Hamburg. Keine Verurteilung, kein Freispruch: Verfahren aus gesundheitlichen Gründen beendet. Warburg-Gesellschafter erhebt schwere Vorwürfe.
Prozessende ohne Verurteilung oder Freispruch: Das Cum-Ex-Strafverfahren am Landgericht in Bonn gegen den früheren Vorstandschef der Hamburger Privatbank M.M.Warburg & CO, Christian Olearius, wird eingestellt. Ein entsprechendes Urteil fällte die Vorsitzende Richterin Marion Slota-Haaf am Montag. Die Staatsanwaltschaft hat dagegen Revision eingelegt.
Grund für die Beendigung des Prozesses, der seit September 2023 lief, ist die angeschlagene Gesundheit des 82-jährigen Olearius. Zuletzt war bei den Verhandlungen immer ein Arzt anwesend. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung hatten das vorzeitige Ende des Verfahrens beantragt. Mit dem Einstellungsurteil bleibt die Schuldfrage bei den Cum-Ex-Geschäften unbeantwortet.
Olearius erklärte nach der Einstellung: „Es ist gut, dass dieses Verfahren nun beendet ist. Ich habe immer gesagt, dass ich mir nicht nur keiner Schuld bewusst war und bin, sondern mich auch objektiv keine Schuld trifft. Das von der Staatsanwaltschaft in Gang gesetzte Verfahren und die Art der Ermittlungen waren von Anfang an und über Jahre in vielfacher Hinsicht eklatante Verstöße gegen die Grundregeln der Rechtsstaatlichkeit, die fassungslos machen.“ Die Anklage sei „konstruiert“ gewesen, die Umstände der Ermittlungen und des Verfahrens „politisiert“.
Cum-Ex: Hamburger Bankier Olearius bestritt im Prozess die Vorwürfe
Christian Olearius war in 15 Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung angeklagt, die zu einem Steuerschaden von knapp 280 Millionen Euro geführt haben sollen. Der Mitgesellschafter und ehemalige Vorstandschef der in den Cum-Ex-Skandal verwickelten Hamburger Warburg-Bank bestritt die Vorwürfe. „Ich habe weder wissentlich noch willentlich an strafbaren Cum-Ex-Geschäften mitgewirkt“, hatte Olearius zu Prozessbeginn gesagt. Er sei vielmehr von legalen Aktienkaufverträgen ausgegangen. „Eine Schädigung des Staates lag mir fern.“ Am Montag erklärte er vor Gericht laut einer Mitteilung, die dem Abendblatt vorliegt, diese Aussagen hätten Bestand. Zudem erhob er schwere Vorwürfe gegen die Ermittler.
In Hamburg beschäftigt sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit der Cum-Ex-Affäre. Auch der ehemalige Erste Bürgermeister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte dort bereits aus. Unter anderem berief er sich auf Erinnerungslücken bei der Frage, worum es in Treffen mit dem Warburg-Banker Olearius gegangen sei. Nach dem Willen der Opposition soll Scholz erneut aussagen. Olearius‘ Tagebucheinträgen zufolge hat sich der Banker dreimal mit Bürgermeister Scholz getroffen. Dabei soll es um Steuernachforderungen an die Bank in Millionenhöhe gegangen sein. Die Frage steht im Raum, ob es eine politische Einflussnahme auf die Finanzbehörden gab, auf die Steuern zu verzichten.
Cum-Ex: Untersuchungsausschuss PUA in Hamburg geht weiter
Obwohl die Staatsanwaltschaft zunächst beantragt hatte, von Olearius 43 Millionen Euro an „Taterträgen“ einzuziehen, muss er diese Summe nicht zahlen. Das Gericht erklärte, die Ankläger hätten hier bislang nicht zu Ende ermittelt. Das bedeutet: Das kann die Staatsanwaltschaft später noch in einem eigenen Einziehungsverfahren versuchen. Gegen diesen Beschluss hat die Staatsanwaltschaft Beschwerde eingelegt. Die muss vom Oberlandesgericht Köln geprüft werden.
Olearius erklärte in seiner schriftlichen Mitteilung, „Herr (Max; die Red.) Warburg und ich“ hätten „durch freiwilligen Schuldbeitritt über EUR 230 Mio. persönlich beglichen und zwar im Wissen um unsere Unschuld“. Insgesamt habe die Bank 280 Millionen „an den Fiskus“ gezahlt.
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In Hamburg erklärte der CDU-Obmann im PUA, Richard Seelmaecker, der Hamburger Cum-Ex-Skandal bleibe in einem „wesentlichen strafrechtlichen Teil offen“. Seelmaecker sagte: „Das bedauern wir als CDU sehr, da nicht der Eindruck bei den Menschen entstehen darf, dass man die Kleinen hängt und die Großen laufen lässt.“ Olaf Scholz und Peter Tschentscher hätten Cum-Ex-Geschäfte „sogar im Nachhinein gedeckt“. Er kritisierte zudem die Hamburger Staatsanwaltschaft: „Bei rechtzeitigem Handeln hätte das Verfahren in Hamburg geführt und längst abgeschlossen sein können. Dass die Staatsanwaltschaft von der Justizbehörde die notwendige Verstärkung bis heute nicht erhielt, offenbart, dass auch bei den Grünen der Wille zur Aufklärung bei null liegt.“
Warburg-Mitgesellschafter Christian Olearius: Vorwürfe gegen Wolfgang Schäuble
Olearius hingegen erklärte, ein „sogenannter Kronzeuge“ habe dazu beigetragen, dass er über acht Jahre verfolgt worden sei: von Ermittlern, der Bafin und den Medien. Die Behauptungen dieses Kronzeugen hätten sich als Lügen erwiesen. Es gebe Beweise für seine Unschuld. Massive Vorwürfe machte Olearius auch der inzwischen ausgeschiedenen Staatsanwältin Anne Brorhilker und spricht von einem „schwer erträglichen Leid mit einer Stigmatisierung in der breiten Öffentlichkeit“. Neben der Rufschädigung sei durch falsche Verdächtigungen auch ein „Bankrisiko“ begründet worden.
Olearius warf dem verstorbenen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor, in seiner (nach dem Tod veröffentlichten) Autobiografie die Warburg-Bank vorverurteilt zu haben. „Wie kann ein Bundesfinanzminister in einem nicht ausermittelten Einzelfall selbst anweisen, bei Warburg einzugreifen? Warburg sei an illegalen Geschäften beteiligt gewesen und womöglich würden die Warburg-Leute von Hamburg vor einer Strafe geschützt. Nicht nur eine Vorverurteilung, eine Verurteilung. Dass solch ein Ministerwort bei Behörden und Medien nachwirkt, ist verständlich.“ Bei anderen Steuerfällen von Banken habe Schäuble anders agiert.
dpa/ryb