Hamburg. Prozess gegen Männer, die als „falsche Polizisten“ auf der Uhlenhorst einen Rentner betrogen haben sollen. Welche Strafe sie erwartet.

Am Ende, nach einem langen Telefonat und vielen aufreibenden Stunden, ging der Mann vors Haus zu seiner Mülltonne. Dort deponierte er eine Tasche, prall gefüllt mit 210.000 Euro. Der 87-Jährige dachte, das Geld sei nun sicher – doch das Gegenteil war der Fall. Anstatt sein Erspartes jetzt bei der Polizei und damit in guten Händen zu wissen, ist die sechsstellige Summe für Anton G. (alle Namen geändert) verloren. Versickert im Rachen einer Bande, die es sich zum Ziel gemacht hat, speziell ältere Mitbürger zu betrügen. Die Masche der Täter: Sie geben sich als Polizisten aus.

So sieht es zumindest die Staatsanwaltschaft Hamburg, die zwei Männer als Angeklagte vor das Landgericht gebracht hat, weil diese Mitglieder der Bande sein sollen. Doch das ganz große Rad drehte offenbar ein anderer. Der 36-jährige Ali M. wurde mittlerweile in Bremen für die perfide Betrugsmasche zu einer Freiheitsstrafe von achteinhalb Jahren wegen gemeinschaftlichen Bandenbetruges verurteilt. Seine Mittäter sitzen Ermittlungen zufolge in der Türkei, wo sie aus Callcentern gezielt Personen mit älter klingenden Vornamen anrufen, um bei ihnen möglichst hohe Beute zu machen.

Prozess Hamburg: Geld auf der Bank ist angeblich nicht mehr sicher

Die Anrufer geben sich als Polizisten aus und behaupten, dass Verbrecher die Runde machen und schon weitere Opfer im Visier haben. Angeblich sollen Mitarbeiter von Geldinstituten ebenfalls ihre Finger im Spiel haben, weshalb es nicht mehr ratsam sei, das Geld auf der Bank zu lassen. Um ihre Habe zu sichern, sollen die Angerufenen es abheben und in der Nähe der Haustür deponieren, wo ein Polizist es abholen und in Sicherheit bringen werde.

Prozess
Den Angeklagten wird im Prozess vor dem Landgericht Hamburg Betrug nach der Masche „falsche Polizisten“ vorgeworfen © Bettina Mittelacher | Bettina Mittelacher

Am 6. August 2018 wurde Anton G. zum Opfer. Und die Angeklagten Mehmet S. (35) und Kenan R. (32) sollen jene Männer sein, die zur Wohnung des 87-Jährigen auf der Uhlenhorst fuhren und das Geld, das der verängstigte Senior auf Anweisung in seiner Mülltonne deponiert hatte, in Empfang nahmen. Zuvor hatten den Ermittlungen zufolge zwei weitere Mitglieder der Bande bei dem Hamburger angerufen und sich als die Kriminalbeamten „Wagner“ und „Westermann“ ausgegeben.

87-jähriger Hamburger wurde aufgefordert, 210.000 Euro in einer Mülltonne zu deponieren

Anton G. wurde in diesem Telefonat mitgeteilt, dass er als nächstes Opfer von Täter auserkoren sei und nun sein Wertpapierdepot bei seiner Bank auflösen müsse. Dafür solle er sein Guthaben in Höhe von 210.000 Euro abheben und für die angeblichen Polizeibeamten in einer Mülltonne vor seinem Haus deponieren. Der Rentner glaubte den Anrufern und hinterlegte das Geld, so wie ihm geraten worden war. Dort wurde es den Ermittlungen zufolge von Mehmet S. und Kenan R. abgeholt.

Nur eine Woche nach dem ersten Telefonat erhielt Anton G. erneut einen Anruf, wieder von angeblichen Polizeibeamten. Nun hieß es, das Geld, das der 87-Jährige bei einer weiteren Bank im Depot hatte, sei ebenfalls nicht mehr sicher, und er solle die 225.000 Euro erneut an Polizisten übergeben. Doch mittlerweile hatte eine Nachbarin des Seniors die Polizei informiert, und der Hamburger war auf der Hut.

Laut Anklage ging er nur zum Schein auf die Forderung der Anrufer ein und machte sich auf den Weg zu seiner Bank. Was die Täter, die ihn dabei beobachteten, zunächst nicht wussten: Sie selber wurden ebenfalls observiert – von der Polizei. Doch offenbar gaben im Verborgenen handelnde Mittäter die Anweisung, die als „Abholer“ eingesetzten Betrüger sollten ihr Vorhaben abbrechen. Dies taten sie umgehend. Doch im Zuge weiterer Ermittlungen wurde schließlich Anklage gegen sie erhoben.

Falsche Polizisten: Abholer wurden gewarnt, dass sie beobachtet werden

Jetzt im Prozess räumen beide Angeklagte die ihnen zur Last gelegten Taten im Wesentlichen ein. Zuvor hat es sogenannte Verständigungsgespräche zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung gegeben, in denen ausgelotet worden war, ob die Angeklagten zu einem Geständnis bereit sind – und im Gegenzug niedrigere Strafen erhalten können. Dabei steht bei dem vorbestraften Mehmet S. eine Gefängnisstrafe zwischen vier Jahren und vier Jahren und vier Monaten im Raum. Kenan R. könnte mit einer Bewährungsstrafe von 21 Monaten bis zu zwei Jahren rechnen.

Und so räumt der Angeklagte Mehmet S. über seinen Verteidiger ein, er sei zu dem 87-Jährigen gefahren, um von dort Geld abzuholen, das das Opfer auf Geheiß von falschen Polizisten an der Mülltonne hinterlegt habe. Auftraggeber sei sein Onkel, der mittlerweile rechtskräftig verurteilt sei. Er sei da gewissermaßen reingerutscht, erzählt Mehmet S. Nachdem er sich von seinem Onkel 15.000 Euro geliehen habe, sei ihm angeboten worden, er könne sich einen „Nachlass“ der Schulden erarbeiten, indem er die Botendienste übernehme. Die Inhalte der Anrufe, die die Opfer erhalten, seien ihm grundsätzlich bekannt, lässt Mehmet S. das Gericht wissen. Nur die Details wisse er nicht. Das ganze Geld, das er bei dem Opfer abgeholt habe, habe er seinem Onkel übergeben. Sein Plan sei gewesen, spätestens wenn er seine Schulden los sei, sich aus dem Betrugskonstrukt zurückzuziehen, gibt Mehmet S. an.

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Auch Kenan R. gesteht, dass er sich an den Betrugstaten beteiligt hat, nämlich als Fahrer. „Er wusste im Prinzip, worum es geht“, sagt die Verteidigerin des 32-Jährigen. Was er da wirklich tue, sei ihm bewusst geworden, als er hörte, dass die Polizei sie auf dem Kieker habe. „Es ist mir peinlich, und ich finde es beschämend“, was er getan habe, lässt der Angeklagte erklären. „Ich würde es gern ungeschehen machen.“ Der Prozess wird fortgesetzt.