Hamburg. Enthüllungen über die EM-Sicherheit: Kleine Linken-Anfrage deckt auf, mit wie vielen Firmen Dienstleister Power zusammenarbeitete.

  • EM-Sicherheit in Hamburg: Linke kritisieren zu viele Subunternehmen
  • HSV engagierte für EM-Spiele in Hamburg den Ordungsdienst Power
  • Einige Ordner arbeiteten in Hamburg offenbar für vier oder fünf Euro Stundenlohn

Die entscheidende, überraschende und auch erschreckende Zahl „29“ steht erst auf der zweiten Seite. Und dort auch erst in den letzten drei Sätzen der sehr langen Vorbemerkungen des Senats auf die Kleine Anfrage (SKA) der Linksfraktion zum Thema: „Schwarzarbeit, Mindestlohnbetrug und mangelnder Arbeitsschutz bei EM-Spielen in Hamburg – was unternimmt der Senat?“

David Stoop, der gewerkschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion, hatte diese sogenannte SKA gestellt, nachdem das Abendblatt mehrfach während der Europameisterschaft über die Arbeitsbedingungen von EM-Ordnern und über mögliche Sicherheitslücken während der EURO berichtet hatte.

EM-Sicherheit Hamburg: Linke kritisieren zu viele Subunternehmen

15 Fragen hatte Stoop an den Senat, die mehr oder weniger aufschlussreich beantwortet wurden. Doch die wichtigsten Sätze in dem Antwortschreiben finden sich eben in den Vorbemerkungen, als über die Schwerpunktprüfung im Wach- und Sicherheitsgewerbe beim EM-Vorrundenspiel zwischen Tschechien und der Türkei am 26. Juni durch das Zollamt Hamburg informiert wurde.

„Im Verlaufe der Prüfung vor Ort wurden 167 Arbeitnehmer zu ihren Beschäftigungsverhältnissen befragt. Es konnten 29 Arbeitgeber festgestellt werden“, teilt der Senat mit. Und natürlich: „Die Auswertungen dauern an.“

HSV hat Ordnungsdienst Power beauftragt

Mit anderen Worten: Neben dem vom HSV beauftragten Ordnungsdienst Power, der bei den fünf EM-Spielen im Volksparkstadtion für die Sicherheit und für die Arbeitsbedingungen der Ordner und Ordnerinnen zuständig war, gab es noch deutlich mehr Sub- und Sub-Subunternehmer als bislang vermutet.

„Unsere Anfrage hat ein ganzes System an Subunternehmen bei den Sicherheitsdiensten für EM-Spiele offengelegt“, bilanzierte auch der Linkspolitiker Stoop, der nun besonders den HSV und Power in die Pflicht nimmt.

Ziehen sich HSV und Power aus der Verantwortung?

„Der HSV als Auftraggeber und die Power GmbH als Hauptverantwortliche für die Gewährleistung der Sicherheit versuchen, sich in einem Dickicht aus Subunternehmen ihrer Verantwortung zu entziehen“, sagt er. Und weiter: „Die Leidtragenden sind die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die von zwielichtigen Firmen per WhatsApp angeheuert werden und nicht einmal den Mindestlohn bekommen.“

Hintergrund dieser steilen These sind die Abendblatt-Enthüllungen über eine gerade erst 18 Jahre alte Ordnerin, die beim ersten EM-Spiel in Hamburg zwischen den Niederlanden und Polen im Einsatz war – und detailliert geschildert hat, wie sie über einen Aushang in Wandsbek zum Job kam, allerdings keinen Vertrag erhielt. Zudem sollte sie unterhalb des Mindestlohns und mutmaßlich auch noch schwarz bezahlt werden.

EM in Hamburg: Power arbeitete mit 20 Partnerunternehmen zusammen

Auf Abendblatt-Nachfrage gibt Carsten Klauer, der Geschäftsführer der Power Personen-Objekt-Werkschutz GmbH, zu bedenken, dass es sich nicht um 28 Subunternehmen handeln würde, „weil unsere Niederlassungen mitgezählt wurden“. Er stellt klar:

„Es sind knapp 20 Partnerunternehmen in den Spieltag direkt eingebunden gewesen, wobei tatsächlich drei Partner aufgrund „alter“ Verträge die Möglichkeit haben, selber wiederum Partner mitzubringen. So wird die Zahl von vielleicht 25 Nachunternehmen (plus Power) zustande kommen.“

Partnerunternehmen von Power beschäftigen wiederum Partnerunternehmen

Der Geschäftsführer weist aber darauf hin, dass es sich bei den Partner um sehr erfahrene, zuverlässige und langjährig eingesetzte Unternehmen handele, die selbst direkt für andere Stadien in Norddeutschland beauftragt seien.

„Denen hatten wir in der Vergangenheit gestattet, eigene zuverlässige Partner mitzubringen, da sich auch diese auf einem hohen Leistungsniveau bewegen. Ansonsten gestatten wir unseren Partnerunternehmen nicht die Einbindung von weiteren Partnern, und so erklärt sich die aus unserer Sicht relativ hohe Anzahl von direkt durch uns beauftragte Partnerunternehmen.“ Nur dadurch könnte man das Risiko des vertragswidrigen Einsatzes von nachgelagerten Unternehmen minimieren.

Linkspartei fordert mehr Kontrollen

„Diese Konstellation folgt einem typischen Muster, das wir auch auf Baustellen und anderswo beobachten können“, kritisiert Links-Politiker Stoop und führt aus: „Ein Veranstalter oder Bauherr vergibt einen Auftrag, der vom Hauptauftragnehmer wiederum an diverse Subunternehmen vergeben wird. Oft zu Dumping-Preisen, die auf Kosten der Arbeitssicherheit und Löhne gehen.“

Seine Hauptforderung: „Wir müssen dringend die Hauptauftraggeber stärker gesetzlich in die Verantwortung nehmen und Kontrollen intensivieren.“

Denn offenbar sind Zustände wie bei den EM-Spielen in Hamburg kein Einzelfall. Das bestätigen verschiedene Sicherheitskräfte dem Abendblatt und sprechen davon, dass Schwarzarbeit und Bezahlung unter dem Mindestlohn „normal“ in der Branche seien.

Jemand, der selbst schon für zehn Euro die Stunde gearbeitet hat, ist Uwe. Das ist nicht sein richtiger Name, denn wie so viele andere in der Branche möchte er die Missstände zwar öffentlich bekannt machen, hat aber Angst vor Repressalien. Anonymisiert aber kann er ganz offen sprechen, ganz ehrlich.

Mit Bierdose in der Hand als Ordner angeworben worden: Was ein Insider erzählt

Manchmal ist es ihm selbst peinlich, darüber zu reden. Zuzugeben, dass er mal vom Amt gelebt und ziemlich viel getrunken hat. Dass er immer mit „so Gestalten“ vorm Bahnhof rumhing und mit denen gezecht hat. Heute rührt er keinen Alkohol mehr an. Sagt er.

Irgendwann, als er wieder mal mit einer Bierdose in der Hand vor dem Bahnhof stand, habe ihn ein Typ angesprochen und gefragt, ob er sich was dazuverdienen wolle. Als Ordner bei einem großen Sportevent in Hamburg. Für 10 Euro Stundenlohn. Uwe sagte zu – ohne nach einem Vertrag zu fragen. „Hab damals einfach nicht dran gedacht“, gibt er zu und erzählt, dass er am verabredeten Treffpunkt einfach eine Sicherheitsweste in die Hand gedrückt bekam. Mehr nicht, keine Einweisung, keine Erklärung. Etwa zwölf Stunden habe seine Schicht gedauert. „Der Job war okay, eigentlich ganz leicht. Aber wenn was passiert wäre, hätte ich selbst nicht gewusst, was ich machen muss“, so sein Fazit.

Zwei Wochen später sei „das böse Erwachen“ gekommen, wie er es nennt. Als er seinen Auftraggeber um eine Abrechnung fürs Amt bat, sagt dieser, dass er ihn gar nicht offiziell angemeldet habe. Das Geld bekommt er einfach in die Hand gedrückt. „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich es nicht gemacht“, meint Uwe. Er hat nie erfahren, für welche Firma er gearbeitet hat. „Wir waren die Letzten in einer langen Kette von Sub-Sub-Subunternehmen.“

EM in Hamburg: Einige Ordner arbeiten offenbar für vier oder fünf Euro Stundenlohn

Eine andere Veranstaltung, ein anderer Ordner, aber die gleiche Geschichte. Schwarzarbeit und nicht mal Mindestlohn. Diese Stichworte fallen in unserer Recherche immer wieder. Ordner berichten von Einsätzen in Discotheken oder bei Musikfestivals. Von mangelnden Kontrollen und einer Branche, in der das normal sei. Normal, dieses Wort fällt immer wieder.

„Das ist inzwischen gang und gäbe“, sagt Markus. Natürlich heißt auch er nicht Markus, natürlich möchte auch er nicht sagen, für welches Unternehmen er arbeitet. Datenschutz, sozusagen. Seine Erfahrung, nach vielen Jahren in der Branche: „Viele Ordner beziehen Sozialhilfe und verdienen sich nur was dazu. Daher gibt es Leute, die bereit sind, für vier oder fünf Euro die Stunde zu arbeiten. Die arbeiten 50 Stunden pro Woche und sind froh, wenn sie das Geld schwarz bekommen und nicht beim Amt angeben müssen.“

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Sicherheitskräfte: Klauen Scheinfirmen Steuernummern aus dem Internet?

Er sagt, dass er bei einem seriösen Unternehmen arbeitet, dass da nicht mitmacht. Aber das sei inzwischen fast schon eine Ausnahme. „In der Branche wird mit allen Tricks gearbeitet“, sagt er und erzählt von Scheinfirmen, die Steuernummern fälschen oder von irgendeinem Unternehmen aus dem Internet einfach klauen. Das Problem: „Diese dubiosen Firmen unterbieten andere so lange, bis sie die kaputt gemacht haben.“

Markus verweist uns an einen Kollegen, der noch mehr erzählen könne. Doch dieser antwortet auf unsere Anfrage nicht.