Hamburg. 100.000 Stimmen zeigen Wirkung: Hamburger Schüler wird nicht nach Ghana abgeschoben. Ausländerbehörde will Aufenthaltstitel zügig erteilen.
Plötzlich geht es Schlag auf Schlag: Über 100.000 Menschen haben eine Petition unterschrieben, die den Hamburger Schüler Joel Amankwah von der Nelson-Mandela-Stadtteilschule in Wilhelmsburg vor der Abschiebung in sein Herkunftsland Ghana bewahren sollte. Kurz nachdem die Petition an Ekkehard Wysocki (SPD), Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft und Vorsitzender der Härtefallkommission, übergeben wurde, empfiehlt die Kommission dem Senat, einen Härtefall zu erteilen. Um 13 Uhr verkündet ein Sprecher der Ausländerbehörde: „Nach der Entscheidung wird nun sehr kurzfristig die Erteilung eines Aufenthaltstitels erfolgen. Damit ist schon in den nächsten Tagen zu rechnen.“ Es gibt endgültige Gewissheit: Joel bleibt.
Große Erleichterung für den 18-Jährigen. Ganz genau waren es 104.784 Stimmen, die mit der Petition eingereicht wurden. „Ich freue mich einfach, dass die Menschen mich unterstützt haben“, sagte Joel bei der Übergabe der Petition. „Über 100.000 Menschen ist eine Menge, also vielen Dank an diese Menschen. Ich möchte mich auch bei der Schule dafür bedanken, dass sie hinter mir steht. Jetzt warten wir auf eine Antwort.“
Entscheidung gefallen: Hamburger Schüler wird nicht nach Ghana abgeschoben
Die Antwort kam schnell. Bereits gegen zwölf Uhr verkündete Ekkehard Wysocki, dass sie den Senat ersuchen werde, einen Härtefall zu erteilen. Wenn ausländischen Staatsangehörigen keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, gibt es die Möglichkeit, die Angelegenheit in der Härtefallkommission zu behandeln. Dort werden die Fälle besprochen, die nach dem Gesetz zwar eindeutig sind, „in denen aber humanitäre oder persönliche Gründe dafür sprechen, dass jemand weiterhin in Hamburg bleibt“, heißt es von der Härtefallkommission.
Aber warum sollte Joel überhaupt abgeschoben werden? Vor vier Jahren kam er aus Ghana nach Deutschland und besucht derzeit die 11. Klasse der Nelson-Mandela-Stadtteilschule in Wilhelmsburg. Laut seiner Klassenlehrerin Elif Basboga schreibe er gute Noten und sei auf dem besten Weg, in zwei Jahren das Abitur zu machen.
Vor Kurzem wurde Joel 18 Jahre alt, das Amt für Migration und Flüchtlinge teilte ihm mit, er solle in sein Geburtsland zurückgeführt werden. Ghana zählt laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu den sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“. Wegen des dortigen demokratischen Systems und der politischen Lage sei nicht davon auszugehen, dass Menschen dort vom Staate verfolgt werden, so die Definition.
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Damit werde ihm nicht nur seine Zukunft verbaut, er werde damit auch von seinem Vater und seiner Schwester getrennt, die beide in Deutschland bleiben dürfen, sagte Elif Basboga kürzlich dem Abendblatt. Auch angesichts des Fachkräftemangels sei das für Basboga unbegreiflich.
Betreiber der Petitionsplattform innn.it sind „erstaunt“ über die rege Beteiligung
Joels Klassenlehrerin ergriff die Initiative und startete eine Petition, um ihren Schüler vor der Abschiebung zu bewahren. „Ich dachte, es kommen vielleicht 1000 Stimmen zusammen; dass es nun über 100.000 Stimmen sind, damit hätte ich nie gerechnet. Es ist Wahnsinn, was aktive Demokratie bewirken kann.“
Elif Basboga dankt vor allem den Betreibern der Petitionsplattform innn.it, von denen sie große Unterstützung erhalten habe. „Wir haben gleich gemerkt, dass eine Menge Motivation dahintersteckt, eigentlich die ganze Schule, vom Kollegium bis zur Schülerschaft“, sagt Sebastian Schütz, Leiter der Kampagnen von innn.it.
Von einer derart starken Beteiligung sei allerdings auch er überrascht. „Wir sind wirklich erstaunt. Wir haben auch große Petitionen, bei denen es in der Regel um bundesweite Themen geht.“ Dass ein lokales Thema so eine große Aufmerksam bekommt, sei jedoch ungewöhnlich. „Das ist eine Hausnummer und ist bei uns aktuell die viert- oder fünftgrößte Petition.“
Härtefallkommission: Häufigste Herkunftsländer sind Afghanistan und der Iran
Joel Amankwah ist nicht der einzige Fall, mit dem sich die Härtefallkommission in letzter Zeit beschäftigt hat. Etwa zehn bis zwölf Fälle stehen momentan auf der Tagesordnung, sagt Ekkehard Wysocki. Die häufigsten Herkunftsländer seien Afghanistan und der Iran, allerdings seien viele verschiedene Länder dabei. Auch Fälle aus den USA und China hätten der Kommission bereits vorgelegen.
Härtefallkommissionen gibt es auch in anderen Bundesländern, in Hamburg gäbe es jedoch eine Besonderheit. „An die Härtefallkommission kann man sich nicht direkt wenden“, sagt Ekkehard Wysocki. „Es gibt also keine Möglichkeit, eine Petition direkt an die Härtefallkommission zu adressieren.“ Zunächst prüfe der Eingabe- oder Petitionsausschuss, ob eine rechtliche Möglichkeit besteht, den Aufenthaltstitel zu erteilen. Ist dies nicht der Fall, könne eine Fraktion den Antrag stellen, das in der Härtefallkommission zu behandeln.