderheiten sehr wohl in die Waagschale werfen. Den Vorteil, den Paris allerdings mit seinen Wettkampfstätten in historischen Bauten hatte, den können wir aber nicht so leicht wettmachen. In Deutschland ist alles enger, zweckgebunden, nicht so luxuriös und eindrucksvoll, auch weil wir keinen Sonnenkönig hatten. Paris hat das Beste aus seinen historischen Möglichkeiten herausgeholt, was zum Gelingen der Spiele beigetragen hat. Unser Föderalismus hat viele Vorteile, kulturell, sozial und auch politisch. Aber wegen des Föderalismus ginge es bei uns auch wieder darum, alles zu teilen: Wo der Bund finanziell zuschießen müsste, müsste dann ein Teil der Veranstaltungen in Schleswig-Holstein, anderes vielleicht in Bremen oder Niedersachsen stattfinden. Damit wäre schon der Kern dessen zerstört, was Paris leisten konnte. So hat alles seine Vor- und Nachteile.