Hamburg. Plätze für psychisch kranke Schwerverbrecher deutlich erhöht. Polizeigewerkschaft fordert Auskunftssystem wie das Waffenregister.
Täglich werden in Hamburg statistisch zwölf Menschen wegen psychischer Probleme zwangsweise von den Behörden zur Behandlung eingewiesen. Laut Bezirksamt Altona, das für die Fälle zuständig ist, gab es es im vergangenen Jahr 4455 Fälle. Bei ihnen besteht die Gefahr, dass sie „sich selbst oder andere erheblich schädigen“. Bei knapp der Hälfte der Betroffenen wird ein Richter eingeschaltet, um eine längere Behandlung zu erzwingen. Das ist eine Steigerung zu den Vorjahren, in denen die Zahl der gerichtlichen Anordnungen zu einer Unterbringung zwischen 1583 und 1803 Fällen lag.
Der 39-jährige Mann, der am Sonntag auf der Reeperbahn mit einem Schieferhammer und einem Brandsatz Menschen gefährdete und von der Polizei durch einen Schuss ins Bein gestoppt wurde, ist eine der Personen, für die eine Unterbringung angeordnet wurde. Es ist ein spektakulärer Fall. Die meisten psychisch Kranken werden zwangseingewiesen, weil sie konkrete Suzidgedanken haben. Oft, so heißt es aus dem Bereich der acht Krankenhäuser, die in Hamburg psychisch kranke Menschen aufnehmen, spielt auch der Konsum von Rauschmitteln eine Rolle.
Polizei Hamburg: Die Zahl der Fälle von Zwangseinweisung steigt in Hamburg stetig
Bei der Polizei ist man mit psychisch Erkrankten wie am Sonntag auf dem Kiez vermehrt konfrontiert. Nicht immer, wie der Fall zeigt, kommen die Täter aus Hamburg. Großstädte, so die Erfahrung eines Mediziners, üben eine besondere Anziehung auf psychisch labile Menschen aus. „Die Zahl der Einsätze, bei denen sich die Kollegen einer Person in einem psychischen Ausnahmezustand gegenüber sehen, steigt“, so Thomas Jungfer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Dass die Zahlen steigen, spiegelt sich auch im medizinischen Bereich wider. So stieg die Zahl der Betten für psychisch Kranke in Hamburg von 1622 im Jahr 2015 auf 2045 in diesem Jahr. Die Zahl der Plätze im Maßregelvollzug, wo psychisch Kranke untergebracht sind, die schwere Straftaten begingen, stieg von 292 Ende 2014 auf aktuell 375.
Berühmt und berüchtigt das Haus 18 im Klinikum Nord, früher landläufig „Ochsenzoll“ genannt. Dort sitzen oder saßen die „ganz schweren Kaliber“ wie der „Heidemörder“, der Frauen entführte, missbrauchte und tötete. Auch der Serienmörder Fritz Honka, der Prostituierte in seine Wohnung auf St. Pauli lockte, sie tötete und zerstückelte und der damit in die Hamburger Kriminalgeschichte einging, war dort untergebracht.
Für eine zwangsweise Unterbringung muss ein Amtsarzt einbezogen werden
Um in so einem Fall eine Unterbringung zu erwirken, muss ein Amtsarzt einbezogen werden. Hier gibt es Kritik. Man werde zu oft bereits vorher„abgewimmelt“, so ein Vorwurf aus der Polizei. Die zuständige Behörde hält dagegen. „In einem ersten Schritt prüfen in der Regel sehr erfahrene Verwaltungsangestellte, ob die von der Polizei geschilderten Informationen ausreichend sind, um im Rahmen gesetzlicher Vorgaben eine Einweisung vornehmen zu können“, so Mike Schlink vom Bezirksamt Altona. Erst wenn die Voraussetzungen gegeben sind, werde ein Amtsarzt informiert.
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Jungfer sieht Täter, die sich in einer psychischen Ausnahmesituation befinden, als weiter steigendes Problem. Er fordert, wie es Polizeipräsident Falk Schnabel andeutete, eine Kartei, damit die Beamten wissen, dass sie es mit so einer Person zu tun haben. Jungfer: „Wie beim Waffenregister, durch das wir wissen, ob eine Person, zu der wir fahren, eine legale Schusswaffe hat und deswegen besondere Gefahr droht.“