Hamburg. Eindringlicher Appell an Hamburger Mediziner, die Leiden der Betroffenen ernst zu nehmen. „Wie bei Krebskranken im Endstadium.“
„Die Erkrankung kann Krebskranken im Endstadium gleichgesetzt werden.“ Mit drastischen Worten beschrieb Mareike Pruin am Donnerstagnachmittag bei einer Demonstration vor dem Hauptgebäude des UKE die Leiden von Long-Covid-Patienten und Menschen, die an dem chronischen Erschöpfungssyndrom ME/CFS erkrankt sind. Etwa 60 Demonstranten hatten sich zunächst in der Nähe des Uniklinikums versammelt.
Anlässlich des „Severe ME Awareness Day“ wollten Angehörige und Betroffene die öffentliche Aufmerksamkeit lenken auf die neuroimmunologische Erkrankung Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS). Einige schoben auf dem rund 100 Meter langen Weg zum UKE-Haupteingang leere Rollstühle vor sich her – als Zeichen dafür, dass die am stärksten Betroffenen nicht dabei sein können.
UKE: Long-Covid-Patienten protestieren vor Klinik für Ambulanz
ME/CFS kann in der Folge von Viruserkrankungen wie Influenza oder Covid-19 auftreten. Die Erkrankung geht mit starken kognitiven und körperlichen Einschränkungen einher. Betroffene leiden insbesondere unter starker Erschöpfung nach alltäglichen Aufgaben wie Zähneputzen oder Duschen.
Eine für sie zu hohe Belastung führt weiterhin dazu, dass sich die Symptome massiv verschlechtern. In der Folge sind über die Hälfte der ME/CFS-Erkrankten arbeitsunfähig, 25 Prozent auf Pflege angewiesen und nicht mehr in der Lage, das eigene Bett oder Haus zu verlassen.
Long-Covid und chronisches Erschöpfungssyndrom ME/CFS: 60 Prozent der Patienten arbeitsunfähig
Für die Krankheit existiert bisher keine strukturierte Behandlung in Hamburg oder große Chance auf Heilung. Nach einer Diagnose können Ärzte meist nur einzelne Symptome behandeln und dadurch die Lebensqualität mitunter leicht verbessern.
Die Demo-Organisatorinnen Mareike Pruin und Katrin Wölfel (Länderbeirat von NichtGenesen Kids e.V.) übten deutliche Kritik am UKE. Wölfel sagte, das UKE ordne ME/CFS als Antriebsstörung ein und führe die Symptome auf psychosomatische Ursachen zurück. Ärzte würden Psychotherapien empfehlen und zu mehr Bewegung raten. „Belastung verbessert den Gesundheitszustand von ME/CFS-Erkrankten jedoch nicht, sondern verschlechtert ihn massiv“, sagte Wölfel.
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Hamburger Long-Covid-Patienten fordern Spezialambulanz am UKE
Deshalb forderten die Demonstranten eine Ambulanz für postinfektiöse Krankheiten wie ME/CFS, Long-Covid und Post-Vac am UKE, die eine „angemessene“ und „flächendeckende“ Behandlung durch geschulte Ärzte erlaubt. Pruin zufolge sind in Hamburg 80.000 Menschen von diesen Krankheiten betroffen. Sie sprach sich für mehr Forschung aus. „Die Psychologisierung und Stigmatisierung muss ein Ende haben“, sagte Pruin. Es brauche mehr Aufklärung, eine bessere Versorgung und Sichtbarkeit von Betroffenen.
Eine Befragung der Hochschule Fresenius in Zusammenarbeit mit der Techniker Krankenkasse (TK) und der Deutschen Gesellschaft für Patientensicherheit bestätigte einige Erfahrungen der Demonstranten. Im Zeitraum von Juni bis Dezember 2023 konnten Long-Covid-Betroffene über eine Meldeplattform der TK von ihren Versorgungserfahrungen berichten. Zunächst wurde die Krankheit häufig fehldiagnostiziert und die Symptome psychosomatisch erklärt.
Das Ergebnis: Behandlungsmethoden wie Bewegung und Sport, die bei psychischen Krankheiten Erfolg zeigen können, führten bei ME/CFS-Patienten zur Verschlechterung des Gesundheitszustandes. Ärzte wüssten den Ergebnissen der Studie zufolge zu wenig über die Erkrankung. Zudem mangele es an Spezialambulanzen und einer flächendeckenden ärztlichen Versorgung.