Hamburg. Verfassungsgericht gibt Senat und Bürgerschaft recht: Volksbegehren gegen das Gendern darf in den Hamburger Sommerferien stattfinden.

Das Verfassungsgericht hat im Zweikampf zwischen Gendergegnern auf der einen und Senat und Bürgerschaft auf der anderen Seite eine erste Entscheidung gefällt. Der Punkt geht in diesem Fall an Senat und Bürgerschaft. Die Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ scheiterte gleich doppelt, zum einen mit ihrem Ansinnen auf Verschiebung ihres Volksbegehrens, zum anderen mit der Digitalisierung der Stimmabgabe. 

Die Volksinitiative hatte geklagt, weil die Bürger das anstehende Volksbegehren nicht digital unterstützen können und die Unterschriftensammlung komplett in die Sommerferien fällt. Darin sahen sie „eine eklatante Beschneidung des in der Hamburger Verfassung (Art. 50) gesicherten Bürgerrechts auf direkte Demokratie durch Senat und Bürgerschaft“.

Volksinitiative Gendern: Sieg für Senat und Bürgerschaft

Der Senat hatte in seinem Schreiben hingegen argumentiert, die Eilanträge als „offensichtlich unzulässig und offensichtlich unbegründet“ zu verwerfen beziehungsweise zurückzuweisen. Sie sprach darin der Volksinitiative die Klagebefugnis ab.

Das Verfassungsgericht entschied nun mit Beschluss vom Dienstag (Az. HVerfG 3/24), dass der Antrag auf Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung offensichtlich unzulässig ist. Es wies in seiner Begründung darauf hin, dass ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung regelmäßig unzulässig ist, wenn das Verfassungsgericht eine entsprechende Rechtsfolge im Verfahren der Hauptsache nicht bewirken kann. So verhalte es sich auch hier. Eine Verschiebung des Beginns der Briefeintragungsfrist sei im Hauptsacheverfahren nicht beantragt. 

Gericht: Initiative hat selbst Antrag auf Durchführung des Volksbegehrens gestellt

Außerdem könne auf den weiteren zeitlichen Ablauf des Volksabstimmungsverfahrens durch gerichtliche Entscheidung kein Einfluss mehr genommen werden. Denn die Volksinitiative selbst habe am 10. April 2024 den Antrag auf Durchführung des Volksbegehrens gestellt. Damit sei der zeitliche Ablauf des weiteren Verfahrens gesetzlich zwingend vorgegeben. Ein Gebot, Volksabstimmungen stets außerhalb der Ferienzeit abzuhalten, sei nicht ersichtlich.

Die Bürgerschaft hatte, anders als in früheren Fällen, abgelehnt, der Initiative eine Fristverlängerung zuzugestehen und damit den Sommertermin verursacht.

Auch eine Onlineabstimmung wird es im Sommer nicht geben

Auch mit dem Versuch, per Eilantrag eine Onlineabstimmung über das Gendern zu ermöglichen, scheiterte die Initiative. Das Gericht argumentiert im Konjunktiv: Die Rüge, der Senat „sei dem gesetzlichen Auftrag zur Ermöglichung einer Onlineabstimmung pflichtwidrig nicht nachgekommen, könne ebenfalls nicht dazu führen, dass die begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen wäre“. 

Im Klartext: Abgestimmt wird dann in den Sommerferien wie gehabt. Bei dem Volksbegehren müssen innerhalb von drei Wochen 66.000 Unterschriften zusammenkommen, was in der Urlaubszeit kompliziert werden dürfte. Deshalb finden Wahlen grundsätzlich außerhalb der Ferienzeiten statt.

„Richter wählen den Weg durch das dichte Gestrüpp verfahrensrechtlicher Details“

Scharfe Kritik kommt von der Initiative: „Die Begründung des Verfassungsgerichts ist für Nichtjuristen kaum verständlich“, heißt es in einer Pressemitteilung. „Die Richter befassen sich nicht inhaltlich mit der eigentlichen Frage, ob eine Volksabstimmung in den Sommerferien einen verfassungsrechtlich unzulässigen Eingriff in die Rechte der Bürger beinhalte. Sie wählen stattdessen den Weg durch das dichte Gestrüpp verfahrensrechtlicher Details.“

Mit Spott reagiert Jens Jeep, Vertrauensperson der Volksinitiative und Notar, auf das entscheidende Argument des Verfassungsgerichts: „Über die Hauptsache wird frühestens 2025 entschieden. Um dann einen Termin zu verschieben, der bereits im Sommer des Vorjahres lag, bräuchte es einer Zeitmaschine. Uns war nicht bekannt, dass das Hamburger Verfassungsgericht im Besitz einer solchen ist. Deshalb haben wir ja einen Eilantrag gestellt.“ 

Gendern: Gegner wollen nun über ihre Website Briefeintragung erleichtern

Das Volksbegehren zum Gendern muss den Vorgaben der Bürgerschaft zufolge am 18. Juli zeitgleich mit den Schulferien beginnen. Die Unterschriftensammlung startet am 8. August und läuft bis zum 28. August – dem letzten Tag der Sommerferien. Immerhin haben die Gendergegner eine Website geschaltet, auf der man den Antrag für die Briefeintragung online stellen kann.

Nach dem Urteil sieht die Initiative die direkte Demokratie in Hamburg insgesamt gefährdet. „Es geht hier um nicht anderes als die Frage, ob der Bürgerwille nur dann zum Ausdruck kommen darf, wenn er der politischen Mehrheit in der Bürgerschaft auch gefällt“, kritisiert Jan-Dirk Strauer von der Volksinitiative.

Initiative sieht direkte Demokratie in Hamburg in Gefahr

„Das Volksbegehren wird trotzdem erfolgreich sein“, sagt Hans Kaufmann, Vertrauensperson der Volksinitiative. „Es müssen nur alle mitmachen, die für direkte Demokratie und gegen das Gendern in Behörden und Schulen eintreten. Wir sagen: Jetzt erst recht.“

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Die Volksinitiative möchte erreichen, dass die Hamburger Verwaltung, Bildungseinrichtungen sowie städtische Unternehmen auf Gendersternchen und Doppelpunkte in Wörtern verzichten. Im Gesetzestext der Initiative für die Bürgerschaft heißt es, der Senat solle diesen Institutionen vorgeben, dass die deutschsprachige amtliche, schriftliche oder elektronische Kommunikation und Veröffentlichungen unter Einhaltung des amtlichen Regelwerks erfolge, die der Rat für deutsche Rechtschreibung empfehle.