Hamburg. Verdächtiges Quintett war der Polizei aufgefallen. Doch Konsequenzen gab es nicht. Wie sich die Staatsanwaltschaft rechtfertigt.
Sie hatten Bolzenschneider und Klebematerial dabei. Und sie sind bereits als sogenannte Klimakleber bekannt. Da braucht es wohl nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, was das verdächtige Quintett, das in der Nähe des Flughafens beobachtet wurde, im Schilde führte? Der Verdacht liegt nahe, dass sie aufs Gelände des Flughafens gelangen und den Betrieb der Starts und Landungen lahmlegen wollten. Und doch wird gegen die vier Männer und eine Frau kein Strafverfahren eingeleitet. So mancher fragt sich: Warum nicht?
Die Erklärung: weil es die Gesetzeslage nach Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht hergibt. Denn die Personen im Alter zwischen 22 und 65 Jahren hätten zu dem Zeitpunkt, als sie der Polizei auffielen, noch keine Straftaten begangen, so die Staatsanwaltschaft. „Weder war der Tatbestand des Hausfriedensbruchs noch der der Sachbeschädigung oder der Tatbestand der Nötigung erfüllt“, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Liddy Oechtering, auf Abendblatt-Anfrage. Außerdem hätten die Personen im strafrechtlichen Sinne noch nicht mit dem Versuch einer Straftat begonnen. „Die bloße Absicht, zeitnah Straftaten begehen zu wollen, ist als solche (noch) nicht strafbar“, erklärt Oechtering. „Zumal Betroffene von einem möglichen Tatplan rechtzeitig wieder Abstand nehmen könnten.“
Klimakleber am Flughafen Hamburg: Verdächtige waren noch mehrere Hundert Meter entfernt
Das deutsche Strafgesetzbuch kenne „grundsätzlich kein Gedankenstrafrecht“, so die Sprecherin weiter. Nach der Bewertung der Staatsanwaltschaft waren im vorliegenden Fall „die Voraussetzungen einer Versuchsstrafbarkeit (noch) nicht erfüllt, als die Personen in Flughafennähe festgestellt und überprüft wurden“. Zudem habe eine Rolle gespielt, dass die Betroffenen angehalten wurden, als sie noch mehrere Hundert Meter vom Flughafen entfernt waren, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft weiter. „Zu diesem Zeitpunkt waren nach Auffassung der Staatsanwaltschaft noch keine Straftaten begangen.“
Strafbar handele nach den entscheidenden Paragrafen des Strafgesetzbuches nur, „wer unmittelbar zur Tatbegehung ansetzt“. Ein unmittelbares Ansetzen zur Begehung von Straftaten habe nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hier (noch) nicht vorgelegen. „Der Versuch des Hausfriedensbruchs ist zudem nicht strafbar“, erläuterte Oechtering weiter. „Und eine Verabredung zu einem Verbrechen konnte nicht nachgewiesen werden.“
Klimakleber am Flughafen Hamburg: Parallelen zum Fall der „Drei von der Parkbank“?
Damit unterscheidet sich das vorliegende Geschehen in strafrechtlicher Bewertung beispielsweise deutlich von dem Fall, der als „Die drei von der Parkbank“ bekannt wurde. Das verdächtige Trio war am 8. Juli 2019, dem zweiten Jahrestag der G20-Proteste, an einer Parkbank festgenommen und später verurteilt worden. Hier wurde nach Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass die späteren Angeklagten im Alter von 28, 32 und 29 Jahren mehrere Brandanschläge in Hamburg geplant hatten. Zudem hätten sie mit selbst gebastelten Brandsätzen auch im Nahbereich der Privatwohnung einer Hamburger Senatorin zündeln wollen. Dafür wurden sie zu Freiheitsstrafen zwischen 19 und 22 Monaten verurteilt. Sie hätten sich unter anderem wegen Verabredung zur Brandstiftung schuldig gemacht – und damit zur Verabredung zu einem Verbrechen.
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Insofern liege ein deutlicher Unterschied zwischen den damaligen Angeklagten vorgeworfenen Taten in strafrechtlicher Hinsicht von den Ereignissen am Flughafen. „Die Sach- und Rechtslage war damals eine andere“, betont Oechtering. Wenn es um die Verabredung zur Begehung eines Verbrechens gehe, werde die Strafbarkeit laut Gesetz ausnahmsweise schon vor das „Versuchsstadium“ gelegt. Ein Verbrechen liegt dann vor, wenn bei einer Tat eine Mindeststrafe von einem Jahr droht. Und das ist weder bei Hausfriedensbruch noch bei Sachbeschädigung oder Nötigung, wie es bei den Geschehnissen jüngst am Flughafen in Betracht kommen könnte, der Fall.
Am Freitag waren der Polizei in Flughafennähe zunächst vier Männer und eine Frau aufgefallen. Als das Quintett einen Peterwagen wahrnahm, ergriffen die Betroffenen die Flucht. Einsatzkräfte hatten sie aber wenig später stellen können – ebenso wie einen weiteren Mann. Dass gegen die in Gewahrsam genommenen kein Strafverfahren eingeleitet wurde, hatte zu Kritik unter anderem von Hamburgs CDU-Chef Dennis Thering sowie von Thomas Jungfer, dem Landesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, geführt.