Hamburg. Hamburgs Prachtstraße ist eine Großbaustelle. Was da passiert, wie es vorangeht – und ein unerwartetes Problem. Ortstermin mit dem Bauleiter.

Wo einst 13.000 Autos pro Wochentag entlangfuhren, sollen bald Grün und Ruhe das Bild prägen: Der Jungfernstieg wird gerade aufwendig umgebaut. Hintergrund ist nicht nur die etwas in die Jahre gekommene Optik. Die Landesregierung will die Verkehrswende voranbringen – mit weniger Autos in der Hamburger Innenstadt.

Manche dürfte das nerven. Es ist schließlich nicht die einzige Großbaustelle in der Stadt. Frage an den Bauleiter: Wie läuft’s?

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Beim Ortstermin rollt Bauleiter Harald Rincker den mehr als einen Meter langen Plan für den umgestalteten Jungfernstieg aus und erklärt die Details. © Sonja Wurtscheid FMG | Sonja Wurtscheid FMG

„Wir können es nicht allen recht machen, können uns nicht auflösen“, sagt Harald Rincker, „aber wir liegen im Zeitplan.“ Der Mann vom Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) koordiniert den Umbau. Den Kostenrahmen von 13,4 Millionen Euro könne man Stand jetzt halten. Einschränkungen bringt die Baustelle trotzdem. Ganz ohne geht es nicht.

Jungfernstieg: Busse fahren bis Ende September Umleitung

Das spüren vor allem Menschen, die öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Die Busse fahren in Richtung Gänsemarkt schon lange eine Umleitung. Das wird laut Verkehrsbehörde auch bis Ende September so bleiben.

Ihren Frust über die vielen Baustellen gießen manche öffentlich ins Netz. „Langsam könnte nicht nur ich kotzen“, schreibt ein Nutzer, „sondern auch 1000 andere Pendler.“ Ein anderer empört sich: „Diese Verkehrsbehörde unter diesem Verkehrssenator ist seit Jahren mit ihren Dauerbaustellen und Straßensperrungen für die massive Behinderung des Auto- und Fahrradverkehrs verantwortlich!“ Bei Google kommt die Verkehrsbehörde auf 1,9 von fünf Sternen.

Keine Baucontainer aus Rücksicht auf Ladenbesitzer

In der echten Welt gibt es weit weniger Kritik. Bis auf einige Ladenbesitzer in den Colonnaden, die um ihre Sichtbarkeit fürchten, seien zur Baustelle am Jungfernstieg kaum Beschwerden eingegangen, sagt Rincker. „Gelobt wird man eigentlich nie“, fügt er an. Für ihn sei ein Projekt schon dann ein Erfolg, wenn es wenig Einsprüche gebe.

Umbau Jungfernstieg
Ladenbetreiber in den Colonnaden wehrten sich gegen Baucontainer. Sie wollen weiterhin gesehen werden vom Jungfernstieg. © Sonja Wurtscheid FMG | Sonja Wurtscheid FMG

Am Jungfernstieg liegt das aus seiner Sicht an der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Der Dialog mit Anliegern laufe weiter, sagt er. Wenn es Probleme gebe, versuche man, sie zu lösen. Wie die Sache mit den Baucontainern. Auf die hat die Stadt auf Wunsch der Geschäftsleute in den Colonnaden verzichtet.

Sicherheitspoller stellen Planer vor Probleme

Trotz des eingehaltenen Zeitplans liegen noch Hürden vor Rincker und seinem Team. „Die Straßen sind nicht das Problem“, erklärt er. Die Fahrbahn Richtung Ballindamm sei fertig, die Gegenspur werde Ende September asphaltiert. Probleme bereiten aktuell die vorgesehenen Poller, die Menschen bei Veranstaltungen vor Lkw-Anschlägen schützen sollen. Die Poller brauchen Fundamente, erklärt Rincker.

Genau wie die neuen Bänke. Da aber rund um die Binnenalster unterirdisch einiges los sei – man denke an die Tunnel von U- und S-Bahn, die Eingänge zu den Stationen, an die Leitungen –, sei es schwer, Platz für die Fundamente zu finden. Nur: „Frei Schnauze“ kann man die Poller auch nicht über den Jungfernstieg verteilen.

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Am meisten wird der Jungfernstieg laut Verkehrsbehörde von Fußgängern und Radfahrern genutzt. © Sonja Wurtscheid FMG | Sonja Wurtscheid FMG

Wenn die Poller am Ende im Zickzack stehen, sehe das nicht aus. Es gebe schließlich hohe optische Anforderungen an den Jungfernstieg, die Sichtachsen müssen stimmen, sagt Rincker. Also müssen die Planer eine freie, gerade Linie unter der Erde finden. Aber das dauert.

Denn früher seien Leitungen nicht so akribisch verlegt und erfasst worden wie heute, sagt Rincker. Deshalb wisse man manchmal gar nicht so genau, was wo verlaufe. Die Lösung: den Boden Stück für Stück aufmachen. Rincker rechnet bei den Pollern aber nicht mit einer Verzögerung.

Autos bekommen weniger Platz, Fußgänger und Cafés  dafür mehr

Pünktlich zum Weihnachtsmarkt im November soll das Gröbste durch sein. „Dann ziehen wir uns zurück mit der Baustelle“, sagt Rincker. Schließlich brauchen die Buden am Wasser Platz. Und es muss genug Fluchtwege geben.

Ende April soll der neu gestaltete Jungfernstieg fertig und der letzte Baum gepflanzt sein. Dann soll die Straße Menschen zum Verweilen einladen: mit deutlich mehr Sitzgelegenheiten, einer weiteren Reihe Silberlinden und einem Nebelfeld, das im Sommer Spaß und Abkühlung bietet. All das braucht Platz. Deshalb wird die Fahrbahn deutlich schmaler. Der dadurch gewonnene Platz kommt auch der Außengastronomie zugute.  

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Für Privatautos bleibt die Straße an der Binnenalster auch nach dem Umbau gesperrt. Bei Tempo 30 dürfen Busse, Taxis und Moias, Fahrräder, E-Roller und – zeitlich begrenzt – auch Lieferwagen fahren. Einige sehen darin eine Verdrängung ihrer Autos aus der Innenstadt. Renate Pinzke, Sprecherin der Verkehrsbehörde, entgegnet: „Der Jungfernstieg bleibt als zentraler Ort sehr gut erreichbar – ob mit dem ÖPNV, mit Taxis, Moia oder über umliegende Parkhäuser.“

Man könne dann eben nicht mehr direkt am Straßenrand parken. „Wir tun alles, um allen gerecht zu werden“, sagt Pinzke. Dass es bei Umbauten von solch zentralen Orten Konflikte zwischen Interessengruppen gibt, sei normal. Schließlich teile man den vorhandenen Platz neu auf.