Hamburg. 32-Jähriger soll unter wahnhafter Störung gelitten haben. Angeklagter sagt zum Prozessauftakt: „Fühlte mich unter Druck gesetzt.“
Am Ende lag sein Vater tot neben ihm. Und der Onkel war so schwer verletzt, dass das Leben des Mannes ebenfalls nicht mehr zu retten war. Es waren heftige Taten, die an jenem Tag in Hamburg-Billstedt zwei Opfer forderten, Taten, bei denen viel Blut floss und sicher auch viel Leid verursacht wurde. Wer für den Tod der 58 und 61 Jahre alten Männer verantwortlich ist, ist klar. Mehmet L. (Name geändert) hat seinen Vater und den Onkel umgebracht. Doch wie konnte es so weit kommen?
Dies wird eine zentrale Frage sein, die seit Freitag in einem Prozess vor dem Schwurgericht Hamburg zu klären ist. Die Anklage wirft dem 32 Jahre alten Mehmet L. wegen der Geschehnisse vom 2. Februar dieses Jahres Mord und Totschlag vor. Den Ermittlungen zufolge befand sich der Hamburger im Zustand verminderter Schuldfähigkeit, als er zunächst auf seinen Vater und dann auf seinen Onkel einstach und beide Männer tödlich verletzte.
Prozess Hamburg: Angeklagter soll Messer in Hosenbund verborgen haben
Dabei sei der Vater völlig unvermittelt von dem 32-Jährigen mit einem Messer mit einer Klingenlänge von 20 bis 25 Zentimeter attackiert worden, als er in sein Auto einsteigen wollte, heißt es in der Anklage. Das Messer habe der Täter zuvor in seinem Hosenbund verborgen gehalten. Der Vater habe mit dem Angriff nicht gerechnet und sich deshalb nicht wehren können. Der Angeklagte habe in Kauf genommen, seinen Vater tödlich zu verletzen. Tatsächlich traf der Messerstich das Opfer in die Brust, wobei die Körperhauptschlagader getroffen wurde. Der Vater verstarb noch am Tatort.
So ging die Tat den Ermittlungen zufolge weiter: Der Onkel von Mehmet L., der in der Nähe stand und die Bluttat mitbekam, wollte helfend eingreifen. Doch auch er wurde nun von Messerstichen getroffen. Demnach stach der 32-Jährige dem Onkel unter anderem zweimal in die Brust und in den Hals, wobei die Halsschlagader durchtrennt wurde und ein Stich die Luftröhre traf. Der Angeklagte habe unter dem Einfluss einer psychischen Erkrankung in Form einer wahnhaften Störung gehandelt, so die Staatsanwaltschaft.
Ruhig, fast reglos sitzt Mehmet L. da, während die Anklage verlesen wird. Nur wenige Meter entfernt sitzen zwei Frauen, die Köpfe halten sie gesenkt. Sie sind nahe Angehörige sowohl der Getöteten als auch des Angeklagten und verfolgen den Prozess als Nebenklägerinnen.
Opfer wollten späteren Angreifer in Psychiatrie bringen
Zum Auftakt des Prozesses nennt Mehmet L. mit klarer Stimme seine Personalien. Angaben zum Tatablauf macht er über seinen Verteidiger Klaus Hüser. Dieser erklärt im Namen seines Mandanten, dass dieser die Tat einräumt. Vater und Onkel hätten Mehmet L. an jenem Tag gegen dessen Willen in ein psychiatrisches Krankenhaus bringen wollen.
Im Nachhinein, wenn er zurückblickt auf die damaligen Geschehnisse, glaube er, „dass es mein Vater nur gut mit mir meinte“, heißt es in der Erklärung des Angeklagten, die auch ein gewisses Bedauern erkennen lässt, dass es „leider“ zu den Messerstichen gekommen sei. Die Waffe habe er nur zufällig bei sich gehabt, lässt Mehmet L. mitteilen. „Ich ahnte ja überhaupt nicht, was man mit mir vorhatte“ und dass es offenbar der Zweck der Fahrt an diesem Tag war, „mich in die Psychiatrie zu bringen“. Man hätte ihn „nicht so unter Druck setzen und hintergehen sollen“.
Angeklagter: „Ich ahnte nicht, was man mit mir vorhatte“
„Ich weiß, dass ich psychisch auffällig war und bin.“ Deshalb sei er auch vor der Tat freiwillig in ärztlicher Behandlung und gelegentlich in einer Tagesklinik gewesen. Auf Druck seines Vater habe er sich dann im November vergangenen Jahres einmal in eine weitere Praxis zur Behandlung begeben – jene Praxis, vor der es dann Anfang Februar zu den dramatischen Ereignissen kam. Er habe sich von seinem Vater „permanent unter Druck gesetzt“ gefühlt, weil dieser „wollte, dass ich in eine geschlossene Klinik komme“, so Mehmet L.
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Auch am Tattag habe sein Vater darauf bestanden, dass er mit zu dem Arzt komme. „Ich ließ mich darauf ein.“ Auch sein Onkel habe mit im Auto gesessen. Sein Vater habe ihn dann zur Praxis begleitet. „Ich folgte ihm unwillig.“ Er sei aber bereit gewesen, eine Überweisung entgegenzunehmen. Als es dann aber, ohne dass Mehmet L. auch nur mit dem Arzt gesprochen habe, um eine Überweisung in die Psychiatrie gehen sollte, sei er wütend geworden, so Mehmet L.. Sein Eindruck sei gewesen, dass sich sein Vater und der Arzt abgesprochen hätten. Und als er meinte, ein Augenzwinkern zu sehen, habe dies seine Vermutung unterstützt. Als sie die Praxis verließen, hätten sein Vater und er sich geschubst, „weil ich das alles missbilligte“.
Prozess: Angeklagter sagt, er dachte, er werde gekidnappt
Sein Vater habe ihm mitgeteilt, er werde ihn ins Krankenhaus bringen oder – „das könne ich mir auswählen – an einen noch schlimmeren Ort“. Jetzt habe er den Eindruck gehabt, gekidnappt zu werden und sei „ausgerastet“. Er habe nach seiner Erinnerung einmal auf den Vater eingestochen und dann auch auf den Onkel, der dem Vater wohl habe beistehen wollen.
Inwieweit die psychischen Probleme, an denen er leide, der Tat zugrunde liegen, „kann ich natürlich selber nicht beantworten“, heißt es in der Erklärung des Angeklagten. Aber was er jetzt im Prozess geschildert habe, „sind keine Wahnfantasien, sondern das hat sich leider so abgespielt.“ Der Prozess wird fortgesetzt.