Hamburg. Kanzlei fordert Behandlungskosten von Praxis in der Hamburger Neustadt zurück. In zwei weiteren Fällen geht es um die Firma „Dr. Smile“.
In dem Fall einer Hamburger Praxis für Kieferorthopädie, die bei Patienten wie berichtet für großen Ärger gesorgt hat und zuletzt offenbar abrupt geschlossen wurde, gibt es nun die erste Forderung nach Schadenersatz. Die Hamburger Rechtsanwaltskanzlei Funke Oltmanns Glameyer vertritt einen Patienten, der seine bereits gezahlten Behandlungskosten erstattet bekommen will. Es geht um „unsichtbare“ Zahnspangen, sogenannte Aligner.
Die Vorwürfe richten sich gegen Dr. W., Geschäftsführer der besagten Praxis in der Hamburger Neustadt. Anwältin Antonia Hess schildert den Fall so: Ihr Mandant habe mit einer Angestellten der Praxis ein Erstgespräch auf Englisch gehabt, einen Behandlungsvertrag unterschrieben und dann Aligner erhalten. Allerdings habe ihr Mandant erst nach der Fertigstellung der Aligner erfahren, dass seine Zähne abgeschliffen werden und kleine Haltepunkte auf den Zähnen befestigt werden müssten, auf denen die Schienen festgeklebt werden sollten. Daraufhin entschied er sich, die Behandlung doch nicht durchführen zu lassen. Nun verlange er das bereits gezahlte Geld – 2950 Euro – zurück. Dr. W. hat auf Abendblatt-Anfragen nicht geantwortet.
Hamburger Patienten gehen rechtlich gegen Aligner-Praxen vor
Hess sagt, ihre Kanzlei habe die Praxis von Dr. W. über ein Jahr lang mehrfach angeschrieben und die Behandlungsunterlagen angefordert – erfolglos. Erst nach einer Herausgabe-Klage vor Gericht habe die Kanzlei die geforderten Dokumente erhalten. Die Rückforderung der Behandlungskosten, gerichtet an Dr. W., laufe bisher außergerichtlich. Ihr Mandant habe aber schon einen Klageauftrag erteilt für den Fall, dass die Praxis nicht reagiere.
Zudem vertritt die Kanzlei zwei Hamburger Patienten, die nach eigenen Angaben in einer Praxis der Kette Dr. Smile in Behandlung waren. Ein Mandant habe noch an dem Tag, an dem das Erstgespräch stattfand, den Behandlungsvertrag widerrufen, weil in dem Vertrag etwas anderes stehe, als es die Vereinbarung vorsah: Er habe eine Behandlung des Oberkiefers gewünscht – in dem Vertrag sei aber von einer Behandlung des Unterkiefers die Rede. Auf seinen Widerruf habe die Praxis nicht reagiert und ihm später 2139 Euro in Rechnung gestellt. Auf die Zahlung dieser Summe verklage ihn die Praxis nun – dagegen gehe ihr Mandant rechtlich vor, sagt Anwältin Hess. Der Prozess findet am Amtsgericht Hamburg-Harburg statt.
Dr.-Smile-Patient verlangt Schmerzensgeld und Erstattung der Behandlungskosten
Der zweite Mandant beklagt, dass während seiner Behandlung in einer Dr. Smile-Praxis zwei gesunde Zähne abgeschliffen worden seien. Deshalb fordert er nun ein Schmerzensgeld von 1000 Euro. Außerdem, so die Anwältin, habe dieser Patient angegeben, nach der Behandlung keine sogenannte Retainer-Schiene erhalten zu haben, mit der die Zähne nach der Aligner-Behandlung dauerhaft gerade bleiben sollen – mit der Folge, dass sich alle Zähne wieder in ihre Ausgangslage verschoben hätten. Er fordere deshalb die Behandlungskosten von 2490 Euro zurück.
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Wie berichtet, warnen Fachleute seit Jahren vor den Risiken gewerblicher Aligner-Start-ups. Da die Behandlungen oft nicht durch niedergelassene Zahnärzte, sondern sogenannte Heilkunde GmbHs als Privatleistung angeboten werden, können sie offenbar kaum überwacht werden. Die Bundeszahnärztekammer und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung teilten in einer gemeinsamen Stellungnahme mit: „Bei gewerblichen Angeboten bestehen Zweifel im Hinblick auf die Einhaltung des zahnmedizinisch gebotenen Standards.“
Und: Bei der Behandlung mit Alignern könnten „über längere Zeit unkontrollierte größere Krafteinwirkungen die Blutzufuhr zum Zahnhalteapparat unterbinden, was im Ergebnis zu einem Absterben einzelner Zähne bis hin zum irreversiblen Zahnverlust führen kann“.